Gründonnerstag, die Wohngruppe war mittlerweile echt leer geworden einige Jugendliche waren nach Hause zurückgekehrt, andere waren in andere Wohngruppen gezogen. Mara und ich waren mit Julius einem neuen Mitbewohner und Tina, alleine. Es waren Osterferien und es war mir klar, dass wohl kaum an Ostern nach Hause durfte, genauso wenig wie alle anderen in der Gruppe gerade. Durch die Ferien hatte ich Zeit auszuschlafen, was ich auch tatsächlich mal tat und stand erst um kurz nach zehn auf, schlurfte zu meinem Schreibtisch und ließ mich auf den Stuhl fallen. Lernen musste ich nichts, aber da stand mittlerweile auch die Switch von zu Hause, die mein Vater irgendwann im Büro abgegeben hatte. Er versuchte alles, um mich möglichst schnell wiederzubekommen, was aber bisher nichts so wirklich gebracht hatte.
Ein Teil der Gruppe hatte vor, zur Kirche zu gehen, ich musste für meine Konfirmation nächstes Jahr noch eine Menge Unterschriften von Gottesdiensten sammeln. Seit dem letzten Sommer war ich dabei, allerdings nicht in der Kirchengemeinde in meinem Dorf, sondern mit Mia gemeinsam. Trotzdem ging ich heute mit in die Kirche in der Nähe der Wohngruppe, Calluna, mit der ich ganz am Anfang im Stall gewesen war und Mara waren mit dabei, den Rest kannte ich nicht. Wir liefen gemeinsam als große Gruppe, um ein letztes Abendmahl vor Ostern zu feiern, einige aus der Gruppe durften schon daran teilnehmen und am Ende sahnte ich einen Stempel ab und wir machten uns in leichtem Nieselregen auf den Weg zurück in die Gruppe.
Da wurde schon Mittagessen gekocht, es sollte Fisch geben, etwas was mir so gar nicht schmeckte, weswegen ich mir einfach schnell mit Mara und Calluna Pizza bestellte, was Frau Timmerlahn sehr begeisterte. Aber wir hatten vor es selbst zu bezahlen, weswegen sie nichts dagegen sagen konnte und wir in allerdings in aller Seelenruhe bestellten und unten am Tor auf unser Essen warteten. Wenig später war es auch schon da und wir machten uns im Flur von Callunas Gruppe breit, wo wir die Pizzen direkt aus dem Karton aßen und dabei planten heute Abend ins Kino zu gehen, in einen Kinderfilm, da weder Calluna, noch Mara Lust hatten sich einen schlimmeren Film anzuschauen. Wir entschieden uns mit einem Blick in das Kinoprogramm für Fünf Freunde.
Wir nahmen zwei Busse ins Kino, die allerdings auch reichlich teuer waren, was wir allerdings zurückbekamen im Gegensatz zu den relativ günstigen Kinotickets. Mit Popcorn bewaffnet und fast eine Viertelstunde zu früh machten wir es uns vor dem Kinosaal auf Sesseln bequem und sprachen eine Weile nichts. Nur Mara begann Callunas Zopf aufzulösen und ihr schweigend mit einem zweiten Zopfgummi von ihr zwei Zöpfe zu flechten. Ich sah ihm einfach nur dabei zu, während Calluna an ihrem Handy herumspielte und Mara kaum zu beachten schien. Kurz vor Filmstart suchten wir uns dann doch unsere Plätze stellten unsere Handys aus, was heute leider keine gute Idee war. Der Kinosaal füllte sich rasch, was Calluna wiederum stresste und Mara ihr die Hand beruhigend auf den Arm legte.
Als wir es endlich nach dem Film aus dem Kino geschafft hatten, standen Frau Bach und Frau Finke völlig nervös vor dem Kino und warteten bis wir da waren. „Da seid ihr endlich, warum geht keiner von euch ans Handy“, Frau Finke fing an nervös hin und herzurennen: „Wir haben dringende Neuigkeiten für Mara.“ „Wir waren halt im Kino“, Mara stellte nebenbei ihr Handy wieder an: „Hat das nicht warten können bis wir wieder zuhause sind?“ Offensichtlich nicht denn Frau Finke führte uns rasch zum Gruppenauto, wo sie dann zu erzählen begann: „Wir fahren jetzt schnell nach Hause, seit einer Stunde ist endlich der Gerichtsbeschluss für Maras Sorgerecht rechtskräftig. Kein Tag zu spät, heute ist Deadline für deine Aufnahme in die Klinik Mara.“
Knapper hätte es wohl wirklich kaum sein können, denn Mara stürmte kaum, dass wir auf dem Hof hielten, in ihr Zimmer, um ihre Sachen in eine Tasche zu packen. Keine Stunde später war er auch schon weg mit dem Versprechen mit mir so oft es möglich war über WhatsApp zu schreiben. Ich sah dem Auto hinterher, das rasch den Hof verließ, bis es um eine Kurve verschwand, dann ging ich zur Reitgruppe, einfach um Beschäftigung zu haben. Die Pferde wollten gefüttert werden und es wurde heute auch für eine kleine Gruppe Reitunterricht angeboten von einer Betreuerin. Ich hatte mich schon vor einer Woche dafür angemeldet und war damit auch absolut sicher mit dabei. Ich freute mich schon absolut darauf, weil hier niemand irgendwas über Geschlechter erzählte.
„Super Luna, denk dran die Zügel etwas lockerer zu lassen“, rief Frau Harbach über den Platz, als ich im Schritt hinter einigen Mitbewohnern herritt. Sie war eine Betreuerin aus einer älteren Gruppe und ritt seit Jahren, ihr eigenes Pferd stand im Reitstall hier. Dort stand es auch aktuell noch, sie war heute zu Fuß unterwegs. Mein Reitstil hatte sich um einiges verbessert, auch wenn ich gerade absolut in Gedanken fast vom Pferd fiel und mich gerade noch so halten konnte, weswegen ich den Haflinger in die Mitte lenkte und abstieg. Frau Harbach kam zu mir gelaufen: „Alles in Ordnung? Ist dir schlecht geworden oder so?“ Ich schüttelte den Kopf: „Ich wäre nur fast runtergeflogen, weil ich gedanklich geschlafen habe, deswegen dachte ich, ich halte besser kurz mal an.“
Die Reitstunde war kurze Zeit später für mich beendet und nach dem absatteln, putzen und füttern verzog ich mich in mein Zimmer. Ich musste noch mein Zimmer putzen und meinen Dienst, Bad putzen, machen. Ich tauschte meine Jeans und den voller Haare klebenden Pullover gegen ein weißes Langarmshirt und eine schwarze Jogginghose. Dann lief ich los, um mir einen Staubsauger und einen Wischmopp für mein Zimmer zu besorgen und anschließend mein Zimmer zu putzen. Mein Fußboden wies zwar keinen einzigen Krümel auf, was aber daran lag, dass ich es fast täglich putzte. Das Bad war da schon deutlich schwieriger, Tina hatte wohl ihre Tage gerade, ich fand einige Blutstropfen an verschiedenen Stellen des Bads, die ich mit dem Wischmopp rasch wegwischte.
Als ich nach dem Putzen in mein Zimmer zurückkam, war es bereits Viertel vor acht und Mara hatte mir eine Nachricht über WhatsApp geschrieben. Bin inzwischen auf Station, Aufnahme lief ganz gut, aber Frau Finke hat mir andauernd dazwischen gequatscht. Ich darf mein Handy erstmal behalten, solange ich es nicht bei Therapien und so benutze. Dazu schickte er mir ein paar Bilder von ihrem Zimmer und der Station, es sah ganz nett aus, er teilte sich ein Zimmer mit einem sympathisch wirkenden Jungen in unserem Alter mit dunkelbraunen Haaren. Ich tippte rasch ein Sieht doch super aus, vorallem das Zimmer und dein Mitbewohner auch, ich hoffe es hilft dir, zurück. Mara antwortete vor dem Abendessen nicht mehr, vielleicht gab es dort schlichtweg auch nur Essen.