Wach lag Cole im Bett und starrte an die Decke, während Hope eng an ihn gekuschelt neben ihm lag und schlief. Er selbst konnte gerade nicht schlafen, obwohl er müde war. In seinem Kopf kreisten die Gedanken und sorgten dafür, dass er nicht zur Ruhe kam.
Eine Woche kannte er nun Hope und war fast rund um die Uhr mit ihr zusammen gewesen. Theoretisch sollte er so langsam nun genug von ihr haben. So war es bis jetzt meistens bei ihm gewesen, wenn er eine Frau kennengelernt hatte. Er fand sie interessant, verbrachte Zeit mit ihr, sofern es ihm möglich war und nach einiger Zeit fing sie an ihn zu langweilen und wurde uninteressant.
Doch bei Hope war das nicht der Fall und das hatte in den letzten zwei Tagen dafür gesorgt, dass er sie immer wieder, wenn sie es nicht mitbekam, verstohlen beobachtete und auf dieses Gefühl der Langeweile wartete. Doch es stellte sich nicht ein. Eher im Gegenteil. Wenn er nur daran dachte, sie irgendwann nicht mehr in seiner Nähe zu haben, zog sich sein Magen zusammen.
Er war ein Soldat und ein verdammt guter. Er war normalerweise logisch, rational und beherrscht. Doch Hope unterlief alle seine Mauern, sorgte dafür dass er sich lebendig wie noch nie in seinem Leben fühlte und er völlig unlogische Sachen tat.
Eine fremde Frau … auch wenn er sie interessant fand … bitten zu ihm zu ziehen? Auch wenn es ein Hotelzimmer war? – Undenkbar
Seine ganze Energie darauf zu lenken, dass für sie alles perfekt war und sie glücklich? – Auch unwahrscheinlich
Nicht, dass er sonst ein Egoist war, was seine Frauenbekanntschaften betraf. Doch so hatte er sich noch nie benommen. Er sorgte zwar immer dafür, dass beide auf ihre Kosten kamen, aber so wie bei Hope? – Nein
Einer Frau ein Weihnachtsgeschenk kaufen? – Vielleicht. Aber mit Sicherheit kein Schmuckstück wie für Hope.
Schmuck war etwas, was man seiner Frau kaufte, aber bestimmt keiner Bettgefährtin oder zeitweiligen Freundin. Und doch hatte er genau das getan und das war der zweite, oder dritte Grund, wieso er wach lag und grübelte.
Und dann war da dieser Moment gewesen, als er bei Tiffanys das Armband gekauft hatte, war er wie magisch angezogen bei den Ringen stehengeblieben und er hatte sich gefragt, ob Hope sich in Georgia wohlfühlen könnte.
Innerlich seufzend schüttelte er leicht den Kopf. Er wusste nicht, wieso ihm dieser Gedanke durch den Kopf geschossen war. Doch er hatte sich dort festgesetzt.
Und jetzt war ihm auch klar, wieso.
Er hatte sich Hals über Kopf in Hope verliebt. Vielleicht sogar schon in der Bar am ersten Abend, ohne dass es ihm bewusst gewesen war. Deshalb stellte sich die Langeweile nicht ein. Deshalb bekam er einfach nicht genug von ihr. Deshalb verursachte das Gefühl sie vielleicht zu verlieren diese Übelkeit in ihm.
Er wusste nicht, wie es dazu gekommen war, dass sich seine Gefühle für Hope so stark entwickelt hatten. Vielleicht war es die Art, wie sie ihn ansah, als ob sie in seine Seele blicken konnte und alle seine Ängste und Unsicherheiten verstand. Vielleicht war es auch die Wärme, die sie ausstrahlte, oder ihr Lachen, das ihn wie ein warmer Sommerregen umhüllte.
In den letzten Tagen hatte er immer wieder darüber nachgedacht, wie es wäre, sie zu bitten, bei ihm zu bleiben. Nicht nur für ein paar Tage oder Wochen, sondern für immer. Der Gedanke war beängstigend und berauschend zugleich. Das war nicht er. Das war nicht der Soldat, der sich hinter Mauern aus Disziplin und Strenge verbarg. Und doch war es genau das, was er wollte.
Er konnte seine Gefühle für sie nicht länger verleugnen. Die Zeit mit ihr hatte ihm gezeigt, dass es mehr im Leben gab als nur Pflicht und Ehre. Er hatte das Gefühl, endlich einen Teil von sich gefunden zu haben, von dem er nicht einmal wusste, dass er gefehlt hatte.
Tief in seinem Inneren wusste er, dass er etwas unternehmen musste. Wenn er Hope nicht verlieren wollte, musste er ihr seine Gefühle gestehen. Doch was, wenn sie nicht dasselbe für ihn empfand? Was, wenn sie ihn nur als eine vorübergehende Affäre ansah, eine flüchtige Romanze? Der Gedanke an eine mögliche Zurückweisung war schmerzlich, doch er wusste auch, dass er es riskieren musste.
Er atmete tief durch und fasste einen Entschluss. Er würde Hope heute Abend alles sagen, egal was passieren würde. Mit diesem Gedanken im Kopf fühlte er sich plötzlich leichter, als ob eine Last von seinen Schultern genommen worden wäre. Er wusste, dass dies der richtige Weg war, unabhängig vom Ausgang.
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, zog er sie enger an sich und legte einen Arm um sie, bevor er sich entspannte und langsam einschlief.
*
Ein leises Summen weckte ihn einige Stunden später und irritiert runzelte er im Halbschlaf die Stirn, bevor er realisierte, dass es sein Handy war, das im Salon auf dem Tisch lag.
Wer zum Teufel rief ihn in aller Herrgotts frühe an? Seine Kameraden waren entweder im Einsatz oder im Urlaub und die, die auf dem Stützpunkt waren, würden bestimmt nicht so früh anrufen und ansonsten gab es niemanden der ihn anrufen würde.
Sein Vorarbeiter auf der Ranch oder sein Anwalt vielleicht noch, aber auch nur bei einem Notfall. Ansonsten gab es wirklich niemanden. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr war er in der Army. Seine Freunde waren gleichzeitig seine Kameraden. Familie hatte er keine mehr.
Und niemand würde ihn so früh in seinem Urlaub anrufen, es sei denn…
Vorsichtig löste er sich von Hope, die leise protestierte, aber dann weiterschlief während er aufstand.
Nackt wie er war, ging er durch das Schlafzimmer ins Wohnzimmer und griff nach seinem Telefon. „Reynolds.“
„Captain Reynolds…“
Die Stimme seines Vorgesetzten sorgte dafür, dass er sich plötzlich kerzengerade aufrichtete und Haltung annahm, während er sich gleichzeitig seiner Nacktheit überdeutlich bewusstwurde.
Gott…
Während er sich wie gehetzt umsah, um sich irgendwie zu bedecken und nicht einmal daran dachte, seinen Vorgesetzten zu grüßen, sprach dieser schon weiter.
„Captain. Ich weiß, dass Sie im Urlaub sind. Wo befinden Sie sich gerade? Auf der Ranch Ihrer Eltern in Georgia?“
„Nein Sir. In New York.” Automatisch gab er eine Antwort, während sich seine Nackenhärchen sträubten. Die Art wie sein Vorgesetzter das Wort Captain betonte, erinnerte ihn wieder einmal daran, dass er die Militärakademie nie besucht hatte und theoretisch ein Aufstieg bis zu einem Captain nahezu unmöglich war. Das blieb allein der Offizierslaufbahn vorbehalten. Doch er hatte sich in unzähligen Einsätzen bewiesen und war aufgestiegen. Zu seiner eigenen Überraschung.
„Ihr Urlaub ist bis auf weiteres gestrichen. Wir benötigen Sie für einen Einsatz. Ich werde am Flughafen ein Ticket hinterlegen und erwarte Sie spätestens am Nachmittag auf dem Stützpunkt.“
„Sir…“ Er kam nicht dazu weiterzusprechen, denn sein Gegenüber unterbrach ihn sofort.
„Sie können Ihren Urlaub danach fortsetzen und die Zeit wird Ihnen natürlich gutgeschrieben.“
„Sir…“
„Haben Sie damit ein Problem, Soldat?“
„Natürlich nicht Sir,“ Cole versteifte sich, als er den Tonfall seines Vorgesetzten hörte. „Gibt es keinen anderen? Ich kann hier gerade nicht weg und…“ …ich will hier gerade nicht weg. Verdammt. Sein Blick wanderte unwillkürlich durch die Schlafzimmertür zu Hope, die sich gerade aufsetzte und die Haare aus dem Gesicht strich. Gott, sie sah so verdammt sexy aus, dass er spüren konnte, wie allein bei ihrem Anblick sein Körper reagierte und tief holte er Luft und drehte sich um. Mit seinem Vorgesetzten zu sprechen und dabei eine Erektion zu haben, weil er eine Frau anschaute, war nicht gerade gut für seine Stimme. Er wollte bestimmt nicht, dass sein Vorgesetzter…
„Sie können nicht weg?“ Die Stimme seines Vorgesetzten wurde minimal schärfer. „Sie sind Soldat, Reynolds. In erster Linie sind Sie dem Dienst für Ihr Vaterland verpflichtet. Sie sind ausdrücklich angefordert worden. Gibt es also ein Problem, Captain?“
„Nein Sir.“ Cole straffte sich und schloss kurz die Augen, um sich unter Kontrolle zu bekommen. Da war er wieder gewesen, dieser seltsame Tonfall, wenn Mikals ihn mit Captain ansprach. Normalerweise kam er gut mit seinem Vorgesetzten aus. Doch er wusste, dass es einige im Stützpunkt gab, egal ob einfacher Soldat oder Offizier, die es missbilligten, dass jemand wie er den Rang eines Captains hatte. Er wusste, dass Mikals damals seine Beförderung befürwortet hatte, trotzdem bekam er plötzlich einen schalen Geschmack im Mund.
„Gut. Weitere Informationen gibt es dann wenn Sie hier sind.“
Ohne ein weiteres Wort legte sein Gegenüber auf und langsam legte Cole sein Handy zurück auf den Tisch, während sich plötzlich von hinten zwei Arme um ihn schlangen und Hope ihn auf das Schulterblatt küsste. „Probleme?“
„Ja.“ Langsam drehte er sich in ihren Armen um und sah auf sie hinunter. „Ich muss weg. Mein Urlaub wurde gerade gestrichen.“
„Oh.“
Er spürte, wie sie sich unmerklich versteifte und legte die Arme um sie, um sie enger an sich zu ziehen. „Es tut mir leid. Aber ich bin Soldat. Und wenn ich gebraucht werde…“ Er brach ab und suchte nach Worten, um ihr irgendwie zu sagen, dass er eigentlich nicht gehen wollte. Und das irritierte ihn. Bis jetzt war die Army immer das Wichtigste in seinem Leben gewesen. Doch seit er Hope kannte, hatte sich etwas in ihm gerührt, dass er nicht kannte.
„Wann musst du denn gehen?“ Hope vermied es, ihn anzusehen, damit er nicht merkte, wie sehr seine Worte sie trafen. Er hatte seinen Beruf nicht verheimlicht, aber er hatte auch gesagt, dass er drei Monate Urlaub hatte. Sie hatte gehofft…
„Sofort.“ Seine leise Stimme unterbrach ihre Gedanken und unwillkürlich zuckte sie zusammen. Unbewusst wollte sie einen Schritt zurückmachen, doch sofort schlossen sich seine Arme enger um sie. „Ich will nicht gehen, Baby. Aber ich muss. Das musst du mir glauben, okay?“ Sachte legte er einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht etwas an, während sein Blick über ihr Gesicht wanderte.
„Ja.“ Ihre Tränen unterdrückend schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. „Wie wäre es, wenn du duschen gehst und ich bestelle ein Frühstück? Oder hast du dafür keine Zeit mehr?“
„Nichts könnte mich daran hindern, mit dir zu frühstücken.“ Erneut glitt sein Blick über ihr Gesicht, bevor er sich etwas bückte und seine Lippen sanft auf ihre drückte. Gerade als sich ihre öffneten, zog er sich zurück und strich sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ich gehe duschen.“
„Ich bestelle das Frühstück.“ Hope drehte sich um und ging zu dem Telefon, das auf dem Sideboard stand und zwang sich, sich nicht umzudrehen. Doch sie bildete sich ein, seinen Blick auf ihren Rücken zu spüren. Genauso wie der Moment, als er sich scheinbar umdrehte und ins Schlafzimmer zurückging und von dort ins Bad. Jetzt erst atmete sie tief ein und biss sich dann fest auf die Zunge. Weinen konnte sie später, wenn er weg war. Die kurze Affäre war vorbei. Sie hatte doch gewusst, dass sie ein Ende finden würde. Wie war sie nur so dumm gewesen, ihr Herz zu verlieren? Oder zu denken, dass er sich ebenfalls in sie verlieben könnte? Dass da mehr war als Anziehung und Sex.
*
„Ich muss los.“ Widerstrebend stand Cole von dem Hocker an der kleinen Theke auf, an der sie gerade gefrühstückt hatten. Er war duschen gewesen, hatte sich rasiert, seine Tasche gepackt und dann mit Hoe gefrühstückt. Doch die ganze Zeit war die Stimmung bedrückt gewesen, egal wie sehr sich beide bemüht hatten, sie aufzulockern.
„Ich weiß.“ Hope biss sich kurz auf die Lippen, um nicht in Tränen auszubrechen, während sie das Gesicht kurz senkte und dann ebenfalls aufstand. „Ich werde das hier noch wegpacken, dann meine Sachen packen und auschecken.“
„Nein.“ Mit zwei Schritten war Cole bei ihr und hob ihr Gesicht an. „Bleib hier. Bitte. Sobald ich genau Bescheid weiß, was los ist, rufe ich dich an. Vielleicht bin ich ja in zwei oder drei Tagen zurück.“ Er sah ihr fest in die Augen, die kurz aufgeleuchtet hatten. „Ich will zurückkommen, Hope. Ich möchte mehr Zeit mit dir. Es gibt so viel, was ich dir sagen wollte und wozu jetzt die Zeit fehlt.“ Er strich ihr sanft mit dem Daumen über die Unterlippe, ehe er sie küsste. „Versprich mir, dass du hierbleibst. Bitte.“
„Okay.“ Leise gab sie eine Antwort und sah kurz das Aufblitzen in seinen Augen. „Versprochen.“
„Ich rufe dich an, sobald ich mehr weiß.“ Seufzend küsste er sie erneut und ließ sie dann los, um seine Lederjacke anzuziehen und seine Tasche aufzuheben.
Langsam ging er zur Tür, wollte nicht zurücksehen, weil er wusste, dass es ihm dann noch schwerer fallen würde zu gehen. Doch dann sah er doch, bereits die Hand am Türgriff, über seine Schulter auf Hope. Verloren stand sie halb hinter der Theke und hatte die Arme um sich geschlungen, so als wollte sie sich wärmen, während ihr Gesicht kurz unendlich traurig aussah. Zumindest bis sie bemerkte, dass er sie ansah. Da erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht, so als wollte sie nicht, dass er merkte, wie unglücklich sie war.
Leise fluchend ließ er die Tasche fallen und ging zurück zu ihr. „Ich rufe an und ich komme wieder, Hope.“ Eng presste er sie an sich, bevor er sie fast schon verzweifelt küsste.
Schweratmend hob er den Kopf und sah sie fest an. „Das ist kein leeres Versprechen, Baby.“ Er zögerte kurz und konnte dann nicht verhindern, dass seine Stimme kurz schwankte, als er weitersprach. „Ich liebe dich, Hope Harper und ich komme zurück zu dir.“
Hope sah ihn fassungslos an, während sich in ihr ein warmes Gefühl ausbreitete. Er liebte sie? Himmel. Er liebte sie! „Cole, ich…“ „Nicht.“ Cole unterbrach sie und legte ihr einen Finger sanft auf die Lippen. „Sag jetzt einfach nichts, okay? Ich weiß, wir kennen uns erst eine Woche und es ist viel zu früh. Viel zu schnell. Aber…“ Er zuckte hilflos mit den Schultern. „Es ist so. Was immer du sagen willst. Selbst wenn du nicht dasselbe fühlst … lass uns reden, wenn ich zurück bin. Bitte.“ Beschwörend sah er sie an, ehe er langsam seinen Finger von ihren Lippen nahm.
„Cole ich…“ „Nein.“ Blitzschnell verschloss er ihr die Lippen mit seinem Mund. Er wollte jetzt nicht hören, dass sie nicht dasselbe fühlte. Verdammt. Vielleicht hätte er nichts sagen sollen. Langsam ließ er sie los und drehte sich um, als ihre Worte dafür sorgten, das er erstarrte und sich wieder zu ihr drehte.
„Verdammt Cole. Ich liebe dich auch.“
„Was?“ Heiser stieß er das Wort ungläubig hervor, während er sie fassungslos ansah.
„Ich weiß, dass es viel zu schnell ist. Aber wie du sagtest. Es ist so…“
„Oh Himmel Baby.“ Cole zog sie abermals in seine Arme und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Ich will nicht gehen. Nicht jetzt. Nicht so. Wir müssen reden, aber…“ „Wir können reden, wenn du wieder da bist.“ Strahlend sah sie zu ihm hoch und strich ihm mit einem Finger über seine Lippen. „Ich weiß, dass du gehen musst und ich würde dich am liebsten festhalten. Aber…“ Sie schüttelte leicht mit dem Kopf. „Geh’ Cole. Ehe ich heulen muss.“
„Ich liebe dich. Ich rufe dich an, sobald ich weiß was los ist. Okay?“
„Ich liebe dich auch und okay.“ Schniefend drückte sie ihn sanft von sich weg. „Geh besser.“
„Hope, ich…“ Hilflos sah er sie an und wie sie mit den Tränen kämpfte.
„Bitte.“ Erneut schniefte sie undamenhaft und wischte sich dann über die Augen. „Ich komm klar und warte auf deinen Anruf. Geh’ und dreh dich nicht um, sonst heule ich wirklich los.“
„Okay.“ Cole straffte sich und ging wieder zur Tür. Langsam nahm er seine Tasche erneut hoch und zwang sich, sich nicht umzudrehen, während er das Hotelzimmer verließ.