Erinnert ihr euch daran, dass ich mehr von meinen Reisen erzählen wollte? Da kommt mir das Schneegestöber gerade recht, denn wenn ich hier so überlege, wo ich zum letzten Mal ein Schneegestöber erlebt habe, dann bringt mich das zu meinen Sommerferien auf der Südhalbkugel. Vielleicht sollte ich kurz noch erwähnen, dass das alles gewollt ist. Der Sommer hier in Europa ist mir viel zu warm, also da halte ich es auf Island aus oder auch im Norden Norwegens, alles andere wird schnell zu heiß. Wobei mir die Hitze prinzipiell nicht so viel ausmacht, was nervt ist dieses ständige Hantieren und Glitschen mit Sonnencreme Lichtschutzfaktor 50.
Na, jedenfalls waren Xanadian und meine Wenigkeit mit einem viel zu schrottigen und untermotorisierten Toyota- Wohnmobil in Neuseeland unterwegs. Ein besseres Gefährt war auch schon nicht mehr zu kriegen gewesen, da die Sommerferien mal wieder völlig unvorhergesehen plötzlich nahten, und dann neigen wir eben zu diesen Urlauben nach dem Motto: Hauptsache weit weg, Hauptsache die ganze Zeit weg und egal, wie chaotisch es wird. Also hatten wir diese Scheißkarre. Wir hatten dafür auch Schneeketten, aber die Maori, die uns das Ding in einer von einem Deutschen gegründeten Autovermietung übergeben hatte, meinte, die wären nur für den äußersten Notfall. Besser würden wir mit dem Ding nicht in die Berge fahren. Sie gab uns auch die Schlafsäcke doppelt mit.
Nun hatte diese Maori nicht damit gerechnet, dass ich mich bei der Amazone mit einem Buch versorgt hatte, das uns zu den Drehorten meiner absoluten gaga Lieblingsfilme bringen sollte. Den Lord of the Rings Filmen von Peter Jackson. Und da waren doch so einige Locations, die, wenn auch nicht in den völlig ausgeschlossenen Südalpen, so aber doch im Gebirge lagen. Ich wollte nach Mordor. Also in den Tongariro Nationalpark. Die Tochter einer Kollegin von mir war dort auch im Sommer gewesen und sie und ihre Wandergruppe mussten von einem Rettungshubschrauber herausgeflogen werden. Den Teil hatte ich Xanadian natürlich verschwiegen. Sie steht nicht so auf Lord of the Rings und hatte schon bei so einem harmlosen Waldausflug nach Rivendell gemault.
Ich achtete also auf den Wetterbericht, schon Tage bevor wir diesen Nationalpark überhaupt wirklich anfuhren. Wir waren uns einig. Wenn es vorher nicht schneit und es möglich ist, mit der ollen Karre da reinzufahren, kommen wir auch irgendwie wieder raus. Und tatsächlich hatten wir Glück. Das Wetter war trocken, die Sonne schien und so fuhren wir also dorthin. Wir kamen deutlich in höhere Gegenden. Das merkten wir natürlich an der Vegetation und der Tatsache, dass wir die Einzigen waren, die mit so einer Mistkarre da rumfuhren. Aber wir wurden belohnt. Gegen Abend konnten wir die Berge im Abendrot sehen, die als Kulisse für das Reich des dunklen Lords hergehalten hatten. Es wurde einfach schöner und schöner, je näher wir kamen. Oben auf den Gipfeln lag Schnee, aber wir wussten, dass Ohakune, das Kaff, in dem auch die Filmcrew in einem Hotel, das mehr wie eine große Blockhütte aussah, gewohnt hatte, noch relativ weit unten, also schneefrei lag. So auch der Campingplatz, den wir anfuhren.
An dem Abend selbst stiefelten wir nur mal bis zu diesem Hotel und durch ein Wäldchen, wo ich den nächsten Anfall wegen der Fallen und Köder bekam, die in Neuseeland überall auf der Jagd nach Possums ausliegen. Das hat mir da echt die Laune verdorben, dass die Kiwis diesen niedlichen, aber schädlichen, Tierchen so an den Kragen wollen. Doch am nächsten Tag ging es dann wirklich weiter hoch mit dem Ziel, das Skigebiet zu erreichen, wo etwas unterhalb dieser kleine Fluss ist, in dem Gollum badet. Den haben wir auch tatsächlich gefunden und lauter so beknackte Fotos gemacht, die so aussehen sollen, wie im Film. Nur ohne Gollum oder meinen Superschatz Aragorn. Ähnlich blöde wie Gollum bin ich da auch rumgesprungen. War schon echt toll. Wir haben sogar so eine Felsformation gefunden, von wo die Uruk hai den Gefährten auflauern – jaja. Es war schon ein echt geiler Tag.
Am nächsten Morgen mussten wir feststellen, dass es nachts angefangen hatte zu schneien und die Scheiben unseres Luxusliners schon zugeschneit waren. Das war dann ein bisschen ungut, denn so hieß es Aufbruch, möglichst schnell, um noch aus den Bergen rauszukommen, bevor die Straßen dicht waren. Länger in Mordor zu bleiben war schon deswegen nicht geplant, weil ich ja auch nach Rohan wollte und zu den Argonath und und und … Wir hatten auch direkt Glück, dass die Karre ansprang und nicht da schon ihren Wassertank verlor. Das passierte erst auf der Südinsel. Das Gebläse taugte gerade so eben dafür, die Scheiben frei zu pusten, während wir im Schneegestöber losfuhren. Mir macht so was dann ja gerade Spaß. Man muss auch nicht schnell fahren und wenn die Karre hinten ein bisschen um die Kurven eiert, ist doch ganz lustig. Und überhaupt hätten wir das Schrillste an diesem Ohakune sonst glatt verpasst, doch wie wir so Ausschau nach einem Laden hielten, um unsere Vorräte aufzufüllen, da tauchte in dem Treiben der weißen Pracht plötzlich eine überdimensional große Mohrrübe auf. Wirklich, im Ernst. Die ist das eigentliche Wahrzeichen der Stadt und steht am Ortseingang an einem kleinen Rastplatz mit Spielplatz. Die war bestimmt vier oder fünf Meter hoch und hatte oben drauf auch schon richtig viel Schnee liegen. Um Xanadians Laune etwas zu bessern, holten wir dort noch einen Geocache (wenn man denn schon mal in Mordor ist) und ein paar Fotos von der großen Möhre haben wir auch geschossen. Ob das Kunst war? In jedem Fall ist der Ort wohl bekannt für sein Gemüse. Für irgendetwas musste so ein Ort ja auch bekannt sein, bevor er zu Mordor wurde.
Aber das ist vielleicht auch das Beste, was ich so von Neuseeland im Herzen behalten habe. Die sehen sich, mit typischem Humor, wie Italien, nur anders rum, und sie sind für jede noch so abgefahrene Idee zu haben. Irgendwo da in den Bergen haben auch mal ein paar Wanderer ihre Wäsche getrocknet und es sind ein paar BHs am Zaun hängen geblieben. Der nächste Kiwi, der das sah, fand es so witzig, dass er den von seiner Frau dazu hängte und inzwischen hängt dort, trotz des Protestes einer Kirchengemeinde, ein ganzer Zaun voll mit BHs in allen Formen und Farben. Der Farmer, dem der Zaun gehört, sagt, es sei ein Statement gegen Brustkrebs. So sind sie da. Wir haben auch zwei Teile dazu gehängt.
Zeit ist um. Schade.
Falls ihr googlen wollt: Ohakune, big carrot und bra fence :)