Da ich völlig in meinen Gedanken und in diese vergangenen Ereignisse versunken war, konnte ich das Klingeln nicht zuordnen. Ich wusste im ersten Moment nicht, wo ich es einordnen soll. Als ich mich aber wieder in der Realität eingefunden habe und mein gerade erst frisch geduschtes und in ein einfaches Handtuch gewickeltes Ich im Spiegel links neben mir erkannte riss ich meine Augen auf und verfluchte mich. Warte ich vorher nicht noch ungeduldig auf ihn und wartete, in der Hoffnung, dass er schon früher auftaucht? Ich stand da und hoffte, ihn draußen zu sehen. Aber das war doch vor einer Stunde. Wo war die Zeit hin? Stand ich wirklich gerade eine halbe Ewigkeit vor dem Fenster und wartete? Ich muss mich doch fertigmachen! „Scheiße, Scheiße. Scheiße!“, fluchte ich lauthals durch die Wohnung. Ich schaute auf die Uhr an meiner Wand. Viertel vor Acht. Er war 15 Minuten zu früh dran. Wieso war er 15 Minuten zu früh dran und wieso wartete ich überhaupt ungeduldig, anstatt mich fertigzumachen? Ich bin noch nicht angezogen, meine Haare sind noch nass und das Schlimmste, er steht bereits vor der Tür und wartet. Ich kann ihm doch nicht die Tür öffnen, wenn ich nur mit einem Handtuch bekleidet bin. So gut kennen wir uns wirklich noch nicht. „Okay. Ganz ruhig. Denk nach. Ist es schlimm, wenn er dich in nassen Haaren sieht? Nein. Eigentlich nicht. Okay. Hätten wir das geklärt“, beruhigte ich mich. Ich zog mir also schnell Unterwäsche, ein T-Shirt und eine Jogginghose an, nahm meinen ganzen Mut zusammen und öffnete zögerlich die Eingangstür.
„Das hat ja lange gedauert bis du aufgemacht hast. Weißt du eigentlich wie scheiße kalt es draußen ist?“, hörte ich meine Mitbewohnerin Sarah motzig vor mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich meine Augen geschlossen hatte und öffnete sie. „Ach du bist es. Hast du etwa deine Schlüssel schon wieder in der Wohnung liegen lassen?“ – „Kennst mich ja. Es wäre eher ein wunder, wenn ich sie mal nicht liegen lassen würde“, sagte sie, lächelte und schob sich mir zuzwinkernd an mir vorbei in die Wohnung. „Weißt du eigentlich was du mir für einen Schrecken eingejagt hast? Ich bin heute mit …“, fing ich auf sie einzureden und wurde von ihr unterbrochen: „… mit dem süßen Kerl vom Flohmarkt von vor zwei Wochen verabredet. Wie hieß er noch gleich? Luke? Lukas? Luca? Irgendwie so. Ich weiß, ich weiß. Aber willst du wirklich so gehen?“ Sie blickte mich prüfend an. Von oben bis unten und blickte danach auf ihre Armbanduhr. „Immerhin kommt er doch in etwas weniger als 10 Minuten. Wenigstens deine Haare könntest du noch föhnen, meinst du nicht?“ Oh Gott! Ich hatte nur mehr weniger als 10 Minuten?! Ihre Aussagen ignorierend, aber dafür fluchend, stürmte ich an ihr vorbei und ins Badezimmer. In Rekordzeit steckte ich den Föhn in die Steckdose und ein Wettlauf gegen die Zeit begann.
Es klingelte ein weiteres Mal und jetzt konnte es nur mehr er sein. Es war kurz nach acht Uhr. Perfektes Timing. Ich habe gegen die Zeit gewonnen. Ich war angezogen, meine Haare konnte ich noch zu einer halbwegs ansehnlichen Frisur gestalten und da ich mich nicht schminke, musste ich dafür keine Zeit mehr aufwenden. Ich war bereit. Mehr oder weniger. Ich war eher nervös als bereit, aber ich öffnete ihm die Tür und achtete diesmal darauf, dass ich nicht wieder meine Augen schließe.
„Hi! Ich hoffe du hast Lust auf einen Valentinstag-Herbstspaziergang?“, fragte er einfach als Begrüßung und strahlte über das ganze Gesicht. Ich merkte, wie mir das Blut in meine Wangen schoss und ich konnte nicht anders als ihn zurück anlächeln. Ich nickte einfach nur. „Ich muss mir aber noch schnell meine Schuhe anziehen. Du kannst solange gerne reinkommen, wenn es dir draußen zu kalt ist“, bot ich ihm etwas schüchtern an. Jetzt war er der, der leicht rot wurde. Vielleicht wurde er nicht oft in andere Wohnungen eingeladen. „Aber keine Sorge ich bin eigentlich in ein paar Sekunden fertig“, setzte ich schnell nach, weil ich nicht wollte, dass er sich unwohl fühlt. Also machte ich schnell kehrt, schlüpfte in meine Stiefel, zog den Reisverschluss an der Seite hoch und kuschelte mich zum Schluss noch in meine Herbstjacke. Dann warf ich noch einen kurzen überprüfenden Blick in den Spiegel, nickte meinem Spiegelbild aufmunternd zu, ging aus der Wohnung und schloss die Tür hinter mir ab.
Es war ein wunderschöner Herbsttag und ich war ungeduldig, weil ich nicht wusste, welche Überraschung er für mich bereithält. Wir spazierten gemütlich einen mit Blättern verdeckten Waldweg entlang. Er führte mich, denn er wusste anscheinend genau wo er hinwollte. Wir gingen eine ganze Weile schweigend nebeneinander. Aber es war kein unangenehmes Schweigen, denn wir beobachteten beide die Umgebung um uns herum und fühlten uns vereint mit der Natur. Plötzlich fanden wir uns vor einer Holzbank auf einer, vom Sonnenlicht gefluteten, Waldlichtung wieder. Wie aus dem Nichts zauberte er eine Decke hervor, legte sie auf die Bank und deutete mir mich zu setzen. Ich begriff in diesem Moment noch nicht, was die Überraschung nun genau sein sollte. Er nahm links neben mir Platz und fing ein Gespräch an: „Es tut mir leid, dass ich letztens nach dem Kino wieder wegmusste. Und in Wahrheit hatte ich keine Magenverstimmung. Aber ich will es dir erklären, damit du verstehst.“ Tief ausatmend legte er den Kopf in den Nacken und blickte gen Himmel. Er brauchte einen Moment, anscheinend um seine Gedanken zu ordnen, und begann dann zu erzählen: „Als ich dich gesehen habe, war meine erste Intention nicht, dich näher kennenzulernen. Ich habe es in der Vergangenheit schon zu oft erlebt, dass ich mich zu schnell Hals über Kopf auf einen anderen Menschen einlasse und das hat bis jetzt nie gut geendet. Also versuchte ich meine Gefühle zu unterdrücken, wegzuschließen. Am Samstag als wir zum Kino verabredet waren, dachte ich mir davor nichts und es fühlte sich an wie ein normaler Kinoabend. Doch bereits während dem Film ertappte ich mich dabei, wie ich immer wieder dein Profil beobachtete. Ich wollte deine Reaktionen auf verschiedene Situationen im Film sehen und ich war einfach hin und weg. Also bekam ich Angst. Ich wollte aber auch nicht nein sagen, also du mich fragtest, ob ich nicht noch Lust hatte ins Lokal zu gehen. Im Nachhinein betrachtet wäre es wahrscheinlich besser gewesen, aber diese Magenverstimmung war in diesem Moment die beste Ausrede, die mir eingefallen ist.“ Er wartete einen Moment, drehte seinen Kopf zu mir und blickte mir tief in die Augen. Ich konnte sehen, dass er die Wahrheit sagt. Ich weiß nicht warum, aber in seinen Augen sah ich Aufrichtigkeit und das rechnete ich ihm in diesem Moment hoch an. Ich wusste nicht was ich genau sagen sollte. Dass ich ihm verzeihe? Dass wir nichts überstürzen müssen? Auf jeden Fall bin ich ihm nicht böse deswegen und ich hatte das Gefühl, dass es keiner Worte bedarf. Er sah auch in meinen Augen die Vergebung, die sich darin widerspiegelte und akzeptierte diese mit einem Lächeln und ohne weitere Worte darüber zu verlieren.
Wir unterhielten uns nach etwas längerem Schweigen über alles Mögliche. Gott und die Welt. Was wir gerne so unternehmen. Wohin wir gerne einmal verreisen würden. Warum wir die Natur und ihre Bewohner so faszinierend finden. Wir merkten dabei, dass wir in vielen Sachen die gleiche Meinung vertreten, aber fanden Gott sei Dank auch genug Dinge, über die wir kurz diskutierten, aber am Ende doch lachen mussten. Es waren wunderschöne Momente und es kam mir so vor, als würden wir uns schon ewig kennen. Als hätten wir bereits ein halbes Leben miteinander verbracht. Es folgte wieder eine Pause und wir genossen die um uns deutlich sichtbare Jahreszeit.
Es war gerade erst Herbst geworden und die Blätter der Bäume färbten sich zusehends von einem saftigen Grün zu einem morschen, aber wunderschönen braun-orange. Für die Jahreszeit war es jedoch schon ziemlich kühl und frisch. Doch der Anblick der bunt gefärbten Blätter, welche durch den Wind von den Bäumen gewirbelt und durch die Luft getragen wurden, ließ mein Herz meinen Körper etwas erwärmen. Vor allem, weil ich es mit Ihm betrachten konnte. Auch ein Schwarm Tauben flog geradewegs durch diese bunte Blätterpracht hindurch und der Himmel verwandelte sein strahlendes Blau zu später Stunde in ein tiefes Orange.
Wir waren fasziniert von diesem wunderschönen langsam wandelnden Farbenspiel und ich zuckte plötzlich ruckartig zusammen als ein etwas stärkerer und vor allem sehr kalter Wind aufkam. Ich nahm meine Jacke und legte sie über meine Hände und versuchte sie einfach warmzuhalten…
Schon seit einer geraumen Weile sprachen wir nun nicht miteinander. Wir saßen still da und beobachteten, nein, bewunderten die Natur, die bunten Blätter, den immer noch sichtbaren, jedoch in weite Ferne geflogenen Taubenschwarm und vor allem dieses wunderschöne, prächtige Farbenspiel des Himmels.
Plötzlich spürte ich, wie sich auf einmal etwas Warmes um meine Schultern legte und sich an mich schmiegte. Ich legte meinen Kopf kurz in den Nacken, damit ich den Himmel einmal geradewegs von unten betrachten konnte. Doch alles was ich sah war sein Gesicht. Seine wunderschönen braunen Augen. Er lächelte mich an und mein Herz schlug schneller als es schlagen sollte… Sein Lächeln war so freundlich und verspielt wie nur seines sein konnte. Unerwartet nahm er mich auf seinen Schoß, legte seine Hände um mich und seinen Kopf auf meine Schulter. In diesem Moment wusste ich nicht was ich tun sollte, im Geheimen freute ich mich sehr und ich war der glücklichste Mensch aller Zeiten, aber ich bemerkte auch, dass mir schon wieder das Blut in den Kopf schoss und ich gerade sicher so rot wie eine Tomate wurde.
Lange Zeit saßen wir dann noch so da. Ja, sogar den ganzen Abend verbrachten wir dort auf der Bank, es war immer noch dieselbe Holzbank, immer noch dieselbe Waldlichtung. Bald fingen wir auch wieder an uns zu unterhalten, doch ich war mir sicher, dass er meine Nervosität spürte und auch das Zittern in meiner Stimme bemerkte. Ich musste mich wirklich beruhigen, aber wie konnte ich das denn unter seinen Berührungen?
Wir saßen schon so lange auf dieser Bank, dass die Farbe des Himmels nun schon in ein kräftiges, aber herrliches Dunkelorange überging. Langsam übermannte mich die Müdigkeit, sodass meine Lider schon fast meine Augen umhüllten. Doch bei diesem wunderschönen Anblick kann man ja nur ruhig und friedlich einschlafen. Wobei ich bei diesem Anblick nicht nur an die Farbenpracht des Himmels dachte.
Als ich schon etwas wegdämmerte, hörte ich ein leises Kichern an meinem Ohr, welches mich wieder aufschrecken lies. Anscheinend fand er meine Müdigkeit äußerst amüsant und ich weiß nicht warum, aber instinktiv zauberte es auch mir ein Lächeln ins Gesicht. Als ich durch sein Kichern wieder munter war und meine Augen öffnete, trafen sich unsere Blicke. In diesem Moment gab er mir den Beweis, dass das alles hier Realität war und er die Wahrheit sprach, als er vorhin seine Gefühle für mich mehr schlecht als recht versuchte in Worte zu fassen. Denn er küsste mich so sanft, wie ein Kuss nur sein konnte. Dieser Tag wurde für mich gerade zu einem unvergesslichen gemacht.
Seine Lippen waren so weich und so vollkommen. Ja, das war mein erster Kuss und ich wusste das es keinen besseren gäben könnte. Als sich seine Lippen wieder langsam von meinen lösten, gab er mir noch einen dezenten Kuss auf meine Stirn. Ich schloss meine Augen wieder, genoss den Moment danach, genoss sogar meine Schmetterlinge, die sich in meinem Bauch gerade austobten und wusste, dass dies einer der schönsten Tage meines ganzen Lebens ist.
Als die Schmetterlinge sich wieder etwas beruhigten, merkte ich, wie die Müdigkeit sich in mir wieder breitmachte. Schließlich, als wir immer noch auf dieser Bank saßen und er mir meine Stirn küsste, übermannte mich meine Müdigkeit vollends und ich schlief während seiner zarten Küsse ein. Im Hintergrund vernahm ich leise, aber dennoch hörbar, ein kleines Geständnis von ihm: „Ich würde von heute an, am liebsten jede einzelne Minute mit dir verbringe.“
Am nächsten Morgen wachte ich eingekuschelt in meinem Bett liegend auf. Ich war etwas verwirrt über meine Situation. War ich nicht gerade eben noch im Wald gewesen? Ich war niedergeschlagen und deprimiert, denn ich befürchtete, dass ich alles nur geträumt hatte. Aber es fühlte sich doch alles so echt an, seine Küsse, seine Worte und sein Kichern in meinen Ohren, das prächtige Farbenspiel des Himmels. Habe ich mir sein Geständnis vielleicht auch nur eingebildet? Konnte das alles wirklich nur ein sich sehr echt anfühlender Traum gewesen sein? Nein, das wollte ich nicht glauben.
Mit einer niedergeschlagenen Miene stand ich erst mal auf und ging ins Wohnzimmer unserer Wohnung. An dessen Tisch in der Mitte, verblüffender Weise meine Mitbewohnerin saß und mich anlächelte, als sie mich bemerkte. Sie lächelte nicht oft. Und gerade hat sie ein Lächeln aufgesetzt, dass eigentlich nur dann hat, wenn sie sich über etwas prächtig amüsierte.
Ich weiß gerade nicht, was mich mehr verwirrt. Die Erinnerungen an gestern, wo ich nicht weiß, ob diese echt sind oder nicht. Oder dieses verdammt glückliche Lächeln meiner Mitbewohnerin. Ich war echt durcheinander wegen meines Traumes, falls es wirklich einer war, also wollte ich sie über den gestrigen Tag ausfragen, doch sie kam mir überraschender Weise zuvor und erzählte mir alles, was gestern passierte, während ich schlief.
Sie berichtete mir, dass er mich auf seinem Rücken nach Hause trug, den ganzen Weg vom Waldstück bis hierher und das obwohl es schon sehr dämmrig war. Als er dann vor unserer Haustür stand und klingelte, öffnete ihm meine Mitbewohnerin die Tür und sah uns beide angeblich sehr perplex an. Verständlich. Immerhin wurde ich noch nie von einem Jungen nach Hause getragen. Vor allem nicht noch schlafend. Auf seinem Rücken. Sie bat ihn herein und er ging geradewegs in mein Zimmer, legte mich auf mein Bett und deckte mich liebevoll mit meiner Decke zu. Sarah erzählte mir weiter, dass sie nur in der Tür stand und alles beobachtete, aber sich schon etwas wunderte.
Nun erinnere ich mich auch wieder an etwas, denn als ich schlief, spürte ich etwas Warmes und Weiches an meiner Wange. Er gab mir einen Abschiedskuss, bevor er sich von Sarah verabschiedete und selbst den Weg nach Hause antrat.
Ihr Bericht endete an dieser Stelle und ich sah sie verwirrt an…
Ich war ziemlich durcheinander, aber gleichzeitig auch froh darüber, dass diese Erinnerungen doch kein Traum waren. Ohne mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen fuhr meine Mitbewohnerin fort und richtete mir noch aus, dass er in ein paar Minuten wieder hier sein würde, damit wir wieder etwas unternehmen könnten. Sein Geständnis gestern war also auf jeden Fall keine leeren Worte‘, ging es mir durch den Kopf und ich lächelte. Voller Vorfreude lief ich in mein Zimmer und sah aus dem Fenster, direkt hinab auf die Straße und die Fußgänger.
Da kam er auch schon und winkte mir hinauf zu. Er ging geradewegs über die Straße und spazierte in meine Richtung. Noch bevor er seinen Blick von meinem wandte, wünschte ich ihm einen Guten Morgen und malte mir vor Augen aus, wie schön unser heutiger Tag wieder sein würde. … Aber das Schicksal hatte andere Pläne.
Ich sah ihn, … Ich sah das Auto … doch ich konnte kein einziges Wort mehr sagen. So schnell ich konnte rannte ich die Treppe hinunter, riss die Haustür auf und rannte in einer Art Trance auf die Straße. Der Platz des Geschehens war vollgestopft mit Schaulustigen und in weiter Ferne hörte ich die Polizei und Rettungssirenen. Ich drängte mich mit aller Gewalt, die ich aufbringen konnte durch die Masse, wurde angepöbelt, gestoßen und angeschrien, doch es war mir egal. In diesem Moment wollte ich nur zu ihm, wollte ein letztes Mal sein verspieltes und freundliches Lächeln sehn.
Doch meine Augen trafen auf kein Lächeln, sie trafen auf nichts Verspieltes und nichts Freundliches. Nein, sie trafen auf eine blutrote Farbe, welche sich auf dem Asphalt immer weiter ausbreitete. Die ganze verdammte Straße war in diese verabscheuungswürdige Farbe getaucht. Doch mir war es egal… Mein Kopf war leer und meine Füße bewegten sich ohne Furcht und ohne wirklich darüber nachzudenken zu ihm hin…
Die Leute zerrten an mir, versuchten mich davon abzuhalten, aber ich wies sie zurück und ging weiter. Ich kniete mich auf den Boden, krabbelte langsam zu seinem Körper und Tränen kullerten meine Wangen hinab. Dieser blutüberströmte, zerschundene Körper, an dem keine einzige Bewegung und keine einzige Emotion mehr zu erkennen war, wird für immer meine erste große Liebe bleiben.
Weitere Tränen verloren meine Augen und sie landete direkt auf seiner Wange. Von dort aus kullerte sie weiter hinab und versanken schließlich im Asphalt.
So viele Fragen, so viele schossen mir in den Kopf. Aber nur eine war von Bedeutung. Wieso war uns dieses Glück verwehrt geblieben uns näher kennenzulernen, uns vielleicht irgendwann zu lieben? Ich setzte mich völlig kraftlos und auch fast willenlos neben ihn und legte meine Hände ein letztes Mal um seinen Kopf. Ein letztes Mal habe ich die Möglichkeit in seine Augen zu blicken. In diese wunderschönen, klaren Augen die nun für immer ins Leere starren würden.
Langsam schloss ich seine Lider, beugte mich über ihn und gab nun ihm einen Abschiedskuss auf die Wange, so wie er es mir gab, als auch ich schon schlief. Mein Mund löste sich langsam wieder und ich konnte meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich wünschte jemand könnte mich trösten, doch alle schubsten und stießen mich nur von ihm weg. Ich war deprimiert, verzweifelt, verstört. Meine Tränen strömten ununterbrochen meine kalten Wangen hinab und fielen auf meinen Schoß.
Ich hatte in diesem Moment das Gefühl niemals wieder jemanden so lieben zu können wie ihn. Ich schloss meine Augen, atmete tief ein und konnte nun auch mein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Aber niemand kam zu mir, um mich zu trösten. Niemand hatte Mitleid mit mir oder versuchte mir wenigstens zu helfen. Wieso musste das passieren? Wieso genau nach dem Tag, nach welchem er mir seine Gefühle gestand?
In meiner Trauer sank ich am Boden zusammen. Schlug auf den harten Asphalt und wurde in Dunkelheit gehüllt. Nun bin ich an der Reihe ihm meine Gefühle zu gestehen…
„Auch ich wollte jede einzelne Minute meiner restlichen Lebenstage mit Dir verbringen. Noch nie fühlte ich mich jemanden so stark verbunden wie Dir.“