Kapitel 4 – Filchs Eigentum
Irrwichte sollen in allen vier Gemeinschaftsräumen gesichtet worden sein, zumindest machte dieses Gerücht die Runde in der Zaubererschule. Trotzdem ging der Unterricht normal weiter und die jungen Ravenclaws und Hufflepuffs waren gerade in den Gewächshäusern.
„Heute lernen Sie, die Fangzähne von vampirischen Gewächsen zu entfernen“, sagte Professor Sprout. „Halten Sie Ihre Gärtnersachen und Ihre zahnmedizinischen Geräte bereit.“
Cody aber war nicht bei der Sache. Der Vorfall mit dem Irrwicht und seine Arbeitsstunden in den Drei Besen trübten seine Konzentration. „Alles in Ordnung?“, fragte Tonks. „Ich habe gesehen, wie Filch aus den Drei Besen stürmte und du kamst danach und sahst aus, als hätte jemand deinen letzten Schokofrosch gestohlen.“
„Meine liebsten Schüler, ich möchte heute im Unterricht keine Stichverletzungen sehen!“, versuchte die Lehrerin den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten. Cody vertröstete Tonks darauf, ihr nach der Stunde mehr zu erzählen.
So hatte dann auch Professor Sprout die Gelegenheit, ihren Schülern die erforderlichen Gewächshaus-Etiketten beizubringen. „Keine Sorge, falls ein Schüler in Ohnmacht fällt. Auf dem Boden sind Sie sicher.“
Eine Schulstunde später fragte Tonks wissbegierig: „Was ist in den Drei Besen passiert?“
„Ich habe das Notizbuch meines Bruders gefunden. Darin hat er – so glaube ich – all seine Nachforschungen über die Verwunschenen Verliese notiert.“ Codys Stimme wurde von Zorn gefärbt: „Filch hat es mir regelrecht aus der Hand gerissen. Ich muss es zurückholen!“
„Filch lagert alle Dinge, die er beschlagnahmt, in seinem Büro. Ich bräuchte siebenundvierzig Finger, um alles aufzuzählen, was er von mir hat“, meinte Tonks. Sie schlug vor, Filch aus seinem Büro zu vertreiben, damit Cody das Notizbuch seines Bruders suchen konnte.
Doch wie erschreckte man jemanden, der selbst erschreckend war? Tonks schlug einen Ausflug zu Zonks Scherzartikelladen vor.
Der Verkaufsraum war ein einfacher Raum mit großen Regalen an den Seiten, gefüllt mit den bekanntesten Scherzartikeln. Eine Sechstklässlerin warnte Cody direkt vor beißenden Teetassen. Ein jüngerer Schüler füllte seinen Vorrat an Zuckerfederkielen auf.
„Willkommen in Zonkos Scherzartikelladen“, begrüßte Tonks ihren Mitschüler überschwänglich, „dem ultimativen Geschäft für alle Arten von Unfug!“
Doch Schluckaufdrops und Aufblasbare Zungen würden Cody nicht helfen, das Notizbuch von Filch zurückzubekommen. Tonks erwiderte, dass solche Dinge für Ablenkung sorgen. Ein Streich zur richtigen Zeit, um Filch aus seinem Büro zu locken.
Da meldete sich der Ladenbesitzer: „Nur einen Moment! Ich bin sofort bei Ihnen!“ So hatten die beiden Drittklässler Gelegenheit sich umzusehen, während sie warten. „Behalte deine Hände bei dir, Tonks“, sagte sie zu sich selbst, „versuche, nicht zu stolpern…“
Cody traute sich bei den meisten Dingen in der Auslage nicht, genau hinzusehen. Ein Hinweisschild besagte: „Nicht anfassen, wenn Sie keine Warzen wollen.“ Auch bei anderen Gegenständen sollte man die Dosen lieber verschlossen lassen. Manches roch wie ein Soufflé aus Käse und Vogelkot.
Dann kam endlich der Ladenbesitzer. Ein älterer Mann mit weißem Haar, welches er sich zu einem langen Schnurrbart gezwirbelt hatte. Auf dem Kopfe hingegen hatte er nur noch eine Haarsträhne, welche ihm über die Stirn fiel. Er trug einen blauen Morgenmantel, einerseits mit dem Logo von Zonkos, andererseits mit seinem Namensschild Bilton. Darunter trug er einen Pullunder, eine blaue Fliege und eine goldene Hose mit Hosenträgern.
„Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Sie da, Ravenclaw, was kann ich für Sie tun?“
Als Cody gerade sein Begehr nennen wollte, schrie der Verkäufer plötzlich auf: „Hinter Ihnen! Ein feuerspuckender Ukrainischer Eisenbrauchdrache!“
Cody erschrak zu Tode, sein Gegenüber hingegen brach in Lachen aus und hielt sich den Bauch. „Oho! Sie hätten Ihr Gesicht sehen sollen! Die ältesten Tricks sind immer noch die besten!“
Tonks kicherte: „Er hat dich reingelegt, Cody.“
„Toller Streich. Jemanden zu Tode zu erschrecken, ist die höchste Form des Humors“, lobte der Gepeinigte.
„Sie wissen meine klassischen Tricks zu schätzen? Ich mag Sie jetzt schon… Oho, ich bin Biltom Bilmes! Willkommen in Zonkos Scherzartikelladen, Heimat der originalen Schluckaufdrops! Welche Art von Streich schwebt Ihnen vor?“
„Ich suche etwas, das einen kauzigen alten Hausmeister erschrecken könnte.“
„Ausgezeichnet. Ich kann Ihnen zwei unserer beliebtesten Artikel empfehlen. Vielleicht kann ich Sie für einen Fangzähnigen Frisbee begeistern. Aerodynamische Schuppen auf der Alligatorseite und perfekt gezackte Kanten zum Durchtrennen.
Oder vielleicht eine Nasebeißende Tasse. Ein perfekter Tag beginnt mit frischem Gebäck und einer Fleischwunde, wie man so schön sagt.“
Für diese entschied Cody sich direkt. Sofort bot Bilton einen Zehbeißenden Kessel dazu an. Aber den brauchte Cody nicht. Er wollte ja nur kurz Filch aus seinem Büro vertreiben.
Zurück in Hogwarts legten sich Cody und Tonks vor Mr Filchs Büro auf die Lauer und warteten, dass sowohl er als auch Mrs Norris es verlassen hatten. Nun konnten sie hier nach dem Notizbuch von Codys Bruder suchen.
Doch Tonks hatte noch eine wichtige Insider-Information: „Filch verlässt sein Büro nie für lange Zeit. Sei also bereit für deinen Streich.“
Soweit wollte es Cody gar nicht erst kommen lassen und öffnete die Tür schnell mit Alohomora. Tonks blieb auf dem Gang, um Schmiere zu stehen.
Filchs Büro war genauso kalt und deprimierend, wie Cody es sich vorgestellt hatte. An den Wänden standen Holzschränke mit Eisenbeschlägen. Oben drauf waren große Stapel Papier, auf einer Kiste war sogar ein Totenschädel. Von der Decke hingen Armfesseln. In der Ecke waren weitere Stapel Papier und Kisten mit konfiszierten Gegenständen, überwiegend Produkte aus Zonkos.
In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch mit vielen Papieren, einem Tintenfass und einer Feder. An jeder Seite des Tisches stand ein großer Holzstuhl, wahrscheinlich einer für Mr Filch und einer für den Schüler, dem er gerade eine Predigt halten durfte.
Es würde ewig dauern, in all diesen Kisten und Schubladen das Notizbuch zu finden. Daher musste Cody seinen Streich mit der Nasebeißenden Tasse wohl wirklich vorbereiten. Er hatte diese gerade in eine große Geschenkbox gepackt und auf den Tisch gestellt, da hörte er vom Gang schon das Knurren des Hausmeisters:
„Das ist nicht fair, Mrs Norris…“
Cody musste schnell handeln und wirkte den ersten Zauber, der ihm einfiel: „Reducio!“ Er schrumpfte und konnte sich selbst so hinter dem Schreibtisch verstecken.
„Als ob ich mit Peeves und seinen ungezogenen Mitkreaturen nicht schon genug zu tun hätte, muss ich jetzt auch noch Botengänge für Professor Snape erledigen“, regte sich Filch bei seiner Katze auf, als er in sein Büro trat. „Warum sollen wir in Hogsmeade frieren, nur um die Notizen eines Kindes zu stehlen? Vielleicht habe ich auch Lust auf ein Butterbier!
Niemand respektiert mich, Mrs Norris. Niemand! Und dabei bin ich derjenige, der hier für Ordnung sorgt…“ Da entdeckte er das Geschenk auf seinem Tisch. „Moment mal… was haben wir hier? Ein Geschenk? Für mich?“
Er öffnete die Geschenkbox und nahm die Tasse heraus. Das entschädigte ihn für seinen Ärger mit Snape. „Sieh nur, eine Teetasse“, sagte er zu seiner Katze. „Was für ein zauberhaftes Geschenk für einen Squib wie mich!“
Doch da sprang ihn die Tasse plötzlich an und biss ihn in seine Nase. Filch schrie auf und ließ die Untertasse fallen. „Aaaah! Nasebeißende Tasse! Rennen Sie, Mrs Norris!“ Die Katze und der Hausmeister mit der Tasse im Gesicht liefen aus dem Büro.
Nun konnte sich Cody mit Engorgio wieder groß zaubern. Das war echt knapp. Nun musste er aber endlich das Notizbuch finden. Immerhin konnte Filch jederzeit wiederkommen. Er begann zu suchen und fragte sich, wofür die Ketten an den Decken waren. „Er verwendet die nicht für Schüler… oder?“
Auch musste er aufpassen, dass die Kiste mit dem Feuerwerk nicht explodierte. Die Feuerwerke lagen nämlich auf einer Schicht leicht brennbarer Sägespäne. In einem Putzeimer fand er schmutziges Wasser. Damit hätte man auch rechnen können.
Schließlich hatte er überall nachgesehen, außer in dieser einen verschlossenen Schublade direkt hinter dem Stuhl von Filch. Mit Alohomora kam er auch an diesem Schloss recht gut vorbei und fand darin tatsächlich das Notizbuch seines Bruders! Doch es war in einem seltsamen Code geschrieben. Daher wollte er im Gemeinschaftsraum Rowan um Hilfe bitten.
Kräuterkunde: Stinksaft
Eine Drittklässlerin aus Hufflepuff wurde an diesem Morgen Opfer eines Streiches. Sie wollte sich waschen, aber ihre Seife war voller Kaulquappen. Ob das daran lag, dass sie im selben Haus und selben Jahrgang wie Tonks war?
Außerdem wurde Luisa, die ebenfalls in der 3. Klasse im Hause Hufflepuff war, in den Quidditch-Umkleideräumen von einem Irrwicht angegriffen. Sie hat sich den Kopf gestoßen und musste in den Krankenflügel gebracht werden.
Tonks aber merkte nicht, was hier vor sich ging, und lachte einfach nur. Sie liebte es bei Zonkos einzukaufen – zum Beispiel Froschlaichseife.
Vor Professor Sprout stand eine Mimbulus Mimbletonia, eine entzückende Pflanze, wenn man ihr Glauben schenken mag, aber im Grunde sah sie aus wie mehrere aneinandergefügte Kugelkakteen mit leuchtenden Pusteln. Wenn man sie reizte, verspritzte sie Stinksaft.
Viele Schüler haben bereits versucht, den ausgeprägten Geruch des Stinksaftes zu beschreiben, aber sein fauliges Aroma macht es nicht leicht. Die heutigen Schüler, also die Drittklässler aus Hufflepuff und Ravenclaw haben hoffentlich alle an ihre Nasenstöpsel gedacht.
Diejenigen, die nicht daran gedacht hatten, musste sich halt die Nasen zuhalten, während Professor Sprout erklärte, wie man die Mimbulus Mimbletonia pflegte.
Cody schaffte es, die Pflanze so zu reizen, während er sie düngte, dass sie ihn mit Stinksaft besprühte. Sprout lobte ihn dennoch für seine Arbeit, bat ihn aber, nichts anzufassen und für mindestens neunzig Minuten zu baden.
Dieser Stinksaft wäre weit sympathischer, wenn er nicht wie warmer Käse in einer Sportsocke riechen würde.
Zauberkunst: Depulso
Auch im Zauberkunstunterricht waren die im Schloss auftauchenden Irrwichte ein großes Thema. Ein Mitschüler aus Gryffindor meinte, in Pflege magischer Geschöpfe sei ein Irrwicht in Form eines Drachen aufgetaucht. Bei Ben allerdings wäre ein Irrwicht echt verwirrt, weil er bei all seinen Ängsten eine so große Auswahl hätte.
Auf dem Lehrplan stand für heute Depulso, der Verscheuchezauber. Auch wenn dieser gegen Irrwichte nicht viel ausrichten würde. Depulso war eine nützliche und mächtige Zauberkunst, die sowohl Objekte als auch Lebewesen wegschicken konnte.
Normalerweise verteilte Flitwick Kissen an die Schüler, an denen sie den Zauber ausprobieren konnten. Aber in seiner letzten Stunde hat ein Schüler alle Kissen mit hellblauen Flämmchen verbrannt. Er entschuldigte sich aufrichtig bei den Schülern, die den Zauber nun gegeneinander ausprobieren mussten.
Doch zunächst teilte der Lehrmeister, wie man den Zauber wirkte, und die Schüler sollten zuschauen. Er überlegte, ob er nicht einfach neue Kissen herbeizaubern sollte. Kaum einer war konzentriert auf seine Vorführung – selbst Rowan ritzte seine Initialen unter den Tisch und zeigte es Cody. Rowan wird immer für ihn da sein.
Für den Zauber musste man mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen und den Körper stabil halten – ansonsten würde man nicht seinen Gegner verscheuchen, sondern nur seinen Stolz. Nun begann auch Rowan sich auf den Unterricht zu konzentriere. Man durfte die Knie aber auf keinen Fall durchdrücken. Den Zauberstab musste man so halten, dass es sich bequem anfühlte. Ein schlaffer Griff am Zauberstab konnte tödliche Folgen haben.
Die Beschwörungsformel lautete Depulso. Dies war nicht schwer auszusprechen. Dennoch durfte man sich keinen Fehler erlauben. Billingsley hat mal mit einer einzigen falschen Silbe das Bootshaus angezündet.
Der Gryffindor-Schüler mit den blonden Haaren hinter Cody schnitt sich am Papier seines Buches. Eine Schnittwunde konnte man leider nicht mit Depulso verscheuchen. Zum Abschluss des Unterrichts durften die Schüler Depulso auf Übungspuppen zaubern.
Weil Cody so gut war, durfte er den Zauber vor der ganzen Klasse auch nochmal auf einen Kessel wirken, der nach seinem Depulso quer durch den Raum schepperte. Flitwick gab ihm für diese Leistung zehn Hauspunkte.