Ungläubig stand ich mit Brian vor dem Bayside Marketplace in Miami und konnte noch gar nicht fassen, dass er mich tatsächlich hierher mitgenommen hatte. Das Einkaufszentrum unter freiem Himmel, dessen Geschäfte jedoch unter einem Dach lagen, war ein perfektes Touristenziel. Laut Brian konnte man sich hier sowohl an heißen als auch an regnerischen Tagen seine Zeit vertreiben. Hier gab es eine Menge Shops, die gar nicht alle an einem Tag besucht werden konnten.
Die Menschen um uns herum lachten und genossen bei einem Eis das heiße Wetter. Scheinbar trug das zur ausgelassenen Stimmung bei. Ich hingegen konnte den Blick nicht von der Einkaufspassage lassen. Diesen Ort zu besuchen, hatte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Solch eine Reise nach Florida war aufgrund meiner vorherigen Geldsituation nicht drin gewesen. Zudem machte es mehr Spaß, mit jemanden zusammen das Einkaufszentrum unsicher zu machen. Allein ging ich ungern einkaufen, da ich mich meist unwohl fühlte und – so komisch es auch klang – verlassen.
„Bereit, ein paar Dinge zu erwerben?“, fragte Brian mit einem verschmitzten Zwinkern.
Ich spürte seine Hand am Rücken, die weiter zum Steißbein wanderte, und lächelte. „Eine Frage habe ich …“, meinte ich nachdenklich.
„Und welche?“
Das Lachen unterdrückend kam ich ihm näher und stellte mich so hin, dass ich ihm direkt in die strahlenden Augen sehen konnte. „Was heißt bei dir ein paar Dinge?“
Zuerst schien Brian nicht zu verstehen, worauf ich hinauswollte, doch dann fiel anscheinend der Groschen. „Na ja, … wie wäre es mit einem neuen Bikini? Oder Schmuck?“, fragte er unschuldig.
„Brian!“, tadelte ich ihn verzweifelt. Was sollte ich denn mit so vielen Dingen? Klar, mein Bikini fiel beinahe wegen Alterserscheinungen auseinander, aber wenn wir nur an seinem Strandabschnitt blieben, würde den wohl kaum ein anderer zu Gesicht bekommen. Ich ging nicht davon aus, dass Brian Spaziergänger einfach so auf sein Grundstück ließ.
„Willst du denn deinen Traumkörper nicht am Strand präsentieren?“
Verwundert sah ich ihn an und prustete plötzlich. „Also entweder hast du schon einen Sonnenstich oder ich eine Halluzination. Du würdest, laut Ken, jeden gottverdammten Mann zu Kleinholz machen, der mich nur schief ansieht“, behauptete ich. Mein Leibwächter war in New York geblieben und passte auf meine bisherigen Arbeitgeber Liam und Amber, für die ich im Sommer kellnerte, auf. Brian hatte darauf bestanden, dass Ken mitkam, aber nach Damons indirekter Drohung war es mir wichtiger, die beiden in Sicherheit zu wissen.
Nach der Anzeige gegen meinen Ex–Freund hatte ich mich erleichtert und gut gefühlt, doch irgendwie machte sich seitdem öfter ein unangenehmes Gefühl im Magen breit, als würde ich meine Entscheidung noch bereuen. Wäre Brian nicht an meiner Seite gewesen, hätte ich vermutlich im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Die nette Polizistin, die meine Anzeige und meine Erzählungen ernster genommen hatte als Kommissar Smith, hatte mir ebenfalls geholfen, den Schritt durchzuziehen. Jetzt konnte ich nur noch abwarten, was geschehen würde.
Brian brummte und rieb sich sein Kinn, an dem sich bereits ein dunkler Ansatz von Bart bildete. „Gut erraten. Daran habe ich im ersten Moment gar nicht gedacht. Also gut, aber ein neuer Bikini wäre trotzdem nicht schlecht, wenn wir eine Bootsfahrt machen“, erklärte er. „Nur du und ich natürlich“, fügte er hastig hinzu, als ich zum Sprechen ansetzen wollte.
Lachend verstummte ich. Ich hatte erwartet, dass Brian abwinken würde, anstatt indirekt zuzugeben, dass er niemanden an mich heranließ. Liebevoll strich ich ihm über die Stoppeln und hob meine Augenbrauen. Normalerweise war Brian stets ohne jeglichen Bartansatz, aber hier schien er wohl beide Augen zuzudrücken. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Auch ihm stand eine Pause vom Alltag zu. „Wie wäre es, wenn du dich rasierst? Das ist ja grässlich“, bemerkte ich erheitert.
Sofort kam er mir näher und legte sein Kinn an meinen Hals. Ich spürte seinen warmen Atem am Ohr und auch, wie er einmal kurz darüber leckte. „Bist du dir sicher, Jade? Vielleicht gefällt es dir, wenn ich dich damit ein wenig necke“, schnurrte er mir ins Ohr.
Allein die Worte reichten aus, die Hitze in meinem Körper zu entfachen, und ich wurde feuerrot. Hastig sah ich mich um, aber Brian hatte so leise gesprochen, dass es garantiert niemand mitbekommen hatte. „Brian“, krächzte ich heiser und verengte die Augen, als ich ihn breit grinsen sah.
„Ja?“
„Sei nicht so fies.“
„Ich doch nicht.“
Nach der Neckerei beugte er sich zu mir hinab und erstickte meine Antwort mit einem Kuss. Leise stöhnend schmiegte ich mich an seine Brust und ließ schließlich von ihm ab. Zu viel würde nur dazu führen, dass ich ihn am liebsten gleich vernaschen würde. Die Erinnerung an den Morgen und die Neckereien auf der Fahrt hierher machten mich schwummrig.
„Schlagen wir hier Wurzeln oder gehen wir?“, fragte ich schließlich und hakte mich bei Brian ein, damit wir uns in den Trubel stürzen konnten.
Als der Tag zu Ende ging, erreichten wir den Española Way. Laut Brian war es ein Geheimtipp für die Nächte in Miami. Hier gab es unvergessliche Cocktails und tolles Essen. Gute, mitreißende Musik begleitete uns, während wir die Straße entlangschlenderten und die Atmosphäre genossen. Mit unseren Einkäufen in der Hand wirkten wir sicherlich wie die zahlreichen anderen Touristen, die sich bei Wein und Essen die Zeit vertrieben. Hier wurde sogar der Straßenabschnitt gesperrt, damit übermütig getanzt werden konnte. Das fand ich eine gute Alternative, so gab es weniger Unfälle.
Sehnsüchtig sah ich den Tänzern zu, wie sie ihre Glieder geschmeidig zur Musik bewegten. Schon lange war ich nicht mehr in den Genuss gekommen, ausgiebig das Tanzbein zu schwingen.
„Willst du nachher auch tanzen?“, fragte Brian, als hätte er meine Gedanken erraten.
Begeistert stimmte ich mit einem breiten Lächeln zu. Wer konnte schon bei solch einer rhythmischen Musik widerstehen? Ich jedenfalls nicht.
Als Erstes zogen mich aber die leckeren Gerüche der spanischen Küche aus den zahlreichen Restaurants an. Trotz der Kleinigkeiten, die wir uns im Bayside Marketplace gegönnt hatten, war ich wie ausgehungert. Meine Schwäche für Paella würde Brian mit Sicherheit bemerken.
Zu meinem Glück schien Brian genauso hungrig zu sein wie ich, denn er führte mich direkt auf ein Restaurant zu. Dieses hatte Außentische und ließ daher einen perfekten Blick auf die Straßentänzer zu. Obwohl ich damit die Regel im Vertrag – Brian meine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken – brach, konnte ich es nicht lassen, den ausgelassenen Menschen zuzusehen.
War Brian selbst an den Tänzern interessiert oder drückte er beide Augen zu, nachdem er mich zu zwei Dessous überredet hatte, die ich niemals gekauft hätte? Ruby hätte diese ohne zu zögern gekauft. Sie stand auf solche sexy Teile. Für sie wäre der Bayside Marketplace ein reines Paradies und mich beschlich die Vermutung, dass sie wohl mit einem Lastwagen an Tüten wieder herausgekommen wäre.
Gemeinsam suchten wir einen Tisch aus, der nicht direkt im Trubel lag, aber dennoch eine gute Sicht auf die Straße bot. Nachdem wir uns die Menükarte angesehen und die Kellnerin unsere Bestellung aufgenommen hatte, nahm Brian meine Hand und drückte sie sanft. „Wie hat dir der kleine Ausflug gefallen?“, wollte er mit einem Lächeln auf den Lippen wissen.
„Toll“, antwortete ich begeistert. „Hier einzukaufen, hätte ich mir niemals erträumen lassen.“ Schöner war allerdings Brians lustige Gesellschaft. Im Einkaufszentrum hatte er eine kindlichere Seite gezeigt und viel gelacht. Nach einigen Geschäften, in denen Schmuck angeboten wurde, hatten wir einen Laden besucht, der Bikinis anbot. Die große Auswahl, die von kitschig bis hin zu elegant reichte, hatte die Auswahl erschwert. Anfangs war ich nicht begeistert gewesen und hatte mich geschämt, mich in verschiedenen Bikinis Brian zu präsentieren, doch seine humorvollen, manchmal trockenen Kommentare bei besonders schrecklichen Modellen hatten die Stimmung gelockert, bis ich Tränen gelacht hatte. Wer kaufte denn bitte Bikinis aus Plastik, Kokosnussschalen und Glitzer? Sie waren kitschig, überteuert und keinesfalls schön.
Kaum hatten wir unsere Getränke – für ihn einen Rotwein und für mich einen Weißen – serviert bekommen, stießen wir auf den erfolgreichen Tag an und genossen wenig später spanische Leckereien. Dabei warf ich immer wieder einen Blick zu den Tänzern, was Brian dazu brachte, sich zu räuspern.
„Entschuldige“, murmelte ich verlegen und sah ihm in die Augen. Darin erkannte ich jedoch keinen Tadel, sondern Belustigung und ich bemerkte, dass das Blau um seine Iris herum kräftiger strahlte als sonst.
Brian kicherte, beugte sich halb über den Tisch und wischte mir mit dem Daumen etwas von der Unterlippe. Gekonnt sexy leckte er sich seinen Finger ab, sah mir tief in die Augen und ich spürte ein bekanntes Kribbeln in mir, das mich unter dem Tisch leicht meine Beine aneinanderreiben ließ.
„Du schmeckst zum Vernaschen gut“, hauchte Brian mir entgegen, als er sich wieder auf seinen Stuhl gleiten ließ. In dem Moment wurde mir bewusst, dass es ihm gar nicht um Aufmerksamkeit gegangen war, sondern lediglich darum, mich zu verführen. Und das hatte er mit der Geste durchaus geschafft.
In seinen Augen standen sowohl Lust und als auch der Hunger nach einer weiteren Runde Sex, aber wir ließen uns beim Essen Zeit. Nach dem zweiten Glas Wein bezahlte Brian und hielt mir galant seine Hand hin.
Lächelnd nahm ich sie an und ließ mich zur Straße führen, auf der mittlerweile nicht nur Tänzer waren, sondern auch Zuschauer, die rhythmisch klatschten. Als wir mittendrin waren, begannen wir, uns an die anderen anzupassen und zu tanzen. Die gelöste Stimmung ließ mich jeden Tanzschritt mit Brian genießen. Seine Bewegungen waren kraftvoll und elegant zugleich und ich freute mich, dass ich ihm wenigstens nicht auf die Füße trat. Zwischendurch gab es ruhigere Musik und wir tanzten eng umschlungen, wobei wir uns tief in die Augen sahen. Wie ein verliebtes Paar, das die Finger nicht voneinander lassen konnte. Und das waren wir auch.
Brian schien den Abend genauso zu genießen wie ich. Zu meinem Erstaunen kannte er einige spanische Tänze, bei denen ich allerdings kläglich versagte. Schlimm fand Brian das nicht und es trübte unsere Stimmung keineswegs.
Meine Gedanken schweiften zum nächsten Tag und ich beobachtete schmunzelnd, wie Brian mit seiner Tanzeinlage die Leute zum Klatschen brachte. Das war also der Partyhengst. Rubys Bezeichnung hatte ich nicht vergessen.
Ich konnte es kaum erwarten, mit Brian eine Bootsfahrt zu unternehmen, und war mir sicher, dass er die ein oder andere Überraschung bereithielt. Allerdings hoffte ich, dass ich nicht seekrank wurde.