Die nächste Woche war für alle beteiligten ein Alptraum. Liam konnte fast nicht schlafen aus Angst das für seine Taten in der Schlangenfestung ein Vergeltungsschlag vor der Türe in Form von Zentauren stehen könnte. Vernon vegetierte mal schreiend und schimpfen, mal weinend und flehen, mal in einem eigenartigen Dämmerzustand, bei welchem sich Liam immer wieder davon überzeugte das er nicht gestorben war, vor sich hin und Liam tat sein möglichstes ihn gut zu versorgen. Das Einhorn patrouillierte durch den Wald um mögliche Soldaten oder Zentauren der Raafes zu erspähen bevor sie an die Türe klopften. Am achten Tag schien es Vernon besser zu gehen, er schien ruhig und ausgeglichen zu sein. Liam lies sich überreden ihn los zu binden und, natürlich unter Aufsicht, mit ihm runter an den Fluss, der Raafeschen Au, zu gehen.
Liam wartete geduldig bis Vernon ein ausgiebiges Bad genommen hatte, als er sich neben ihn ins Gras setzte betrachtete er seinen Oberkörper. Die Wunden waren erstaunlich schnell verheilt, man könnte meinen sie wären schon Monate alt. Vernon lächelte: "So klar war ich wohl schon Jahre nicht mehr!" Liam versuchte nicht weiter auf die Narben zu starren und lächelte zurück: "Keine Ursache!"
Vernon sprang auf und starrte Liam an als hätte er soeben einen Geist gesehen: "Ich kann es nicht fassen, hat etwa der ewig mürrische und zickige Prinz gerade tatsächlich gelächelt?" Liam verdrehte die Augen: "Man warum tut jeder so als würde ich wie ein grimmiger alter Mann durchs Leben gehen?" Vernon lachte: "Daran erinnerst du wirklich, an einen verbitterten Greis der alles schrecklich findet und sich nur über sein Leben beklagt!" Liam warf ihm sein Hemd ins Gesicht und zog eine Grimasse: "Hier zieh dir was an, Zeit wieder zurück zu gehen!"
Als sie die Hütte erreichten kündigte die Einhornstute an, dass Besuch in der Hütte auf Liam wartete. Vernon beschloss vorerst draußen zu bleiben und Liam betrat alleine die Hütte.
"Übernimm du das Reden, ich erledige den Rest!", sagte eine der beiden blauen Gestalten. Liam konnte es nicht fassen, er erkannte die beiden, er hatte als er in der Hütte angekommen war von ihnen geträumt. "Ihr seit Achana!", stellte er fest "und der Mann der die Hütte verlassen hat ist Kian, euer Gefährte! Ich habe von euch geträumt, ihr habt mich nach Kenses City ins Waisenhaus gebracht!" Achanas schuppige blaue Haut glänzte im Licht der Kerze die sie angezündet hatte. Ihr Haar war schneeweiß und er konnte die selbe kühle Präsenz wie in seinem Traum spüren. "Wir sind Nordgeister falls du dich das fragst Liam, wir haben deiner Mutter gedient. Lianas Wunsch war das alle Wesen in Amergyn gleich gestellt werden. Darum haben auch wir uns ihr angeschlossen. Aber nicht alle der Bewohner des Landes haben die Meinung der Königin geteilt. Viele Reinblüter wollten nicht auf ihre Privilegien verzichten und haben Liana verraten. Getötet von einer grauenhaften Armee die sie erschaffen haben. Darum mussten wir dich in Sicherheit bringen Liam. Du musst das Werk deiner Mutter beenden!"
Liam war verwirrt durch die Vielzahl an Informationen welche Achana ihm in ihren Worten mitgeteilt hatte. "Liam du musst mit uns kommen, wir bringen dich zu deinem Vater, König Alric!", Achana stand auf, in der Hoffnung er würde ihr sofort folgen. "Ich kann nicht, Vernon ist noch zu schwach er würde jetzt keine Reise überstehen!", Liam schaute auf den Boden. Gerne wäre er mit ihnen gegangen um seinen Vater kennen zu lernen, aber er konnte Vernon nicht hier zurück lassen, die beiden waren zu einer Art Team geworden, er brauchte ihn genau so wie umgekehrt. Achanas Blick war eiskalt geworden: "Vernon Raafe, der Bastard der Schlangenfürstin. Halb Reinblüter, halb Werwolf! Leichtsinniger Junge, eine Mischung aus diesen beiden Wesen birgt nichts menschliches in sich!" Liam verdrehte die Augen und spottete: "Aber du und dein Mann, ihr seid ja so menschlich!" Achana wirbelte wütend herum: "Wieso kannst du nicht einsehen das man sich nicht mit Geschöpfen deren Wesen man nicht versteht einlässt Liam? Außerdem ist es zu spät, Kian wird den Werwolf längst erledigt haben!" Geschockt registrierte Liam das der männliche Nordgeist schon vor einigen Minuten den Raum verlassen hatte, er sprintete zur Tür, Achana streckte die Hand aus, ein weißer Strahl schoss auf die Türe und vereiste sie. Liam riss an der Türe, konnte sie aber nicht öffnen. Wütend schlug er gegen das Holz, wieder und wieder. Seine Brust begann zu brennen, es zog sich fort bis über den Hals. Er wollte schreien, stattdessen klang es wie ein lautes Brüllen. Die Tür zersprang in kleine Scherben, die langsam herab regneten. Liam fuhr sich über seinen schmerzenden Hals: "Versuch nie wieder mich aufzuhalten, Achana!"
Achana starrte ihn fassungslos an, sie unternahm keinen weiteren Versuch mehr ihn zu stoppen. Liam trat aus der Tür, wie erwartet versuchte sich Vernon verbissen gegen die eisigen Angriffe von Kian zur wehr zu setzen. Er hob die Hand und konzentrierte sich auf den Sturm in seinem inneren. Dann senkte er seinen Arm, die Kämpfenden wurden von einer eisigen Windböe getrennt. Kian keuchte und warf ihm einen finsteren Blick zu: "Ihr könnt euch entscheiden Prinz Liam, entweder ihr kommt mit uns, den Nordgeistern die euch als Baby in Sicherheit brachten, und wir beseitigen diese Missbildung der Natur, oder ihr bleibt bei einem von Drogen aus einer anderen Welt abhängigen Halbwolf der Ziegen tötet und das Blut kleiner Kinder trinkt!" Liam starrte auf den Boden, er merkte wie der seltsame Sturm in ihm versiegte. Er musste nicht über die Frage nachdenken, seine Entscheidung war noch in der Hütte gefallen. "Es tut mir Leid Kian, ich kann nicht mit euch kommen! Ich bleibe hier bis Vernon wieder vollständig gesund ist!", erklärte er ruhig. Achana trat aus der Hütte und stellte missbilligend fest das Vernon noch lebte und Liam den Kampf wirklich unterbrochen hatte. "Versucht mich zu verstehen, ich bin nicht besonders gut in diesem neuen Welt Ding und dem Prinz sein. Ich bin nur noch am Leben weil Vernon mich gerettet hat, ich will nicht schon wieder alles aufgeben was mir gerade ans Herz gewachsen ist!", Liam merkte an den Blicken der Nordgeister das sie nicht bereit waren ihn nicht zu verstehen. Er fragte sich ob seine Mutter sich ähnlich gefühlt hatte beim Versuch alle Völker zu vereinen und gleich zu stellen.
"Wir werden deinem Vater mitteilen wie du dich hier verhalten hast!", sagte Achana kühl "enttäuschend nach all den Jahren kehrt Lianas Sohn nach Amergyn zurück und ähnelt ihr kein bisschen!" Kian erhob sich in die Lüfte: "Verflucht sei der Tag an dem wir dich gerettet haben falscher Prinz!" Die beiden Nordgeister schossen in die Luft und verschwanden.
"Passt lieber auf wenn ihr verdammten Eisdämonen verflucht!", brüllte Vernon ihnen nach. "Bleib ruhig!", meinte Liam "die sind wir los, ist dir etwas passiert?"
Vernon starrte ihn verblüfft an: "Nein, du hast ja in Lichtgeschwindigkeit meine Haustür in kleine Scherben verwandelt und diese Geister weg geschickt um, naja bei mir zu bleiben!" Liam fuhr sich über seinen Hals, er konnte weitere Linien fühlen, wie auf seiner Brust: "Was habe ich da am Hals?" Vernon kniff die Augen zusammen: "Sieht mir wie ein Halbmond aus!" Liam seufzte: "Bekomme ich jetzt jedes mal wenn diese komische Kraft in mir auftaucht eine neue Tätowierung?" Vernon lachte: "Nein, nur für besondere Taten, jeder hat ein Siegel, das Siegel der Familie aus der er stammt. Oder bei anderen Völkern des Klans, eine Rune des Dorfes oder so. In eurer Familie ist Yoricks Tiger das Siegel, umrandet von alten Runen und Schneesternen, wie auf deiner Brust. Du hast dein Siegel bekommen als du mich gerettet hast, weil du damit etwas selbstloses getan hast. Wofür der Halbmond ist kann ich dir nicht sagen!" Liam fuhr sich noch einmal über den Hals, er wusste wofür der Halbmond stand, instinktiv. Vernon war ein halber Werwolf, darum ein Halbmond. Er hatte seinen eigenen Vorteil, eine Reise mit den Nordgeistern zu seinem Vater König Alric, ausgeschlagen um den Halbwolf zu retten, mehr noch um weiter darauf zu achten das er gesund werden würde. Außerdem wollte er in dieser fremden Welt ohne Vernon nirgends hin, er brauchte zumindest diesen einen Freund. "Liam, darf ich dich etwas fragen?", Vernon war nun sichtlich nervös, Liam nickte und war gespannt ob ihm sein kurzer Moment der Erkenntnis aufgefallen war. "Sind wir... so etwas wie Freunde?", Vernon zog ein schiefes grinsen. Liam lachte: "Natürlich sind wir so etwas wie Freunde Vernon!"
Am selben Abend betrachtete Liam nachdenklich den Mond, Vollmond. Vernon war gerade dabei dem Einhorn etwas zu zu flüstern, es verschwand im Wald und war nach kurzer Zeit nicht mehr zu sehen. Liam betrachtete die Situation verwundert, Vernon wurde mit jeder Minute nervöser. Als er wieder in die Hütte kam fragte Liam: "Ist alles in Ordnung? Wohin rennt die gehörnte Labbertasche?" "Ich muss sie bei Vollmond weg schicken, sonst würde ihr vielleicht etwas passieren!", antwortete Vernon, seinen Blick starr auf den Mond gerichtet. Liam dachte an Kians Worte am Nachmittag, ein Halbwolf der Ziegen tötet und das Blut kleiner Kinder trinkt. Er verscheute den Gedanken daran das Vernon wirklich auf die Jagt nach kleinen Kindern gehen würde. "Wie meinst du das?", fragte er Vernon. "Ich bin ein Werwolf, man merkt es mir nicht jede Nacht an, aber bei Vollmond kann ich meine Instinkte nicht steuern, darum schicke ich sie jedes mal weg!" Liam riss die Augen auf, er hatte immer etwas leicht bedrohliches in Vernons Augen gesehen, aber den Gedanken an seine Gene hatte er bis jetzt getrost bei Seite geschoben. "Du wirst doch keine Menschen töten oder?", fragte er verunsichert. "Bitte Liam ich würde dir nie etwas tun, das musst du mir glauben! Vertrau mir, leg dich schlafen und denk nicht weiter darüber nach, dir wird kein Haar gekrümmt!" Liam nickte bedrückt, natürlich vertraute er Vernon, immerhin hatte er ihn gerettet nach seinem leichtfertigen Selbstmordversuch, ihn gesund gepflegt und wäre bei dem Versuch ihn mit einem Bild seiner Mutter aufzuheitern fast von seiner wahnsinnigen Schwester ermordet worden. Aber in den Filmen die Liam über Werwölfe gesehen hatte waren es Bestien die ihre eigene Oma ermorden würden weil jede menschliche Regung bei Vollmond verschwinden würde. "Hey Liam, schau nicht so besorgt!", Vernon unterbrach seine Gedanken "ich möchte nicht das du Angst vor mir hast!" Liam versuchte zu lächeln und winkte ab: "Keine Sorge Vernon, ich bin nur müde, war ein ereignisreicher Tag und immer wenn ich diese seltsame Tigerpower benutze werde ich danach um so müder!" Vernon lachte und ermahnte ihn sich endlich an die Sprachgepflogenheiten dieser Welt zu gewöhnen, immerhin habe er zwei Jahre gebraucht um in der Welt der Menschen alles zu verstehen. Liam fragte sich ob der diese Welt, Kenses City, jemals wieder sehen würde. Er wusste das eine Rückkehr nicht möglich war, aber vielleicht ein Besuch, eine Aussprache mit Robert. Der Gedanke an Robert gab ihm einen Stich ins Herz, der gute Rob hatte immer zu ihm gehalten, er war zu egoistisch gewesen um zu sehen das alleine sein bester Freund schon ein Grund zu leben gewesen wäre. Er würde diesen Fehler nicht erneut machen, Einsamkeit verschreibt man sich selbst, davon war er mittlerweile überzeugt. Aber Vernon war es wert einen Versuch für eine neue Freundschaft zu starten, auch wenn er immer ein ehemals Heroin spritzender Werwolf sein würde.
Liam stand auf und legte sich ins Bett: "So, ich wünsche dir eine angenehme Jagd oder wie auch immer man das bei Werwölfen nennt! Lass dich nicht von deiner Psychoschwester fangen die macht sonst einen Bettvorleger aus dir!"
Vernon lachte: "Feinfühlig und liebenswert wie immer mein Prinz, keine Sorge, euer Irrglaube das ein Werwolf sich in ein Tier verwandelt ist Blödsinn! Sorge dich nicht zu viel, erholsame Nacht!" Damit verließ er die Hütte und Liam versuchte zumindest einzuschlafen. Ob ihn die Tatsache das Vernon da draußen sonst was aufführte oder das fehlen einer Eingangstüre mehr störte konnte er nicht feststellen, er ärgerte sich über beides.