Rückblick…
Wie konnte er es wagen? Fassungslos sah Hope auf Derek der gerade den Ballsaal betrat, an seinem Arm eine blutjung aussehende langbeinige Blondine, die sich umsah, als würde das Haus ihr gehören und der Ball nur ihr zu Ehren abgehalten werden.
Äußerlich um Haltung bemüht, versuchte Hope sich nichts anmerken zu lassen und setzte ein kleines Lächeln auf, während sie weiter mit dem Ehepaar plauderte, das ihr gegenüberstanden und gerade von seiner letzten Karibikreise schwärmte.
Gut, niemand wusste, dass sie und Derek bis gestern ein Paar gewesen waren, aber verflucht, was er hier abzog, war schon absolut frech. Und überhaupt, wo hatte er diese Frau aufgegabelt? Normalerweise hätte er gar nicht hier auftauchen dürfen, dass hatte sie ihm gestern schon klargemacht und wenn er eine Begleitung mitbrachte … er brauchte für sie auch eine Eintrittskarte und es gab keine mehr. Der Ball war schon, wie immer, nach wenigen Wochen komplett ausverkauft gewesen.
Es erstaunte sie immer wieder, wie Menschen für ein Gedeck bei diesem Ball ohne zögern mehrere tausend Dollar hinblätterten, nur damit sie hier sein konnten und zeigen, dass sie das Geld dazu besaßen. Woher also, zu Teufel, hatte er die beiden Karten? Denn seine hätte er nur gehabt, weil er ihre Begleitung gewesen wäre.
„Wir haben gehört, das letztes Jahr über zwei Millionen Dollar an Spenden zusammengekommen sind. Das ist eine gute Summe, oder?“ Die Frau, die sie seit einigen Minuten mit ihrem Mann in Beschlag legte, unterbrach ihre Gedanken und Hope zwang sich zu einem begeisterten Lächeln.
„Ja, das stimmt. Es zeigt die Großzügigkeit der Gäste und das ihnen der Natur- und Tierschutz ebenfalls am Herzen liegt.“ Ihr Lächeln wurde minimal aufrichtiger, während sie versuchte, nicht an Derek und seine Begleitung zu denken. In einer halben Stunde ging es zum Dinner, danach erfolgte der Vortrag darüber, was im letzten Jahr eingenommen worden war und wohin dieses Geld geflossen war. Danach begann dann der eigentliche Ball. Also noch eine verdammt lange Zeit, obwohl sie am liebsten sofort verschwunden wäre … oder Derek und seine Begleitung hinauswerfen lassen würde.
„Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment…“, Höflich nickte sie den Eheleuten zu und zog sich aus dem ermüdenden Gespräch zurück. Ihr ging diese Selbstbeweihräucherung auf die Nerven. Entweder man half, oder man ließ es eben sein. Sie selbst könnte gut und gerne auf diesen Ball verzichten und brauchte die Aufmerksamkeit nicht. Aber als Vorsitzende musste sie ja hier sein. Am liebsten würde sie ihren Vater verfluchen, dass er sie in diese Situation gebracht hatte. Aber sie wusste ja, dass er es nur gut gemeint hatte. Er und Lisa waren mittlerweile zu alt für diese stressige Aufgabe und genossen lieber die Zeit gemeinsam und in Ruhe und sie … nun, sie tat ja seit einigen Jahren eh nichts anderes, als für ihre kleine Non-Profit-Organisation zu arbeiten. Und jetzt gehörte eben seit einigen Jahren auch die Stiftung von Belle und Walter dazu.
Innerlich seufzend ging sie Richtung Bar. Sie brauchte dringend ein Glas Champagner um den Abend überstehen und den Anblick von Derek und der anderen ertragen zu können. Sie hätte natürlich auch ein Glas von einem der herumlaufenden Kellner nehmen können, aber dann wäre sie wohl noch länger in dem Gespräch gefangen gewesen.
Und sie wusste auch, dass ein Glas Wasser um einiges besser wäre als ein Glas Champagner um einen kühlen Kopf zu behalten. Aber hier mit einem Glas Wasser zu stehen, würde bedeuten, sofort die Aufmerksamkeit der umstehenden Gäste zu haben und damit allen möglichen Spekulationen Tür und Tor zu öffnen und darauf … konnte sie noch mehr verzichten als auf Dereks Anblick.
Sie wollte sich gerade von der Bar und Richtung Terrasse davonstehlen, um kurz frische Luft zu schnappen, als sie genau von den beiden aufgehalten wurde, denen sie nicht begegnen wollte.
„Hope,…“ Derek kam auf sie zu und sah sie mit einem seltsamen Blick an, während er einen Arm um die Taille seiner Begleitung liegen hatte. „Ich möchte dir Tanja Sorokin vorstellen. Ihr Vater ist ein Geschäftspartner von mir.“ Er sah zu seiner Begleitung. „Tanja, das ist Hope Darsteen, die Vorsitzende der Belle-Walter-Stiftung.“
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Wobei mir Ihr Nachname bekannt vorkommt.“ Hope reichte der jungen Frau höflich die Hand, bevor sie einen kurzen Blick zu Derek schoss, der kurz triumphierend grinste, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte.
„Ja, normalerweise kommen meine Eltern immer zu Ihrem Ball. Dieses Jahr sind sie leider geschäftlich verhindert, aber da ihnen der Naturschutz am Herzen liegt, haben sie mich gebeten, daran teilzunehmen und zu spenden.“ Sie sprach mit einer sanften Stimme, doch das konnte nicht überdecken, dass sie sich für etwas Besseres hielt. „Wobei ich etwas verwirrt bin. Mein Vater, beziehungsweise meine Eltern erzählten immer, dass ein Bryan Darsteen und seine Frau diesen Ball geben würden und dies eine Familientradition bei den Darsteens wäre. Er erwähnte keine Tochter.“ Sie warf Derek einen schnellen, scharfen Blick zu, ehe sie wieder in Hopes Richtung ein falsches Lächeln schickte. „Sie scheinen sehr jung zu sein.“
Hope spürte, wie es in ihr anfing zu brodeln und zwang sich ebenfalls, ihr Lächeln bei sich zu behalten, und höflich zu antworten, anstatt dieser eingebildeten Blondine den Champagner ins Gesicht zu schütten. „Ich habe den Vorsitz der Stiftung, die meine Eltern zu Ehren von Belle und Walter gegründet haben. Früher wurde der Ball von ihnen ausgerichtet, dann von meinen Eltern und jetzt von mir. Es stimmt also, dass meine Familie sich schon sehr lange für den Natur- und Tierschutz einsetzt.“
„Nun, vermögend genug ist Ihre Familie ja. Da bräuchte es vermutlich keine Stiftung, um Geld zu sammeln. Die paar Millionen im Jahr zahlen Sie doch locker aus Ihrer Portokasse. Wobei ich sagen muss, ich trage einen Pelz lieber über meinen Schultern, als ihn zu füttern. Doch meine Eltern sind anderer Meinung.“
Hope spürte, wie ihre Abneigung gegen die Blondine zunahm und sie sich zwingen musste, nicht scharf zu antworten. „Wenn Sie so denken, sind Sie hier vielleicht falsch und sollten dies auch nicht den anderen Gästen erzählen.“ Hope stellte ihr Glas auf die Theke und nickte beiden zu. „Wenn Sie mich nun entschuldigen würden? Ich muss noch einige neu angekommene Gäste begrüßen.“ Sie konnte es sich nicht nehmen lassen, Derek kurz einen verächtlichen Blick zuzuwerfen, ehe sie sich umdrehte und zu einer Gruppe ging, die am anderen Ende des Saals gerade aufgetaucht war. Sie hatte die Leute bereits begrüßt, doch das wussten Derek und Tanja ja nicht, da sie noch nicht lange da waren. Sie hörte nur mit halbem Ohr, wie Tanja etwas zu Derek sagte, dass klang wie … wieso habe ich das Gefühl, dass ihr beide euch bereits kennt? Oder was sollten die Blicke zwischen euch beiden?
Doch es war ihr egal, was Derek darauf antwortete. Sie zauberte erneut ein Lächeln auf ihr Gesicht und trat zu der Gruppe, bereit einige Minuten über etwas belangloses zu plaudern, solange sie dafür nicht die Anwesenheit von Derek und Tanja ertragen musste.
*
Es war weit nach Mitternacht als Hope endlich wieder im Hotel war. Und obwohl sie müde war, konnte sie nicht schlafen und wanderte durch ihre Penthouse-Suite wie eine gefangene Tigerin. Immer wieder ging ihr der Abend durch den Kopf, obwohl sie es nicht wollte. Derek und Tanja saßen natürlich an ihrem Tisch, weil die Karten, wie sie erfahren hatte, eigentlich ihren Eltern gehörten, die aber nicht kommen konnten. Es war wohl Ironie des Schicksals, das dann ausgerechnet deren Tochter in Begleitung von Derek aufgetaucht war. Wie sie erfahren hatte, hatte Derek wohl geschäftlich mit Tanjas Vater zutun und er hatte ihn gebeten, seine Tochter zum Ball zu begleiten. Kurzfristig. Völlig ungeplant. Und Derek hatte natürlich zugesagt. Hope schnaubte verächtlich. Wahrscheinlich hatte er gedacht, so mit ihr reden und ihre Meinung bezüglich der gelösten Verlobung ändern zu können.
Zumindest war ihr ein winziger Augenblick der Genugtuung vergönnt gewesen, als Tanja erfahren hatte, das Derek bis zum Vortag mit ihr, Hope, verlobt gewesen war und sie ihm den Laufpass gegeben hatte.
Aber natürlich hatte er sie mit seinem Charm wieder eingewickelt und milde gestimmt, sodass Tanja anschließend den ganzen Abend wie eine Klette an seinem Arm hing und ihr nur Blicke zugeworfen hatte, die wohl deutlich machen sollten, dass Derek nun ihr gehörte.
Hope schnaubte verächtlich. Sollte sie ihn doch haben und behalten. Sie konnte auf Männer verzichten, die untreu waren und nicht einmal eine Spur schlechten Gewissens hatten.
Seufzend blieb sie an dem großen Panoramafenster stehen und sah auf das nächtliche New York hinunter. New York – die Stadt die niemals schlief.
Sie würde noch zwei oder drei Tage hierbleiben, etwas shoppen gehen, ein paar letzte Weihnachtsgeschenke kaufen und dann wieder zurück nach L.A. fliegen. In einer Woche war schließlich Weihnachten.
Während sie auf die Schneeflocken sah, die plötzlich vor ihrem Fenster herumtanzten, wanderten ihre Gedanken weiter ziellos umher. Es war der erste Schnee dieses Jahr und plötzlich funkelten ihre Augen auf, wie die eines kleinen Kindes. Sie liebte Schnee und dass es jetzt schneite, beruhigte ihre Seele ungemein.
Vielleicht sollte sie einfach mal wieder über die Strenge schlagen. Einfach mal fünfe gerade sein lassen und wieder auf eine Party gehen. Tanzen. Etwas trinken und den ganzen Alltagsstress einfach mal hinter sich lassen. Wie lange war es jetzt her, seit sie zuletzt einfach mal sie selbst gewesen war und nicht die Vorsitzende ihrer eigenen kleinen Organisation? Oder später die Vorsitzende der Belle-Walter-Stiftung? Seit einigen Jahren bestand ihr Leben fast ausschließlich nur noch aus Arbeit.
Entschlossen wirbelte sie herum und eilte in ihr Schlafzimmer. Sie würde sich anziehen und noch etwas ausgehen. Egal wie spät es war. Sie brauchte das jetzt unbedingt für sich selbst. Einfach mal feiern, vielleicht ein bisschen flirten und ihr Selbstbewusstsein mal wieder etwas aufmöbeln.
Knapp eine Dreiviertelstunde später stand sie vor einem Club und biss sich nervös auf die Unterlippe. Es war mittlerweile ein Uhr nachts und sie sollte eigentlich im Bett liegen. Es war wirklich nicht sinnvoll um diese Zeit – und dazu noch alleine – einen Club zu besuchen.
Doch sie wusste, dass sie eh nicht schlafen konnte und eigentlich brauchte sie sich auch keine Sorgen zu machen. Ihr Vater, selbst Sam und später Chance hatten ihr und April von klein auf beigebracht, wie man sich verteidigen konnte. Sie hatten die Wahl, entweder andauernd von Bodyguards bewacht werden, oder lernen sich zu verteidigen. Da war die Wahl wirklich nicht schwergefallen. Auch wenn die ganze Familie privat nur den Namen Harper nutzte, war doch nicht vorherzusehen, ob irgendjemand herausfand, dass die Milliardenschwere Familie Darsteen gerne den Namen Harper nutze, um unerkannt zu bleiben. Die wenigsten wussten, dass der richtige Name Darsteen-Harper war. Darsteen von ihrer Großmutter und Harper von ihrem Großvater. Ihr Dad hatte noch nie den Namen Darsteen benutzt, es sei denn, es musste sein und so hielten es alle anderen der Familie auch.
Jeder der sie kennenlernte, lernte sie nur als Harper kennen.
Derek hatte sie zuerst auch nur als Hope Harper kennengelernt und erst als sie öfters ausgegangen waren, hatte er erfahren, dass sie eine Darsteen war.
Hope seufzte leise und schüttelte den Kopf, um die Gedanken an den Mistkerl Derek aus ihrem Kopf zu vertreiben, während sie erneut auf das Schild des Clubs sah.
Paddys Pub
Das Schild an der Seite kündigte Musik, Tanz und perfekte Getränke an, während zweimal die Woche eine Liveband spielte. Also hatte der Pub eigentlich genau das, was sie jetzt brauchte. Ein kaltes Bier und Musik zum Tanzen. Und garantiert auch ein oder zwei Männer, mit denen sie etwas flirten konnte, um ihr Selbstbewusstsein etwas aufzupolieren.
Wenn da nicht gerade die kleine Unsicherheit gewesen wäre, nachts um eins hier zu stehen. Acht Uhr, oder neun Uhr war etwas anderes … aber nachts? Vielleicht sollte sie doch zurück zum Hotel fahren, das nur ein paar Blocks entfernt lag. Doch gerade als sie noch unschlüssig war, ging die Tür auf und ein Pärchen trat lachend heraus, während die Musik bis zu ihr herüberschallte.
„Ach verdammt, ich bin eine erwachsene Frau. Wenn ich in eine Bar will, gehe ich in eine Bar, verflixt nochmal.“ Entschlossen straffte sie ihre Schultern, warf die Haare zurück und überquerte schnell die Straße, als sich eine Lücke in dem Verkehr auftat. Selbst jetzt um diese Zeit waren die Straßen belebt und voll.
New York eben, die Stadt die niemals schlief.
Sie lächelte dem Türsteher zu, der sie kurz musterte und dann nickend die Tür für sie öffnete. Musik, nicht so laut war wie sie zuvor gewirkt hatte, empfing sie zusammen mit dem typischen Geruch einer Bar, wo getrunken und getanzt wurde und wo man Spaß haben konnte – oder sich entspannen, je nachdem, was man vorzog.
Sich umsehend blieb sie kurz hinter der Tür stehen. Hier vorne war eine Garderobe und an der Seite ging ein Flur ab, der zu den Toiletten ging, wie ein Schild an der Seite anzeigte. Ihr gegenüber, einige Schritte entfernt, lag ein großer Raum im Dämmerlicht. Links standen Tische in einer Nische, wie sie von hier aus sehen konnte. Rechts war die Bar mit einigen Hockern. Dazwischen war eine Tanzfläche. An der Rückwand war eine leicht erhöhte Bühne, an deren Wand eine Dartscheibe hing. Hinter der Theke stand ein Bär von einem Mann und unterhielt sich mit einigen Männern, die davorstanden. Eine Kellnerin lief gerade geschickt mit einem Tablett auf dem Getränke standen, zwischen den tanzenden hindurch und zu den Männern, die hinten in der Ecke an einem Tisch saßen. An einem anderen Tisch saßen drei Männer und spielten Karten, wie sie grinsend und amüsiert feststellte. Der Lärm um sie herum schien sie absolut nicht zu stören. Ein paar andere Tische waren ebenfalls besetzt, ein paar Typen spielten Dart und einige Paare tanzten. Alles in allem wirkte es gemütlich und voll, aber nicht so voll, dass man sich kaum bewegen konnte.
Okay, das war definitiv kein Club wie sie ihn kannte, sondern wirklich eher ein Pub, oder eine Bar. Wobei Bar auch nicht wirklich passte. Es erinnerte sie hier ziemlich alles an einen irischen Pub, indem sie mit April vor Ewigkeiten bei einer Irlandreise einmal eingekehrt war.
Dann gab es hier doch bestimmt auch Guinness.
Entschlossen ging sie an die Theke und lehnte sich ein paar Schritte von den Männern entfernt dagegen.
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Cole starrte gedankenverloren in sein Bier. Sein zweites in drei Stunden und nachdenklich verzog er minimal die Lippen. Er sollte nicht hier sitzen. Er mochte New York nicht einmal besonders. Er sollte jetzt eigentlich in seinem Hotelzimmer im Bett liegen und schlafen. Oder in Georgia auf der Ranch seiner Eltern sein und mal wieder nach dem Rechten sehen. Doch er konnte sich einfach nicht dazu überwinden. Seit der Beerdigung seiner Eltern im letzten Jahr war er nicht mehr dort gewesen. Und das, obwohl sein Stützpunkt ebenfalls in Georgia lag, nicht einmal zwei Autostunden entfernt von der Ranch. Er wusste die kleine Ranch in guten Händen bei seinem Vorarbeiter, schließlich hatte der schon für seine Eltern gearbeitet.
Und außerdem war das letzte Jahr ziemlich turbulent gewesen mit mehr Einsätzen als sonst. Jetzt hatte er zwei Monate Urlaub und wusste nichts mit sich anzufangen. Vielleicht war er deshalb auf Anraten eines Kameraden ausgerechnet nach New York gefahren, um die Feiertage und Silvester hier zu verbringen. Ausgerechnet in New York. Wieso war er nicht nach Miami geflogen? Oder nach Frisco? Los Angeles? Oder einfach nach Dallas. Oder noch besser, in irgendeine kleine abgeschiedene Berghütte in den Rockys? Egal wohin, Hauptsache er hatte seine Ruhe und konnte mal abschalten.
Außerdem musste er so langsam mal überlegen, was er mit der Ranch machen sollte. Sollte er sie behalten, obwohl er so gut wie nie dort war? Er war doch eh entweder im Einsatz, oder im Stützpunkt und trainierte. Oder sollte er sie doch verkaufen? Aber irgendwie fühlte er sich noch unbehaglich bei dem Gedanken. Sein Großvater hatte das Haus eigenhändig gebaut und das Land damals für ein paar Cent erworben. Es war nicht riesig, doch das Land hatte reichlich Platz für eine übersichtliche Herde Rinder, sodass die Ranch sich mittlerweile fast selbstständig trug und sogar, wenn alle Rechnungen und Löhne bezahlt waren, Gewinn abwarf.
Seufzend hob er sein Glas und wollte einen Schluck trinken, als er aus den Augenwinkeln die Frau an der Bar sah, die von Männern umringt wurde. Stirnrunzelnd drehte er den Kopf in die Richtung und gerade als er zu der Gruppe sah, trat einer der Männer beiseite und gab den Blick auf die Frau frei, der es scheinbar sichtlich unangenehm war, so umringt zu sein. Zumindest entnahm er das ihrer steifen Körperhaltung.
Aber was für ein Körper. Er ließ langsam seinen Blick über sie gleiten und konnte die Männer verstehen. Auch wenn er es nicht guthieß, eine Frau so zu bedrängen.
Erneut ließ er seinen Blick über sie gleiten. Die langen Beine steckten in einer engen Jeans. Dazu trug sie Stiefel und eine kurze schwarze Lederjacke, die gerade einmal bis zur Taille ging. Darunter trug sie entweder ein langes Shirt oder einen Pullover, denn er schaute aus der Lederjacke hervor und bedeckte halb ihren Po. Einen perfekten, runden Po, wie er von hier aus sehen konnte. Schwarze, glänzende Haare ergossen sich in wilden Locken weit ihren Rücken hinab und unwillkürlich wurde er neugierig, wie ihr Gesicht aussah und welche Augenfarbe sie wohl hatte.
Noch während er sie betrachtete, legte einer der Kerle eine Hand auf ihren Hintern, während die anderen lachten und etwas sagten. Er sah, wie sie herumfuhr und hörte ihre Stimme als sie den Kerl anfauchte, seine Finger bei sich zu behalten.
Bei dem rauchigen Klang ihrer Stimme wurde ihm heiß und augenblicklich stiegen vor seinem inneren Auge Bilder auf, wie sie sich verführerisch auf einem Bett rekelte und ihn einladend ansah. Ok, jetzt war es offiziell, er war zu lange ohne Frau gewesen, wenn er so auf eine Stimme reagierte. Er würde also die nächsten Tage schauen müssen, ob er irgendwo einen One-Night-Stand fand, um sich etwas abzuregen. Vielleicht war er deshalb auch die letzten Wochen so unruhig. Wie lange war es jetzt her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war?
Über ein Jahr, stellte er nach kurzem Überlegen überrascht fest. Die letzte kurze Affäre hatte er gehabt, bevor seine Eltern gestorben waren. Danach hatte er einfach keine Zeit für Frauen gehabt. Den Nachlass zu regeln, die Beerdigung, dann das die Ranch weiterlief und die Leute ihren Job behalten konnten, hatte alles Zeit gekostet. Und gerade als er dachte, er bekomme wieder etwas Luft, fingen die Einsätze an, die ihn das ganze Jahr in Atem gehalten hatten.
Cole trank erneut einen Schluck, während der Kerl sich jetzt hinabbeugte und versuchte die Frau zu küssen.
Sein Blick flog zum Barbesitzer, doch der hielt sich am anderen Ende der Theke auf und bekam scheinbar nichts mit. Er überlegte gerade, ob er der Frau helfen sollte, als sie ihn direkt ansah und ihr Blick ihn irgendwo zwischen seinem Herz, Magen und seinem Schwanz traf.
Ohne lange zu überlegen, sprang er auf und eilte auf die Frau zu. Je näher er kam, desto heftiger klopfte sein Herz und als er nahe genug war, dass er ihre Augenfarbe sehen konnte, wurde sein Hals trocken und er holte leise zischend Luft. Grün. Sie waren grün. Himmel …
Er hatte mit braun gerechnet, vielleicht auch blau … aber niemals grün.
Grüne Katzenaugen, umrahmt von tiefschwarzen langen Wimpern blickten ihn mit einer Mischung aus Abweisung, Hilfe suchend und Neugier an und er musste kurz schlucken. Er hatte noch nie so schöne Augen gesehen. „Baby.“ Er warf den Männern einen warnenden Blick zu und trat näher an die Frau. „Wieso hast du nicht gesagt, dass du doch kommst?“ Er küsste sie kurz und eher flüchtig und hoffte das sie ihm nun gleich keine Ohrfeige verpasste. Gleichzeitig musste er sich zwingen, ihre vollen Lippen nur mit seinen kurz zu streifen und den Kuss nicht zu vertiefen. Seine Lippen kribbelten und er konnte sich so gerade eben davon abhalten, mit einem Finger darüber zu reiben, oder sie verwirrt anzusehen und damit den umstehenden Männern zeigen, dass das hier nur eine Show war.
Hope zuckte zusammen, als der Mann auf sie zukam und sie einfach küsste. Nicht nur dass sie beim klang seiner Stimme erschauerte, ihr wurde auch schlagartig mehr als heiß. Tief und dunkel mit einem niedlichen Südstaatenakzent jagte die Stimme ihr direkt in den Bauch hinein und sorgte dafür, dass ihr Herz anfing zu rasen. Sein Mund war fest und doch warm und weich und unbewusst atmete sie tief durch die Nase ein. Er roch verdammt aufregend. Sie konnte den Geruch nicht identifizieren, doch sie wollte mehr davon. Das war ein Geruch, nachdem sie augenblicklich süchtig wurde.
Jetzt nahm er einfach ihr Bierglas und ihren Arm und führte sie zu dem Tisch, an dem er zuvor gesessen hatten, während die Männer, die um sie herumgestanden hatten, sich maulend und frustriert schimpfend zurückzogen. „Danke. Aber ich hätte mich auch alleine wehren können.“
„Das hätten Sie bestimmt, aber es ist nicht nötig. Und eine Frau gegen fünf Männer ist etwas unfair, hm? Sie sollten ein paar Minuten hier sitzen bleiben, damit sie die Geschichte glauben und Sie in Ruhe lassen.“ Lächelnd drückte er sie auf einen Stuhl und stellte das Glas vor ihr ab, ehe er sich ihr gegenübersetzte. „Ich bin Cole.“
„Hope. Und ja, das wäre wohl sinnvoll.“
„Wirklich? Hope?“ Schmunzelnd sah er sie an und hingerissen betrachtete Hope das Grübchen, das in seiner Wange kurz zum Vorschein kam.
„Ja, wirklich und so ungewöhnlich ist der Name nun auch nicht.“
„Für mich schon. Sie sind die erste Frau, die ich mit diesem Namen kennenlerne.“
„Cole ist ja nun auch nicht gerade häufig.“
„Doch.“ Leise lachte er auf. „Ich kenne noch drei andere Männer, die so heißen.“ Er verschwieg, das einer davon sein Vater gewesen war. „Also Hope, was treibt eine junge hübsche Frau wie Sie nachts in eine Bar, hm?“
„Bierdurst.“ Grinsend hob sie ihr Glas Guinness an und trank einen Schluck, während sie ihn neugierig ansah. „Woher kommen Sie Cole? Sie haben einen Akzent. Südstaaten? Louisiana?“
„Nahe dran. Ich stamme aus Georgia.“ Er lächelte erneut, ehe er ebenfalls sein Glas hob und einen Schluck trank.
„Und was macht ein Mann aus Georgia nachts in einer Bar in New York?“
„Bier trinken.“ Er zwinkerte ihr zu und unwillkürlich musste Hope grinsen.
„Na dann. Auf zwei Fremde mit Bierdurst in New York.“ Prostend hob sie ihr Glas und schmunzelnd tat er es ihr nach. Dabei musste er sich zwingen, nicht die ganze Zeit fasziniert in ihre Augen zu sehen. Gleichzeitig fragte er sich, ob ihre Haare so weich waren, wie sie aussahen und unwillkürlich stellte er sich vor, wie ihre langen Locken über seine Brust glitten. Und diese Lippen. Voll und feucht glänzend. Er wollte sie unbedingt kosten und herausfinden, wie sie schmeckten. Sein Blick glitt etwas tiefer und über das Shirt, was sie trug. Es war etwas weiter und zeigte ihre Oberweite nur andeutungsweise. Trotzdem ahnte er, dass sich unter ihrem Shirt eine großzügige Oberweite befinden würde. Eine Oberweite, die mit ihren restlichen aufregenden Kurven zusammen ein so sinnliches Gesamtbild ergab, dass es ihm schier den Atem nahm.