Serfem schien nicht er selbst. Veyed schaffte es bisweilen nicht, diesen Mann so einfach zu entwaffnen wie am heutigen Tag.
Schweiß rann dem jungen Burschen der muskulösen Brust herab und seine Schultern bebten vor Anstrengung. Er trainierte gern mit dem Thulenen, da dieser nicht davor scheute, ihm auch die anrüchigen Seiten ihres Handwerks beizubringen.
Ein gutes Schwert im Duell zu führen ist gleichzusetzen mit dem verführerischen Tanz einer schönen Frau - scharf und zwieschneidig. Lerne mit beiden umzugehen, so wirst Du den harten Kampf des Alltags zu überleben wissen.
Doch an jenem Tag wusste es der Blaubluter dem Anschein nach selbst nicht.
Veyed wischte sich mit der linken Hand über die Brust und verschmierte den Schweiß der Anstrengung wie der Hitze des Tages mit dem Staub, den er kürzlich hielt.
»Man Serfem, was ist los mir dir?«
Angesprochener sah auf, drehte seine Klinge spielerisch in der Hand und stieß diese in eine bereitgehaltene Scheide. »Ich bin aufgewühlt, nichts weiter.«
Veyed griff nach einem öligen Lappen und wischte der Schneide seines Schwertes entlang, bevor er diese wie vorgemacht in eine ebenso parat gehaltene Hülse schob. »Aufgewühlt? Serfem, seid dem du endlich mal normal redest, glaube ich, nur noch halb so viel zu verstehen. Was meinst du, was ist los?«
Ein Lächeln stahl sich auf die Züge des sonst ernst dreinschauenden Mannes. »Ja, nichts.« Seine Brauen hoben sich amüsiert. »Ich bin aufgewühlt oder aufgeregt. Liraki wird endlich mit ihrer Tochter hier herkommen.«
»Liraki? Wer zum Kuckuck ist denn das nun wieder? Etwa ...«
Sein Trainingspartner lachte schallend auf, wobei der kräftige junge Mann verwundert die Stirn krauszog. Er hatte seinen gegenüber bisweilen nie lachen gehört. So zumindest nie ehrlich und vor allem nicht herzhaft. Seine Belustigung klang nicht aufgesetzt.
»Nein.« Er schüttelte abwehrend den Kopf. »Sie ist meine Base. Die Tochter meines Vaters Schwester.«
Veyed stutzte und schülpte die Lippen. »Ah. Mhm. Die Tochter deiner ...«
»Die Tochter meines Vaters Schwester.«
»Ja genau. Sag ich ja.« Er drehte sich herum und griff zu seinem Schwert. Seine Augen rollten blasiert und sein rechter Nasenflügel zuckte. Seine Lippen formten unverständliche Worte.
Sechs gleichartig gekleidete Gestalten verbargen sie sich in den Schatten und Sträuchern des ›flüsternden Waldes‹. Der grenzbezeichnende Bach führte nur knöcheltiefes Wasser, würde jedoch zur Jahreswende, wenn die Schmelze begann, gefährlich zu durchschreiten sein.
Nur wenige Schritte abseits hielten sie ihre Pferde gebunden, bewacht von einem der ihren.
Kayden empfand die Idee einheitliche Kleidung zu tragen als gebührlich und bezeichnend. Soldaten verschiedenster Heere, sogar Wachen und Wächter trugen gleichartige Uniformen, wenn auch mit unterschiedlichen Wappen. Man fühle sich unter seinesgleichen gleichwertig und solle seine Zugehörigkeit zeigen. Die Schattenjäger waren keine dahergelaufenen Kopfjäger, Barbaren oder marodierende Banden.
Aus einer anfänglich kindlichen Idee erwuchs rasch Akzeptanz und Wohlwollen. Findige, wie geschickte Hände entwarfen in mühevoller Kleinstarbeit eine leicht und bequem zu tragende lederne Uniform. Jener zählten unzählige metallene Plättchen; nicht aufgenäht, sondern aufwendig eingearbeitet.
Die Schattenjäger bewegten sich in ihren geschmeidigem Rüstzeugs behänden und leichtfüßig, so als kleideten sie sich in leichtfertigem Leinenzeug. Als Überwurf trugen sie einen festgewebten Umhang in braungrün gehaltenen Farbtönen mit Kapuze, der ihnen bei Erfordernissen bis tief über die Nase reichte. Sie wussten, es waren zumeist die Augen, die einen vorzeitig verrieten. Nach Bedarf dienten diese ihnen zugleich als Windschutz und Decke, allenthalben jedoch, ihre an den Hüften getragenen Waffen zu verbergen.
Niemand konnte mit Gewissheit benennen, woher und von wem sie ihre Bedarfsgüter bezogen, gemeinhin irgendjemand sie schlussendlich mit solchen versorgen musste. Sie trugen zwei einseitig geschliffene Scimitar, das eine jedoch kürzer als das Zweite und jene die es gewohnt waren beidhändig ihre Klingen zu führen, wollte niemand seinen Gegner nennen. Kayden war fasziniert von der Art zu kämpfen und versuchte sich immer wieder unbeobachtet in derlei Technik. Seine Gefährten behaupteten wiederkehrend, ein vorbildlicher Schattenjäger zu sein und eines Tages zweifelsfrei einer der führenden Köpfe. Dennoch, er beherrschte weder den Umgang mit den beiden Wahlwaffen noch den des Reiterbogens.
»Kayden?«
Angesprochener sah auf und in seinen Augen stand deutlich geschrieben, mit welchen Gedanken er sich plagte.
»Junge, du bist noch nicht einmal im Mannesalter. Hör auf damit, dich stets uns ständig mit deinem Bruder zu vergleichen.«
»Er hat recht Kayden. Veyed war bereits als junger Bursche ungewöhnlich muskelbepackt und strotzte vor Kraft, wo du mit Geschick daherkamst.« Der Sprecher bestätigte jedwedes seiner Worte mit bedeutender Geste seiner rechten Hand. »Überlege, wie Alt du bist und mit wem du Dienst in diesem Wald tust.«
Rondal sah zu ihm hinüber und nickte. »Und ... du traust dich allein bis zur hiesigen Baumgrenze ...« Gewichtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »... und darüber hinaus.«
Kayden schien verblüfft, der Mund stand ihm offen und erntete verhaltenes Gelächter. »Ja meinst du, wir wissen nicht, wohin unsere eigenen Leute unterwegs sind? Niemand ist je allein, vergiss das niemals.«
»Woher ...«
»Vollkommen gleich. Du warst und wirst keinesfalls allein sein.«
Seine Stimme brach. Er fühlte sich ertappt, beobachtet und belogen. Seine Schulter wurde ihm gedrückt und ein warmer Hauch nährte sich seinem Ohr. »Gemeinsam stehen wir füreinander ein, auch wenn jemand der unseren auf Abwegen wandelt. Immer dann, wenn du für dich sein wolltest, haben wir dies respektiert und blieben auf Abstand. Niemand von uns trägt dir etwas nach, ein jeder hätte gehandelt, wie du es tatest.«
Kayden presste die Lippen aufeinander, nickte jedoch, als ihm die Worte gewahr wurden.
»Was tun wir hier Ron?«
»Wir werden jemanden begleiten, der längst erwartet wird.«