Kapitel 2 – Irrwichte und Butterbier
„Penny! Bist du in Ordnung? Du hast ziemlich fertig ausgesehen, nachdem der Irrwicht in Kräuterkunde erschienen ist. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“ Cody hatte Penny soeben in der Großen Halle getroffen.
„Machst du dir Sorgen um mich? Mir geht es wunderbar“, wiegelte Penny ab.
„Wirklich? Das fällt mir schwer zu glauben.“
„Da ist der Feind aller Flüche, der Pulverisierer der Polaren Plattenrüstung, Cody Bailey!“ Soeben war Bill dazugekommen. „Schön dich zu sehen! Fällt dir irgendetwas an mir auf?“
Stolz präsentierte er seine Brust, die er nur mit dem weißen Hemd, aber ohne Hogwarts-Umhang bedeckte. Eine rot-golden-gestreifte Krawatte hing locker um seinen Kragen und an der linken Brust hing ein glänzendes Abzeichen mit der Aufschrift ‚Vertrauensschüler‘.
„Nimm dich in Acht, Cody“, seufzte Penny. „Er ist schon seit einer Stunde damit beschäftigt.“
Dann platzte es aus Bill heraus: „Ich bin der neue Gryffindor-Vertrauensschüler! Sie haben mir sogar ein glänzendes Abzeichen gegeben!“
„Herzlichen Glückwunsch, Bill! Das war eine tolle Leistung.“
„Danke, Cody. Vielleicht wirst du eines Tages auch Vertrauensschüler.“
Der Gedanke gefiel Cody: „Wenn ich ein Vertrauensschüler wäre, würde ich diese Schikanen ein für alle mal beenden, sodass niemand sich mehr mit einer Person wie Merula herumaschlagen muss.“
„Genau! Mit deinem Mut wirst du bestimmt irgendwann Vertrauensschüler.“
Doch genug davon. Eigentlich ging es ja um etwas anderes. „Kannst du uns helfen, Bill? Ein Irrwicht hat in Kräuterkunde Penny angegriffen. Er hat die Gestalt eines Werwolfs angenommen und ich nehme an, das ist ihre größte Angst. Nicht wahr, Penny?“
Doch Penny lenkte ab. „Ich weiß nicht, warum es so ausgesehen hat…“
„Professor Sprout hat den Irrwicht vertrieben“, erklärte Cody Bill. „Aber sie meinte, dass sie noch nie einen Irrwicht in den Gewächshäusern gesehen hat. Ich frage mich, ob es irgendetwas mit den Verwunschenen Verliesen zu tun hat.“
Bills Rat sah wie folgt aus: „Hagrid kümmert sich immer um furchterregende Kreaturen. Du solltest ihn fragen, was er über Irrwichte weiß. Lass mich wissen, was – HEY!“, brüllte er plötzlich in eine andere Richtung. „Erstklässler! Hört auf mit den Creme-Torten herumzuspielen!“ Mit diesen Worten rannte er zu ein paar jüngeren Jungs.
Hagrid wurde zuletzt im Innenhof vom Glockenturm gesehen und daher ging Cody nun dorthin. Hier übten junge Schüler Zauberstabbewegungen und auch ein Halbriese stand im Schatten der Wasserspeier. Höflich fragte Cody, wie sein Sommer war.
„Er war gut, danke der Nachfrage“, antwortete Hagrid. „Ich habe einen Wurf Flubberwürmer in der Hütte großgezogen, aber die sind jetzt alle ausgewachsen, und ich weiß nicht, was ich mit ihnen machen soll.“
„Wenn sie ausgewachsen sind, kannst du sie in der Wildnis aussetzen“, schlug Cody vor.
„Gute Idee! Sie können draußen im Dreck eine glückliche kleine Familie Flubberwürmer aufziehen. Ich wusste, dass du ein gutes Herz hast. Aber genug mit meinen Flubberwürmer-Problemen. Was kann ich für dich tun, Cody?“
„Wir haben während Kräuterkunde einen Irrwicht in Gewächshaus drei gefunden. Bill dachte, du weißt vielleicht, wie er dahin gekommen ist.“
„Ein Irrwicht?“ Hagrid überlegte. „Die habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Nicht seit…“
Während der Halbriese noch grübelte, fragte Cody ungeduldig: „Seit wann?“
„Seitdem dein Bruder an der Schule war und sich nach Irrwichten erkundigt hat.“
Jetzt war Cody noch interessierter als zuvor: „Warum hat sich mein Bruder nach Irrwichten erkundigt? Was hat er gesagt? Was hast du ihm erzählt?“
„Dein Bruder dachte, dass sich eines der Verliese die Ängste von jedem zunutze macht, der es zu öffnen versucht. Wenn auf einmal Irrwichte in Hogwarts auftauchen, könnte das heißen, dass sich jemand an dem Verlies zu schaffen macht.“
„Mein Bruder hat sich ausgiebig mit den Verliesen beschäftigt. Hm… Weißt du, wo er seine Notizen aufbewahrt hat?“
„Dein Bruder hatte nicht besonders viele Freunde in Hogwarts. Aber er hat viel Zeit in den Drei Besen in Hogsmeade verbracht.“
Hagrid erklärte, dass die Besitzerin dieses Gasthauses Madam Rosmerta hieß. Diese könnte etwas über seine Notizen wissen. Passenderweise bereiteten sich die Erstklässler gerade auf ihren Ausflug nach Hogsmeade vor – da könnte Hagrid Cody und Rosmerta miteinander bekannt machen.
„Es wird dir total gefallen, Cody. Sprich mit deinem Hauslehrer und sieh zu, dass du beim Ausflug dabei bist! Ich warte in den Drei Besen auf dich.“
Im Gemeinschaftssaal war der erste Besuch des Schuljahres in Hogsmeade ein großes Thema, vor allem für die Drittklässler, die zum ersten Mal nach Hogsmeade durften. Eine Schülerin überlegte, welche Kleidung am besten für den Ausflug in das Zaubererdorf geeignet sein würde. Rowan skandierte: „Hogs! Meade! Hogs! Meade!“
Ein Viertklässler hatte Snape in einem Vorratsschrank im Zaubertrankunterricht gefunden – aber es war nicht Snape, sondern ein Irrwicht! Doch Professor Flitwick stoppte Cody in seinem Jubel: „Wohin rennen Sie so schnell, Mister Bailey?“
„Nach Hogsmeade, Professor Flitwick. Hier ist meine schriftliche Genehmigung.“
„Sie gehen nicht nach Hogsmeade. Sie werden das Schulgelände nicht verlassen, nicht einmal mit einer schriftlichen Erlaubnis!“
„Was?!“ Cody echauffierte sich. „Das ist unfair! Das können Sie nicht tun!“
„Die Anweisungen sind eindeutig. Die Lehrer haben entschieden, dass Sie Hogwarts nicht verlassen dürfen. Sie haben unzählige Schulregeln gebrochen, Ihre Mitschüler gefährdet und jegliche Selbstbeherrschung vermissen lassen.“
„Ich habe Hogwarts gerettet!“, stellte Cody wutentbrannt klar.
„Dumbledore hätte das genauso gut machen können, ohne dabei mehrere Schüler in Gefahr zu bringen, einschließlich Ihnen.“
Cody musste sich kurz sammeln und sprach dann ein wenig beruhigter weiter: „Bitte, Professor. Madam Rosmerta von den Drei Besen weiß vielleicht etwas über meinen Bruder und die Verliese.“
„Und genau deshalb bleiben Sie hier. Sie konzentrieren sich zu viel auf diese gefährlichen Verliese statt auf Ihren Lehrplan! Wenn Sie sich das Privileg, nach Hogsmeade gehen zu dürfen, verdienen möchten, müssen Sie fleißig lernen. Danach können Sie Hogsmeade besuchen.“
„Ja, Professor Flitwick“, gab sich der Drittklässler geschlagen. Der Hauslehrer ging und sogleich kam Rowan mit einem betrübten Gesichtsausdruck auf Cody zu. Er hatte alles mitangehört. Es tat ihm so leid. Aber Cody musste ja nur im Unterricht besser aufpassen und lernen, bis er umfiel. Das klang total spaßig…
Rowan empfahl ihm die Bibliothek zum Lernen. Das heiterte Cody ein wenig auf. Er musste lernen und Professor Flitwick zeigen, was er auf dem Kasten hatte, damit er nach Hogsmeade durfte!
Die Bibliothek war ein großer Raum mit unscheinbar vielen Bücherregalen. In der Mitte zwischen den Regalen standen Tische, an denen die fleißigen Schüler lernen konnten. „Ich mache jedes Mal, wenn ich ein Buch fertig gelesen habe, eine Kerbe in meine Brille… und meine Brille ist gerade zerbrochen“, sagte ein junger Ravenclaw. Leider konnte er nicht Reparo.
Die Bibliothekarin war eine hagere Frau mit vielen tief eingegrabenen Sorgen- und Zornesfalten. „Pssst! Halt die Klappe!“, fuhr sie gerade einen Schüler an.
Rowan genoss es hier. „In der Bibliothek von Hogwarts gibt es buchstäblich Hunderte von Büchern. Auch wenn ich nicht genügend Zeit habe, um sie alle zu lesen, werde ich es trotzdem versuchen.“
Da kam die Bibliothekarin mit mahnendem Blick auf sie zu: „Rowan Khanna, nur weil Sie hier mehr Zeit verbringen als alle anderen Schüler, dürfen Sie noch lange nicht die Regeln ignorieren.“ Sie wendete sich wieder ab.
„Madem Pince ist die Bibliothekarin“, sagte Rowan nun deutlich leiser. „Sie weist mich ständig zurecht, weil ich immer zu aufgeregt bin, um leise zu sprechen.“
Ein strenges „Pssst!“ ertönte.
„Wir sollten wieder runterkommen“, meinte Cody. „Madam Pince sieht verärgert aus.“
„Du hast recht. Wenn du Hogsmeade besuchen willst, sollten wir uns die Bücher schnappe und lernen!“
„PSSSST!“, kam schon wieder.
„Wir müssen leise sein, sonst wird die Blibliothekarin wütend!“, flüsterte Rowan und versenkte seine Nase in einem Buch. So lernten die beiden nun und ordneten ihre Gedanken. Dank Rowans Lerngewohnheiten und all dieser fantastischer Bücher lernte Cody schneller als je zuvor. Wenn er so weitermachte, durfte er im Nu nach Hogsmeade.
Zaubertränke: Wachtrank
Im Zaubertrankunterricht traf Cody zum ersten Mal im dritten Schuljahr auf Merula. „Willkommen zurück in Hogwarts, Bailey“, begrüßte sie ihn mit abschätziger Stimme. „Wie hat es sich angefühlt, beim Festmahl öffentlich von Dumbledore gedemütigt zu werden?“
Diplomatisch fragte Cody, ob sie das dritte Jahr nicht lieber ohne Streit anfangen wollten.
„Natürlich. Und mach dir keine Sorgen um Dumbledore und die Verwunschenen Verliese. Ich werde sie alle öffnen, bevor du sie auch nur findest. Mit der Hilfe meiner neuen Partner Barnaby und Ismelda hier gehören der Reichtum und Ruhm in den Verliesen schon bald mir.“
Lässig nickte Merula zu den beiden Slytherins hinter ihr: ein blasses pickelgesichtiges Mädchen, das die schwarzen Haare wie einen Vorhang über das halbe Gesicht trug, und ein verwirrt dreinblickender Junge mit strubbeligen Haaren.
„Also gut, Sie unerträglicher Haufen“, beendete Snape das Gespräch. „Nehmen Sie Ihre Plätze ein, heizen Sie Ihre Kessel an und versuchen Sie, nicht noch eine weitere Unterrichtsstunde zu ruinieren.
Augen auf. Heuten lernen Sie, den Wachtrank zu brauen. Der Wachtrank ist sehr nützlich, solange Sie ihn nicht missbrauchen. Sehen Sie zu, wie ich den Trank herstelle.“
Der Zaubertrankmeister ging an den Kessel, die eifrigen Slytherins und Ravenclaws machten sich Notizen. Aber Merula musste Cody weiter necken: „Ich habe einen neuen Fluch gelernt. Soll ich ihn an dir üben?“
„Nicken Sie nur weiter, bis Ihnen der Kopf einfällt“, brummte Snape, ehe Cody reagieren konnte. „Geben Sie Wolfswurz in Ihren Trank. Rühren Sie ihn dann sehr vorsichtig um.“
Cody wollte Merula etwas entgegnen, aber erneut war sie schneller und schlagfertiger: „Du Trottel sollst Snape zusehen und nicht mir!“
„Sie verstehen es tatsächlich“, meinte Snape, dem das Hintergrundgespräch nicht aufgefallen war, „ich bin schockiert.“ Nur an Cody hatte er rumzumäkeln: „Sie sehen aus, als bräuchten Sie dringend einen Wachtrank. Konzentrieren Sie sich auf den Unterricht!“
Zum Glück war die Vorführung dann beendet und Cody durfte mit Rowan nach Billywig-Stacheln im Regal schauen. Cody fand ein verschimmeltes Glas und wollte sich bei Snape ein wenig einschleimen, indem er ihn darauf aufmerksam machte. Allerdings erkannte er dann, dass das Glas laut Aufschrift „Schimmel“ beinhalteten sollte.
Als Nächstes sollten sie Schlangenzähne mit dem Mörser zermahlen. Hoffentlich steckte zwischen den Zähnen kein lebendiges Tier mehr. Sollte Cody die Zähne nun zu Stückchen oder zu einer Paste zerstoßen. „Schauen Sie in das Buch!“, antwortete Snape ungehalten auf die Frage.
Dann hatte Cody alles bereit und der Lehrer wies seine Schüler an, wachsam zu sein, wenn sie den Wachtrank umrührten – andernfalls wären sie für lange, lange Zeit wach.
Nach der Unterrichtsstunde kam Merula mit ihren neuen Freunden nochmal auf Cody zu: „Was glaubst du, was sich im nächsten Verwunschenen Verlies befindet?“
„Ich hoffe, es ist etwas, das den Dunklen Lord zurückbringt“, sagte Ismelda. Merula aber befürchtete: „Vielleicht irgendetwas, das den Bruder von Bailey zurückbringt. Wenn ich es mir recht überlege, interessiert sich niemand für diesen verrückten Versager.“
„Ich würde an deiner Stelle meinen Mund halten, Merula“, entgegnete Cody verärgert. „Oder willst du ein weiteres Duell? Wir haben ja alle gesehen, wie das für dich läuft.“
„Du hast Glück gehabt, Bailey. Bei unserem nächsten Duell wirst du um Gnade winseln!“
Verwirrt fragte Barnaby Merula: „Hast nicht du um Gnade gewinselt, als Cody Bailey dich geschlagen hat? Ich weiß noch, du hast geheut, aber ich glaube, du hast auch ein bisschen um Gnade gewinselt.“ Da erst realisierte er, wie er seine Freundin in Verlegenheit brachte.
„Halt die Klappe, Barnaby!“, rief diese. „Barnaby, Ismelda, wir gehen. Wir vergeuden mit diesem Versager nur unsere Zeit.“ Ismelda und Merula wendeten sich ab und verließen den Zaubertrankraum. Barnaby aber blieb für eine letzte Warnung zurück:
„Wenn du dich mit Merula anlegst, lass ich alle Knochen aus deinem Körper verschwinden.“
„Warum bist du mit ihr befreundet?“, fragte Cody verwirrt. „Sie behandelt alle wie Dreck.“
„Wenn das, was sich im Inneren des Verlieses befindet, jemanden stärker macht, dann will ich es!“, erläuterte Barnaby. „Merula ist die durchtriebenste Hexe in Hogwarts. Ich muss tun, was sie sagt, wenn ich jemals in eines der Verliese gelangen will.“
„Hat sie dir das gesagt?“
„Genau.“
„Hast du dich jemals gefragt, ob sie lügt, um dich zu manipulieren?“
Barnaby erschrak. Darüber hatte er noch nie nachgedacht. Und das musste er nun tun: nachdenken. Dies aber schien ihm nicht zu gefallen. Nach kurzem Nachdenken blaffte er Cody an: „Lass mich nicht darüber nachdenken, Bailey!“ Dann zog auch er ab.
„Was für ein seltsamer Junge“, sagte er nur, als Rowan zu ihm kam.
„Barnaby ist einer der mächtigsten Zauberer in unserem Jahrgang, aber er ist einfältiger als ein Kobold“, stellte Rowan ihn vor.
„Selbst ein Kobold würde es sich zweimal überlegen, Merula zu vertrauen. Und jetzt sollten wir zu unserer nächsten Unterrichtsstunde gehen.“
Kräuterkunde: Getrocknete Nesseln
„Also, liebe Schüler“, begrüßte Madam Sprout sie in der nächsten Unterrichtsstunde. „Heute lernen wir, wie man Nesseln wachsen lässt. Jetzt schauen Sie nicht so gereizt, das wird Spaß machen.“
An den stacheligen Blättern der Nesseln sollte man sich nicht verletzen. Ben hätte bestimmt schreckliche Angst. Hinzu kam, dass die Luft in diesem Gewächshaus sehr schwer wog, aber dafür angenehm roch. Eine der Pflanzen zog allerdings plötzlich an Pennys Zopf. Tonks hingegen steckte sich einfach eine Pflanze in den Mund.
Die Schüler waren an diesem Tag sehr demotiviert und dachten lieber über die Zaubertränke nach, welche sie mit den Nesseln brauen konnten. Immer wieder musste Sprout um Aufmerksamkeit bitten. Während sie vorführte, wie man eine Nessel umtopfte, zeichnete Tonks Filch auf einem Berg Nesseln. Rowan wünschte sich, sie bräuchten mehr Bücher und weniger giftige Sträucher für die Hausaufgaben in Kräuterkunde.
Als nun die Schüler selbst auch Nesseln umtopfen sollten, steigerte das die Motivation nicht unbedingt – Tonks legte ein paar Gummischnecken in einen Topf, um jemanden reinzulegen, der sie dort finden würde. Als Cody sich Drachenlederhandschuhe aus einer Kiste holen wollte, nagte etwas an seinen Fingern.