Navale
Araz & Rove
“Diesen Buchstaben kannst du mit ‘A’ übersetzen. Ist aber ein Punkt darüber, so ungefähr, dann liest du es als ‘I’. Und ist ein Kreis darunter, dann liest du es als ‘U’. Als ‘A’ ist die Aussprache Âh.”
“Ah.”
Araz schnaubte ein trockenes Lachen heraus und schüttelte den Kopf. “Nein, es muss tiefer aus der Kehle kommen. Âh.”
Rove legte ihren Stift zur Seite und legte sich mich vor der Brust verschränkten Armen in den Stuhl zurück, eine Braue deutlich hochgezogen. “Aha.”
Erneut schüttelte Araz den Kopf, diesmal weniger amüsiert. “Âh wie Âuníth.”
“Aha wie ‘Ich habe verstanden’”, blaffte sie mit einem Augenverdrehen zurück. Der Andrerkiin-Mann hatte sehr viel mehr Spaß daran, ihr die alte Sprache und Schrift beizubringen, als sie, diese zu lernen. Die filigranen, edel geschwungenen Symbole waren zwar wunderschön anzusehen, aber ein Krampf zu übersetzen. Die einzelnen Buchstaben ließen sich nicht einfach in ihr eigenes Alphabet übertragen und nicht immer war den alten Handschriften abzulesen, welches Symbol das war, das dargestellt werden sollte. Während sie also da saß und versuchte, die Worte in ihr eigenes Alphabet umzuschreiben und anhand der ersten Vokabeln, die Araz ihr gegeben hatte, zu übersetzen, saß er ihr mit seinem eigenen Buch gegenüber und die Seiten flogen nur so dahin. Er war völlig abgetaucht in den Text und sah nur auf, wenn Rove nicht weiter kam und um Hilfe bitten musste.
Und doch… war es irgendwie schön. So frustrierend schleppend sich die Übersetzung, so befriedigend war es auch, wenigstens einen kleinen Schritt voranzukommen. Nicht nur ein Wort geschafft zu haben. Sondern einen Satz. Oder gar einen Absatz! Und das Privileg zu haben, ein so altes Buch in den Händen halten zu dürfen, ja sogar die längst vergessene Sprache zu erlernen und damit ebenfalls in die Geschichten und Geheimnisse der alten Welt einzutauchen… Wenn sie darüber nachdachte, flatterte ihr Herz. Dann wurde ihr ganz mulmig und sie wusste für einen Moment nicht, ob sie das besser geeigneteren Leuten überlassen sollte und ihre untauglichen Finger davon ließ oder dass sie diese Ehre und Chance für sich annahm.
Noch dazu… Auch wenn Araz manchmal etwas übereifrig darin erschien, sie in ihrem Vorhaben zu unterstützen und anzutreiben, irgendwie war es schön, mit ihm daran zu arbeiten. Allein dass er entschieden hatte, dass er dieses Wissen mit ihr teilen würde. Und ihr damit half, soweit er konnte. Zu sehen, wie viel Freude es ihm zu bereiten schien, dass sie sich an die Sache heran wagte. Er zeigte es nicht offensichtlich. Aber manchmal, da bemerkte sie den Blick von der Seite. Das schmale, fast unsichtbare Lächeln. Die Augen, die ein bisschen weniger verschlossen waren.
Doch jetzt, nach ihrer groben Antwort, musterte er sie mit zusammengekniffenen Augen, schnaubte kommentarlos vor sich hin und trat von ihrer Seite wieder zu seinem Platz. Einen letzten Moment lang musterten sie sich beide gegenseitig, bevor sie sich wieder ihren eigenen Büchern widmeten.