Planet B3 des Systems Theta
Forschungsstation Südseite
Der Hangar
Edward
Die Adler landete, wie sie immer im Hangar landete: durch das Kraftfeld des Oberdecks in absoluter Präzision und Stille und in der perfekten Mitte der Halle. Ihrem angestammten Platz.
Die Tür öffnete sich mit einem Zischen, das Edward hier oben in der Zentrale nicht hören konnte, von dem er aber zu gut wusste, dass es da war. Das war es immer, seitdem er selbst seinen ersten Schritt aus dem Schiffsinneren gewagt hatte, und auch heute noch konnte er die Schläuche wackeln und den feinen Nebel sehen. Das Zischen dichtete sein Gehirn von ganz alleine hinzu.
“Neuankömmlinge”, spie jemand neben ihm aus. Wie immer, wenn die Adler kam. Und sie kam häufig.
Edward wandte seinen Blick ab und sah in die düster funkelnden Augen Lians.
“Lass sie erstmal ankommen.” Edward zuckte mit den Schultern.
“Die ersten werden gehen, noch bevor das passiert ist.”
Nun, damit mochte sie recht haben. Ebenso viele Menschen wie aus der Adler hinaus strömten, kämpften sich von der anderen Seite wieder hinein. Aber das war hier auf B3 alles andere, als ungewöhnlich. Menschen voller Hoffnung, etwas zu bewegen, etwas zu entdecken kamen, und davon bot dieser Planet eine Menge. Aber genauso wie diese Menschen kamen, strömten gebrochene Existenzen zurück. Ein Bild der Trauer, aber auch das inzwischen Alltag.
“Vielleicht”, antwortete er und wollte eigentlich wahrscheinlich sagen. Nur etwas in seinem Inneren sträubte sich dagegen. Etwas in ihm glaubte, dass aus diesem Schiff eines Tages nicht nur junge Absolventen intergalaktischer Universitäten und Forschungsstätten kämen in der Hoffnung sich auf einem frischen Planeten einen Namen zu machen und in Großprojekte einsteigen zu können. Sondern jemand, der ihre Forschung hier maßgeblich vorantrieb.
Denn dass sie in einer Sackgasse steckten… Edward atmete tief durch und schloss seine Augen. Das ließ sich nicht mehr leugnen. Schon lange nicht mehr.
Lian sog scharf die Luft ein. Ungewöhnlich. Normalerweise trieb es sie aus diesem Raum und weit weg vom Hangar, sobald das Schiff angefangen hatte, neben Menschen auch erste neue Utensilien auszuspucken.
“Was ist?”, fragte Edward. Die Augen hielt er noch immer geschlossen und genoss die angenehme Schwärze, durch die nur das elektrische Sirren der Geräte und Lians aufgeregter Atem rauschte.
“Die Presse ist da.”
“So?” Er öffnete das rechte Auge und sah hinab. Aber da unten war nichts Ungewöhnliches. Keine Kameradrohne, niemand der sich auffällig umsah. Nur neugierige Gesichter, die ihre neue Heimat bestaunten.
“Hetzen die uns schon die Presse auf den Hals, weil wir nichts liefern!”
“Lian", sagte er ruhig, “es ist allgemein bekannt, dass wir nicht liefern.” Dafür brauchte es keine Presse.
Sie musterte ihn. Er konnte es nicht sehen, aber Lians Blicke auf sich hatte er schon immer gespürt: berechnend und kalt.
“Die Station ist offen für alle.” Was verzweifelt genug war - genauso wie Statement genug. “Warum regt dich das also so sehr auf?” Man mochte es ihr nicht sofort ansehen, Lian war geübt darin Emotionen hinter einer dicken Wand aus Fakten zu verstecken. Aber Edward kannte sie lange genug, um dahinter blicken zu können. Um das Zittern um ihre Mundwinkel zu sehen. Den halben Ton zu hören, den ihre Stimme in die Höhe geklettert war. Subtile Zeichen, aber sie waren da.
Sie antwortete nicht darauf. Stattdessen deutete sie hinab in die Hangarhalle. “Die Frau dort.”
Edward folgte ihrer Weisung und dort in all dem Gewusel, blickte ihm ein Lächeln entgegen. Und tatsächlich neben dieser Frau, dort unten, da huschte ein kleines Objekt durch die Luft und kurz blitzte es auf. Es hätte eine Reflektion der Adler sein können. Das Kraftfeld, dass sich um sie wieder gänzlich schloss. Aber Edward hatte beides häufig genug gesehen, um es besser zu wissen. Hologrammbilder.
“Ich kann ihr einen Besuch abstatten, wenn es dir damit besser geht.” Lian blieb still. Doch selbst wenn sie nein gesagt hätte, wäre er gegangen.
Edward war neugierig - und manchmal eine Spur zu neugierig.