Endlich fuhr der Zug im Bahnhof von Bansin ein. Alex und Sunny wuchteten ihre Koffer aus dem Gepäcknetz. Als Alex vor ihrer Freundin das Abteil verlassen wollte, um zum Ausgang zu gehen, hielt Sunny sie zurück: „Alex, es tut mir leid wegen vorhin. Ich wollte dir nicht wehtun“, sagte sie leise zu ihr.
Alex schaute sie nur an. Sie war sich nicht sicher, ob sie es glauben konnte: „Ist schon okay“, antwortete sie, als hätte sie einen Kloß im Hals.
Alex hatte in dem kleinen Ostseestädtchen einen Geschäftstermin. Als die beiden dort ankamen, meldeten sich an der Rezeption an und waren bester Laune.
„Hey Süße, weißt du worauf ich schon fürchterlichen Appetit habe?“, fragte sie Sunny. Alex war, nachdem sie im Hotel eingetroffen waren, wie ausgewechselt.
„Woher soll ich das denn wissen, grade bei dir du Fresssack“, foppte Sunny ihre Freundin.
„Auf UFO“, platzte Alex heraus und rieb sich den Bauch.
„WAS bitte ist UFO?“, fragte Sunny entsetzt.
„Na ja, laut der Speisekarte hier Entenbrust. Da man es aber nie garantieren kann, was es wirklich war - belassen wir es bei unbekanntem Flugobjekt“, sagte Alex in ihrer herrlich trockenen Art. Sunny hielt sich den Bauch. Sie brach in Tränen aus vor lachen. Die Dame hinter der Rezeption verkniff sich das Lachen, aber es scheiterte. Die drei Frauen hatten sichtlich ihren Spaß.
„Ich wünsche den Damen einen angenehmen Aufenthalt und einen schönen Abend“, ließ die freundliche Angestellte des Hotels hören.
Alex beugte sich nach vorne um das Namensschild zu lesen: Es bedient sie Nicole Gärtner. „Dir auch Nicole!“, flüsterte Alex und zwinkerte ihr zu.
Die Frau lief leicht rot an. Lächelte etwas verlegen, antwortete aber mit einem mehr als interessierten Blick.
Sunny stand da und wirkte etwas angesäuert: „Was war das denn jetzt?“, fragte sie mit einem forschen Unterton.
„Nichts, ich habe ihr nur einen schönen Abend zurück gewünscht. Apropos, um sieben hab ich den ersten Termin“, verkündete Alex und sah auf die Uhr. „Es ist knapp halb Fünf. Was machen wir bis dahin?“, wollte sie von Sunny wissen.
„Hm“, überlegte diese. „Wie wäre es mit einem späten Kaffeekränzchen?“
„Hast du keine besseren Einfälle?“, motzte Alex. „Kaffeekränzchen! Wie langweilig!“ Dabei zog sie eine Schnute, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
„Und eine Runde Wasserschlacht im Pool?“
Alex überlegte kurz. „Au ja“, rief sie dann. „Wasserschlacht im Pool. Haben die hier eigentlich einen?“
„Das können wir ja herausfinden“, antwortete Sunny und ging nochmals zur Rezeption, um genau dieses zu erfahren. Kurz darauf kam sie freudestrahlend zurück: „Die haben einen. Sogar mit temperiertem Wasser, Whirlpool und so einem Schnickschnack.“
„Na, dann mal los. Erst schnell nach oben, raus aus den Klamotten, rein in die Badesachen und dann ab ins Vergnügen“, jauchzte Alex und trieb Sunny zur Eile an. „Halb sieben müssen wir fertig sein. Ich denke, nach einer Wasserschlacht brauche ich eine Rundumerneuerung. Der Kunde bekommt sonst einen Herzinfarkt und braucht Mund - zu - Mund - Beatmung.“ Alex lachte laut und Sunny stimmte mit ein.
Schnell liefen die beiden nach oben, suchten ihre Bikinis aus dem Koffer und machten sich auf den Weg zum Pool, der sich im Kellergeschoss des Hotels befand. Sie belegten zwei der Liegen, die am Rand standen und sprangen dann ins kühle Nass.
Ein kleines Stück entfernt vom Pool lag ein Pärchen. Sie waren zirka 35 bis 40 Jahre alt.
„Pssst Sunny“, zischelte Alex. Doch Sunny reagierte nicht und paddelte völlig selbstvergessen im Pool rum. „Sunnyyyyyyyyyyyyyy“, zischte Alex etwas lauter. Sunny war wie aus allen Wolken gerissen. „Sunny! Guck doch mal!“
„Was denn?“, fragte sie.
Alex schaute sie an, als wolle sie sagen „Schön, dass du auch mal zuhörst“. Sie deutete auf das Pärchen.
„Nu guck mal die dort. Die liegen da wie ein altes Ehepaar. Nur, dass sie sich nicht viel zu sagen haben. Wetten, die sind voll spröde?!“
Sunny lachte laut los. Sie kringelte sich, dass sie dabei fast unter ging. Sie wusste genau, dass Alex prüde meinte.
„Du bist bescheuert“, sagte Sunny und näherte sich Alex.
Alex schaute sie mit einem Blick an, der fast Wasser zum Gefrieren brachte. „So kannst du das auch nicht sagen“, meinte sie mit gespitzten Lippen.
Die beiden hatten sichtlich ihren Spaß.
Sunny hatte genug und kletterte aus dem Pool, ging zur Liege und nahm das Handtuch von Alex. Sie warf es Alex rüber, als diese auch aus dem Wasser stieg.
Aber Alex hatte schon wieder dieses Grinsen im Gesicht, auf das meist ein Streich folgte. Sie schaute rechts, schaute links und tunkte ihr Handtuch ins Wasser. Mit einem Mal warf sie es zu Sunny rüber. Diese rechnete gar nicht mit dem Geschehen.
„Du altes Ferkel!“, blökte sie erschrocken, als sie das nasse Tuch voll traf.
Das war aber nicht alles. Das Pärchen hatte wohl ein paar Tropfen abbekommen.
Er lag dort und grinste nur mit so einem süffisanten Lächeln. Doch seine Frau sprang auf, klappte ihr Buch zu und schnaufte vor sich hin. „So etwas gibt es ja wohl nicht!“, fauchte sie wütend und bekam einen roten Kopf.
„Nass geworden?! Tropfen abbekommen?!“, fragte Alex in Steno.
Sie brachte die Frau damit noch weiter auf die Palme.
Inzwischen war er von der Liege aufgestanden und versuchte seine bessere Hälfte zu beruhigen. „Sybille, nun lass doch. Die beiden haben doch nur Spaß“, sagte er zu ihr und gab ihr ein Handtuch.
„Dass dir so etwas wieder gefällt, war mir klar!“, fuhr sie ihn an.
Von Alex hörte man nur ein leises Uups. Sie erkannte ziemlich schnell, dass ihr Handtuchwurf nicht der Auslöser war. Da steckte mehr hinter. Sie bemühte sich ganz schnell mit Sunny weg zu kommen.
„Eheterror“, sagte sie zu ihrer Freundin und blies zum Rückzug. Sie hörten im Rausgehen noch Worte wie: Warum hast du mich eigentlich geheiratet; du machst nur Ärger…!
Für Alex war es eh so langsam Zeit, sich fertig zu machen. Die Uhr zeigte kurz vor sechs Uhr an.
Lachend liefen sie zurück in ihr Zimmer. Oben angekommen, hielt sich Alex den Bauch vor Lachen: „Du, die beiden waren so was von krass!“, prustete sie los. „So was hab ich noch nie gesehen. Wenn ich mal so werde, dann nehme ich mir nen Strick und erschieße mich! Versprich mir hoch und heilig, mich totzuschlagen, wenn ich mal so werde!“ Alex bekam fast keine Luft mehr, so regte sie sich über das Paar am Pool auf.
„Nun komm mal wieder runter!“, versuchte Sunny sie zu beruhigen. „Ich verspreche dir, ich hau dir eine rein, wenn du mal so wirst.“ Nun musste Sunny auch lachen, als sie sich vorstellte, wie ihre beste Freundin Alex in vielen Jahren als garstiges Weib durch die Gegend lief und griesgrämig drein schaute.
Als sie sich endlich beruhigt hatten, trieb Sunny Alex an: „Du musst hinmachen, sonst schaffst du deinen Termin nicht!“
„Oh ja“, meinte Alex mit einem Blick auf die Uhr. „Der Kunde kommt hierher ins Hotel, wie gut. Da habe ich keinen Weg. Aber was machst du währenddessen?“
Sunny überlegte kurz. „Ich weiß noch nicht. Vielleicht werde ich mich hier im Hotel oder in der Umgebung etwas umschauen. Wenn ich nicht im Zimmer sein sollte, wenn dein Termin zu Ende ist, kannst du mich ja auf dem Handy anrufen.“
„Okay, das machen wir so. Es wäre ja blöd, wenn du dich in der Zeit hier langweilst und versauerst.“ Alex ging ins Bad und begann, sich ausgehfein zu machen.
Sunny zog sich inzwischen auch wieder an. Als Alex fertig war und sich verabschiedete, ging sie ins Badezimmer, um sich noch die Haare zu trocknen. Danach stand sie etwas unschlüssig im Zimmer. Viel Lust hatte sie zwar nicht, nach draußen zu gehen, aber das wäre immer noch besser als hier auf Alex zu warten. So machte sie sich auf den Weg nach unten und fragte Nicole, die immer noch an der Rezeption Dienst hatte, wo man denn um die Tageszeit spazieren gehen konnte. Nicole empfahl ihr die Strandpromenade und Sunny machte sich auf den Weg. Interessiert schaute sie sich um, als sie plötzlich bekannte Stimmen hörte. Sie sah sich um und entdeckte das Paar, das sie schon am Hotelpool gesehen hatte. Die beiden saßen im Außenbereich einer Eisdiele. Sunny schlich näher. Zum Glück hatten sie hinter dem Spalier, das die Eisdiele vor den Blicken der Spaziergänger schützte, Platz genommen. Sunny setzte sich unbemerkt auf einen der Blumenkübel, die zwischen den Trennwänden standen und lauschte interessiert. Die Frau war schon wieder am Keifen und machte ihrem Mann Vorhaltungen, wenn er auch nur einen Blick in Richtung einer Frau warf, die an ihnen vorbei lief.
„Musst du schon wieder nach fremden Weibern gaffen!“, hörte Sunny die Frau gackern. „Schon vorhin am Pool im Hotel hast du den beiden Flittchen, die dort waren, ständig hinterher geschaut. Du kannst es nie lassen! Geiler Bock du!“
„Und du kannst es nie lassen, irgendwas an mir zu bemeckern! Manchmal frage ich mich, warum ich dich überhaupt geheiratet habe. Vor unserer Hochzeit warst du nicht so wie jetzt! Du bist eine richtige Zimtzicke geworden!“, verteidigte sich der Mann.
Sunny hörte die Frau heftig einatmen. ,Wie Recht er hat, so eine Zimtzicke`, dachte sie sich. ,Der arme Kerl.` Sie hatte genug gehört und stand leise auf. Jetzt noch von dieser Furie beim Horchen erwischt zu werden, darauf hatte sie gar keinen Bock.
Langsam ging sie hinunter zum Strand. Am Steg hielt sie kurz an und schaute in die Ferne. Am Horizont sah sie ein Schiff entlang fahren. Ganz klein sah es aus. Dann lief sie auf den Steg. Vorn angekommen, setzte sie sich hin und ließ die Beine baumeln. So saß sie eine Weile und schaute übers Wasser. Die Möwen flogen über sie hinweg und stießen ihre schrillen Schreie aus. Sunny aber bemerkte dies gar nicht, zu sehr war sie in Gedanken versunken. Sie dachte an die Szene im Bahnabteil, als sie mit dem Schaffner zugange war. Sie spürte, wie ihr Slip feucht wurde. Etwas wehmütig erinnerte sie sich daran, wie viel Spaß ihr das gemacht hatte. Aber als sie dann an Alex dachte, die sie danach mit traurigen Augen angesehen hatte, wurde ihr wehmütig ums Herz. So saß sie da und überlegte, wie es mit ihr und Alex weiter gehen sollte. Alex wollte wohl eine festere Beziehung, aber war sie, Sunny, schon bereit dafür? Würde sie überhaupt einmal bereit sein, eine feste Bindung mit Alex einzugehen? Klar, sie mochte sie, sehr sogar, aber war es genug, dass man Liebe dazu sagen konnte?
Plötzlich klingelte ihr Handy. Erschrocken sah sie auf und kramte danach in den Tiefen ihrer Handtasche. Immer wenn ich das blöde Ding suche, finde ich es nicht, grummelte sie vor sich hin, als sie vergeblich in ihrer Tasche kramte. Dann endlich fand sie es. Aber der Anrufer hatte es schon aufgegeben. Sie schaute in die Liste und sah, dass Alex angerufen hatte. Sie wählte die Nummer und wartete, bis das Gespräch angenommen wurde.
„Hey Süße, wo bist du?“, schnatterte Alex los. „Ich habe schon im Hotel gefragt, die sagten mir, du hättest gefragt, wo man hier spazieren gehen kann. Ich bin jetzt an der Strandpromenade, aber ich sehe dich da nicht.“
„Langsam, langsam“, versuchte Sunny den Redefluss ihrer Freundin zu bremsen. „Du lässt mich ja gar nicht zu Wort kommen. Ich bin auf dem Steg, ganz vorne.“ Sunny stand auf und sah sich um. Dann entdeckte sie ganz oben an der Promenade Alex. „Ich sehe dich“, sagte sie in den Hörer und winkte in deren Richtung. Sie sah, wie sich Alex umblickte.
„Jetzt sehe ich dich auch“, meinte Alex. „Ich komme rüber, bleib wo du bist. Bis gleich.“
Ehe Sunny noch etwas sagen konnte, hörte sie schon ein Knacken im Hörer, als Alex auflegte. Sie setzte sich wieder auf den Steg und wartete bis Alex sie erreichte.
Sie kam strahlend auf sie zu, gab ihr einen Kuss und schaute sich um. „Es ist schön hier. Irgendwie könnte ich mir vorstellen, mich hier einzunisten“, meinte sie mit einem romantischen Unterton in ihrer Stimme.
Sie nahm Sunnys Hand. Sunny schmunzelte vor sich hin. Ihr fiel die Szene des alten Drachen vom Pool ein. „Die Knötterziege und ihr Herr Gemahl sitzen auch dort hinten“, sagte Sunny und zeigte in Richtung der beiden.
Alex lachte los. „Weißt du Süße, so will ich nie enden!“
„Wie war dein Termin?“, wollte Sunny wissen. Sie hatte jetzt gerade keine Lust über die beiden da herzuziehen.
„Das war gut. Es geht über die Bühne. Er bringt mir am späten Abend noch Unterlagen. Die lässt er an der Rezeption hinterlegen“, antwortete Alex.
Es war noch richtig warm für die Tageszeit. Leicht wehte der Wind den Strand entlang. Die Möwen flogen entspannt durch den lauen Wind.
„Hey Sunny, wollen wir dort drüben was essen und uns danach wieder hier her setzen?“, fragte Alex.
„Gerne“, antworte sie ihr. „Ich habe auch schon wieder Hunger. Das liegt wohl an der Luft hier.“
Die beiden gingen rüber in ein Lokal. Seestern, stand über dem Eingang.
Freundlich wurden sie begrüßt. Dort schien ein Gast noch wahrgenommen zu werden. Alex fühlte sich sichtlich wohl. Sie legte ihr Handy auf dem Tisch ab, schaute Sunny an und sagte: „Bestell mir bitte eine Cola mit.“
In Windeseile zog sie los, um die Örtlichkeiten des Hauses aufzusuchen.
Sunny sah, dass Alex einen Anruf bekam. Ihr Handy war noch auf lautlos, so sah sie es nur blinken. Als sie auf das Display schaute, sah sie, dass es Chris, ein Exfreund von Alex war. Ihr wurde es mulmig. Sollte sie das Gespräch annehmen? Nein, sie tat es nicht. Doch sie spürte in sich, dass es ein mehr als unangenehmes Gefühl war. Ausgerechnet er musste sich heute melden. Alex hatte immer nur positiv über ihn gesprochen. Warum die beiden sich seinerzeit getrennt hatten, konnte sie nie verstehen.
Alex kam vom WC zurück und Sunny schob ihr direkt das Handy hin. „Chris hat angerufen!“
„Und? Was wollte er?“, fragte Alex.
„Meinst du etwa, ich nehme solche Gespräche an“, fauchte Sunny leicht gereizt.
Alex lachte los. „Das hättest du ruhig machen können“, sagte sie beschwichtigend. „Wir haben doch keine Geheimnisse voreinander. Oder?“
„Hm“, brummte Sunny nur darauf.
Alex machte nicht den Anschein, als wolle sie ihn zurückrufen. Nein, wenn sie auf etwas keinen Bock hatte, kam dies in Ablage Viel später. So ist sie halt.
Der Kellner kam und nahm ihre Bestellung auf. Sie mussten nicht lange warten, bis ihr Essen serviert wurde. Schweigend saßen sie sich gegenüber und aßen.
“Was machen wir nachher noch?”, brach Alex die Stille, nachdem sie den letzten Bissen verspeist hatte.
Sunny überlegte kurz: „Keine Ahnung”, meinte sie dann. “Strandspaziergang vielleicht. Die Sonne geht bald unter, das wird bestimmt ein schönes Schauspiel.”
Das taten sie dann auch. Sie gingen Hand in Hand wie ein Liebespaar hinunter zum Strand, um den Sonnenuntergang zu erleben. Der ließ nicht lange auf sich warten.