Eigentlich wollte ich als nächstes Teil 2 über die Auswirkungen einer Fahrplanänderung schreiben, aber die Realität hat heute zugeschlagen. Und das musste ich sofort aufschreiben.
START:
Reisebeginn:
Tag: 10.07.18
Tatort: Bahnhof R
Ziel: Bahnhof B
Geplante Abfahrt: 15:45 Uhr, geplante Ankunft 16:20 Uhr
Grund: Termin Krankengymnastik 17:40 Uhr (Fahrzeit vom Bahnhof ca. 15 Minuten), daher genug Luft
Soweit die Theorie.
In der Praxis sah das heute so aus:
Schön brav war ich heute pünktlich am Bahnhof. Kaum angekommen, war schon eine ganz stattliche Anzahl von Leuten am Warten. Dann hat wahrscheinlich ein Zug Verspätung, dachte ich mir noch ahnungslos. Ein wenig viel los, aber kann ja sein. Recht schnell hörte ich, dass der Zug um 14:45 Uhr ausgefallen sei. 15:05 Uhr auch?
Deshalb, die wollen alle mit dem 15:45 Uhr- Zug, da der 15:05 Zug nicht überall hält (IRE Sprinter).
Dann schaue ich auf die Anzeigetafel:
15:45 Uhr, 5 Minuten Verspätung. Grund: Baum im Gleis
Dabei würde ich mir ja jetzt nichts denken, 5 Minuten ist ja schon fast Standard, aber so langsam dämmert es mir, dass hier ein größeres Problem vorliegt. Baum im Gleis, das klingt nicht gut, und schon gar nicht nach 5 Minuten.
Ich komme mit einer Frau, die ebenfalls in der Menge steht, ins Gespräch:
Sie selbst saß nämlich im Zug um 14:45 Uhr. Plötzlich habe es einen lauten Knall und ein Rumpeln gegeben. Nach wenigen Metern sei der Zug zum Halten gekommen.
Logisch, dass etwas passiert war.
Es hat sich dann herausgestellt, dass ein dickerer Ast auf dem Gleis lag und den Zug beim Darüberfahren wohl beschädigt hat. Bzw. der Zug saß fest. Geschickt auf der Weiche. Zumindest hat es so den Anschein.
Die DB hatte die Fahrgäste im Pannenzug darauf hingewiesen, dass es verboten ist, den Zug zu verlassen, da man sich bereits außerhalb des Bahnhofes befinde – sie würde keine Verantwortung übernehmen, sofern jemand aus dem Zug aussteigen wollte.
Besagte Frau ist ausgestiegen und die wenige Meter zurück zum Bahnhof gelaufen. Sie warte lieber am Bahnhof als im Zug, da sie sich dort so eingesperrt fühlte. Es wäre allerdings etwas abenteuerlich durch Gestrüpp gewesen, und am Ende noch eine kleine Kletterpartie.
Da vorne, das wäre der Zug.
Bisher hatte ich den Zug noch gar nicht bemerkt. Ja, da steht ein „roter“ Zug der DB, und einige Menschen in Warnwesten stehen da auch rum.
Details kann ich nicht erkennen, dazu sind sie zu weit weg. Angeblich sei die Polizei auch da.
Während wir rätseln, ob und was diese Leute da tun, schaut sich die besagte Dame ihre Bahn- App an. Wir stellen fest, dass der Zug der privaten XY- Bahn, die die gleichen Gleise nutzt, laut App den Bahnhof R verlassen hat und unterwegs ist.
Ich wäre jetzt auch gerne in diesem Geisterzug. Dann wäre ich wenigstens rechtzeitig am Ziel.
Dies stellen wir dann später übrigens noch weiter fest. Obwohl die Information aufgeführt wird, dass der Bahnhof gesperrt ist, werden die XY- Züge die ganze Zeit als pünktlich und unterwegs angezeigt.
Wir rätseln auch, warum man jetzt die Züge nicht am Gleis vorbei leiten kann. Von der anderen Richtung ist doch auch eine Weiche, da müsste das doch irgendwie gehen. Und wir sind noch nicht elektrifiziert, also stehen die Gleise doch auch nicht unter Strom, oder?
Interessant auch, dass es laut Bahn ein „Baum im Gleis“ ist. Naja, Ast im Gleis klingt ja auch ziemlich blöd. Vielleicht auch fast peinlich oder lächerlich. Aber ein ganzer Baum in einem Gleis, das klingt doch gleich viel dramatischer und rechtfertigt natürlich auch eher das Chaos.
Mittlerweile ist es kurz vor 16:00 Uhr und ich rufe bei der Krankengymnastik an. Ich habe zwar noch eine Stunde Zeit, aber lieber man vorwarnen. Ich soll nochmal anrufen, wenn ich mehr weiß. Wenn ich etwas später komme, sei das auch nicht so schlimm.
Irgendwie habe ich da keine so gute Ahnung.
Die Anzeige hat sich auf 30 Minuten Verspätung hochgeschaukelt und wir fangen an zu lästern. Wir fahren gleich los, es ist 16:10 Uhr
16:15 Uhr – müssten wir jetzt nicht fahren?
Irgendwie scheint der Anzeigetafel unser Geläster nicht zu gefallen, denn schließlich erlöscht die „Information zu…“ und es wird nur noch die Uhrzeit angezeigt. Naja, so kann man es auch machen.
Es wird jetzt nur noch der IC auf dem Gegengleis mit einer Verspätung angezeigt.
Der Bahnhof ist komplett gesperrt. In beiden Richtungen. Schön, wenn man mal eine Information erhalten würde. Wie lange, ob es einen Schienenersatzverkehr gibt, oder sonst einfach eine Nachricht. Aber man kennt es ja. Deutsche Bahn und Fahrgastinformation.
So spielt man mit seinem Handy rum und wechselt ein paar Worte mit den Mitleidenden. Eine Frau hat zwei kleine Kinder dabei, die immer wieder weinen. Sie tut mir leid.
So gegen 16:20 kommt dann auf einmal Leben in die Bude bzw. am Bahnsteig. Ein Mann kommt vom Unfallszug zu uns herübergelaufen. Er trägt eine gelbe Warnweste mit mit „Polizei“ und scheucht die Leute recht ruppig vom Rand weg. So könne der Zug nicht einfahren, und es sie im Übrigen verboten, links neben dem Strich zu stehen.
Aha. Stimmt, es kommen ja auch gerade so viele Züge.
Nach etwa zehn Minuten kommt der Zug dann hereingefahren. Im Schneckentempo, bzw. Schritttempo. Absolut gefährlich, so schnell, wie er ist. Und bleibt stehen. Die verbliebenen Fahrgäste in diesem Zug steigen aus und gesellen sich zu uns. Gruppenkuscheln ist angesagt.
Der Zug bleibt jetzt erst mal weiterhin stehen. Die Schaffnerin – ich kenne sie vom Sehen, sie hat ebenfalls eine Warnweste an – informiert die wartende Menschenansammlung. Sie wandert sogar innerhalb vom Zug und informiert einmal vorne, dann hinten. Wir wundern uns, warum nicht einfach eine Durchsage kommt. Aber vielleicht wäre das auch peinlich, denn die Aussage von ihr ist, dass dieser Zug nicht mehr fahren wird und sie auch nicht mehr weiß.
Naja, war ja ein Versuch. Und den guten Willen sollte man honorieren.
Aber wenn der Zug jetzt nicht mehr vorne im Weg steht, dann ist doch die Weiche frei und der Zugverkehr muss nur auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Hoffnung keimt in mir auf.
Vielleicht klappt es ja doch noch.
Ein weiterer Mann nähert sich und meinte, es gehe jetzt nicht mehr lange, aber sie müssten sicherheitshalber noch 3 Bäume fällen. Die Feuerwehr sei schon dabei.
Ich schaue lieber nicht nach. Der auf unserem Gleis stehende Zug verdeckt ja eh einiges. Und es hilft ja auch nichts.
Mein Termin, das wird spannend.
Die automatische Anzeige 16:45 - 5 min Verspätung kommt die Ansage der Automatenstimme. Und verursacht allgemeines Gelächter.
Ich komme mir mittlerweile vor wie im Film oder ist hier irgendwo eine versteckte Kamera?
Etwa gleichzeitig kommt über Lautsprecher die Ansage, dass der Bahnbetrieb in Kürze wieder aufgenommen werde. Allgemeines Jubeln und vereinzelt Klatschen der Wartenden.
Ich sage derweil mein Termin für die Krankengymnastik endgültig ab.
Es füllt sich ja weiter, da die Leute für den 17:05 Zug auch so langsam am Bahnhof eintreffen (der auch erst mal mit 5 Minuten Verspätung angezeigt wird).
„In Kürze“ ist dann etwa 45 Minuten später.
Als erstes kommt ein Zug – EIN ZUG KOMMT- der IC nach Innsbruck. Anzeige: „… heute leider 120 Minuten später. Grund ist Behinderung beim Ein- Und Aussteigen“. Kein Scherz.
Blöd aber auch, dass da Menschen mitfahren, oder? Wenn die zu einer Verspätung von 2 Stunden führen.
Der Schaffner springt aus dem Zug und drängt die Leute zur Eile. Richtig unfreundlich und laut ist es.
Wir schütteln nur den Kopf. Gibt es hier jemanden, der nach 120 Minuten noch eine Chance auf seinen Anschlusszug hat? Weshalb die Leute, die schon 2 Stunden warten, jetzt auch noch herumscheuchen? Kommt es jetzt auf 5 weitere Minuten noch an?
So langsam kommt der Zugverkehr wieder ins Rollen, und gegen 17:40 verlasse ich dann den Bahnhof. Natürlich mit Gleiswechsel, da der defekte Zug das eigentliche Gleis noch blockiert.
Erst nachdem ich mich mit den anderen wie die Ölsardinen in einen der Waggons gequetscht habe, verlässt auch der defekte Zug langsam das Gleis.
Habe ich erwähnt, dass die Ansage „Zug fährt heute von Gleis 1“ fast nicht zu verstehen war und auch nicht angezeigt wurde?
ZIEL:
Reiseankunft:
Tag: 10.07.18
Zielbahnhof B erreicht
Uhrzeit: 18:05 Uhr
Ergebnis:
Zug 14:45 ausgefallen
Zug 15:05 ausgefallen
Zug 15:45 ausgefallen
Zug 16:45 Verspätung 50 min (Grund Behinderung beim Ein- und Aussteigen)
Zug 17:05 Verspätung 25 min (Grund Behinderung beim Ein- und Aussteigen)
P.S.
Das ist heute wirklich so passiert, und ich habe es so aufgeschrieben, wie ich es im Gedächtnis hatte. Die Zeitangaben können ggf. leicht von der Wirklichkeit abweichen, aber ich war tatsächlich dann erst um 18:05 Uhr am Zielbahnhof.