Kurz-Anspiel und Predigt zu einem Jugendgottesdienst mit dem Thema "Well Done" und der Lesung der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1)
https://www.bibleserver.com/GNB/1.Mose1
Anspiel
A: Boah, krass man. Deine Augen sind so blau. So blau wie der Horizont am Abend, die blaue Stunde, wenn man bei Sonnenuntergang in die andere Richtung sieht.
B: *sarkastisch* Das Problem dabei ist nur, niemand sieht bei einem Sonnenuntergang in die andere Richtung.
C: *erzählt von etwas auf das er/sie stolz ist*
D: *gratuliert*
C: Und worauf bist du stolz?
D: Keine Ahnung…
C: Wurdest du nicht für dein Abitur als Jahrgangsbeste/r geehrt?
D: Ja, aber ich musste nichts dafür tun. Ich habe nie gelernt, nie Hausaufgaben gemacht. Als ob ein Fisch darauf stolz wäre, dass er schwimmen kann.
Predigt
"Gott sah die Menschen an und sah: Sie waren gut."
Tja, das ist schon so eine Sache mit dem Komplimente-Annehmen und dem Stolz. Nein, das sind keine Selbstzweifel, man will ja bloß nicht arrogant wirken. Ich denke, das Problem mit dem Stolz-Sein sind nicht die anderen, sondern wir selbst.
Müssen wir perfekt sein, um stolz auf uns sein zu dürfen?
Ich bin ganz sicher nicht perfekt.
Ich bin unpünktlich, denn meine Zeit gehört dir nicht. Ich habe ständig Streit mit dem Wecker, er tickt ganz anders als ich.
Ich bin unordentlich. Meine Wohnung ist ein Fraktal mit hoher Selbstähnlichkeit, das geordnete Chaos. Ich weiß nie was mir fehlt, bevor ich es finde.
Ich bin stets bemüht niemandem auf den Schlips zu treten, aber entschuldige mich nie.
Manchmal da blendet mich das Licht am Ende des Tunnels viel zu sehr.
Ich bin ein törichter Narr, und ein weltfremder Träumer, und ein unvollkommener Mensch.
Aber ich tue gerne so als wäre ich unantastbar, unnahbar, stets bemüht nur ein Gastauftritt zu sein, der nicht im Abspann auftaucht. Dabei muss man bloß auf die Menschen zielen, die mir wichtig sind, um mich zu treffen. Und doch sind Menschen für mich wie offene Bücher, bei denen ich ständig die wichtigen Seiten überblätterte. Ich sehe, was die Menschen brauchen, nur leider ist es meistens nicht das, was sie wollen. Das, was sie wollen, erkenne ich nie. Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.
Man sagt, ich handle überlegt, sei besonnen.
Ich bin keine Dopaminverschwenderin, zu feige für ganz, zu sentimental für gar nicht. Man sagt, dass kluge Menschen aus ihren Fehlern lernen. Aber in Wahrheit ist es doch so, dass klügere Menschen aus den Fehlern anderer lernen. Manchmal wünschte ich, ich wäre ein bisschen dümmer. Denn so werde ich, wenn ich mal alt bin, an all die Geschichten denken, die ich hätte erzählen können (vgl. Julia Engelmann).
Alle wachsen über sich hinaus, doch wer davon blüht auf?
Man sagt, „jeder ist seines Glückes Schmied. Diese Metapher muss man nicht mal mit der Realität konfrontieren bevor sie sinnlos wird. Jeder ist seines Glückes Schmied. Das Glück ist also eine so schwere und starre Masse, dass ich es auf mehrerer Tausend Grad erhitzen muss, um es dann glühend mit einem riesen Hammer in meine gewünschte Form zu hauen.“ (Till Reiners)
Tja, aber dummer Weise bin ich kein Schmied. Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.
Man sagt, ich habe ein gutes Gedächtnis.
Ich kenne 47 Nachkommerstellen von Pi, aber nicht meine eigene Handynummer. Während andere sich an zu wenig erinnern, erinnere ich mich an zu viel. Ich verliere mich in Details und bin ständig mit den Gedanken woanders. Für meinen ach so flexiblen Geist ist die Realität bloß eine Ausrede. Ich stehe mit beiden Füßen fest in meinem Wolkenschloss.
Man sagt, ich sei eine Denkerin, eine Frau der Vernunft.
Ich denke vernünftig und handle unlogisch. Ich fühle mit dem Kopf und denke mit dem Herzen. Was dann gelegentlich zu Denkrhythmusstörungen und Gefühlsblockaden führt. Ich neige nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Ich wähle meine Worte mit höchster Sorgfalt und setze sie so berechnend wie ein Seiltänzer seine Füße. Dabei sind meine Worte stets lauter als ich, denn Worte sind alles, was ich habe. Und wenn ich hier oben stehen und predige, führe ich eigentlich nur Selbstgespräche. So gern würde ich behaupten, ich hätte nie Zweifel, aber das kann ich nicht.
Also habe ich vielleicht gar keine Ahnung.
Ich weiß, ich weiß nicht viel. Vielleicht habe ich keine Ahnung. Vielleicht bin ich mir noch immer unbekannt. Alles was ich weiß ist: Ich bin nicht wie du und du bist nicht wie ich. Ich habe nie irgendwo reingepasst, denn ich kenne die Form der Schubladen nicht. Ist man also nur im Takt intakt?
Ich bin ein törichter Narr, und ein weltfremder Träumer, und ein unvollkommener Mensch.
„Well done“? Vielleicht bin ich kein guter Mensch, ein schlechter aber auch nicht. Ich schätze, ich bin einfach nur ein Mensch, ohne ein Adjektiv dran. Denn Menschen brauchen keine Adjektive, um Menschen zu sein.
Alle wachsen über sich hinaus, doch wer davon blüht auf?
Ist man nur im Takt intakt?
Müssen wir perfekt sein, um stolz auf uns sein zu dürfen?
Wenn nur Plan A zählt, folgen doch alle Schema F.
Wenn wir nur sehen, wer wir sein sollen, werden wir nie wissen, wer wir sind.
Wir sind Touristen in unserem eigenen Leben, denn die Menschen, die wir sein wollen, gibt es nicht.
Und doch glaube ich, dass wir mehr sind als das, was wir zu sein glauben. Nicht perfekt, aber mehr. Und natürlich dürfen wir stolz sein.
Schon vor unserer Geburt haben wir gewonnen gegen Millionen, die so waren wie wir. „Wir tragen Narben, die beweisen, dass sich Kämpfen manchmal lohnt. Wir bauen Brücken aus Vertrauen. Und es kann schon sein, dass man die größten Schritte nicht mal merkt.“ (Metrickz) Aber wir brauchen kein Ziel um zu bemerken, dass uns irgendwas bewegt.
„Wir leben kürzer als wir denken und lieben länger als wir wollen.“ (ebd.) Denn unsere Herzen sind nicht so elastisch, wie wir sie gerne hätten. Und doch wir sind von innen größer als von außen.
Das musste auch ich erst lernen.
Während meines Praktikums im Kindergarten vor einigen Semestern kam ein 4jähriges Mädchen freudestrahlend auf mich zugerannt. In der Hand hielt sie einen Stein, diesen Stein. Sie hielt ihn mir entgegen. „Oooh, ist der für mich?“, fragte ich. Sie nickte und ich war schwer begeistert. Ich betrachtete den Stein, der nun in meiner Hand lag. Er war nun wirklich keine Schönheit, ein gewöhnlicher Stein eben.
Das Mädchen muss wohl meinen Blick gesehen haben, denn sie nahm meine Hand und führte sie mit samt dem Stein in einen Sonnenstrahl, der durch die Baumkronen fiel. Und dann konnte ich es auch sehen: Er ist wunderschön. Er glitzerte und funkelte im Licht der Sonne, und mir wurde bewusst, dass mir das kleine Mädchen gerade ihren größten Schatz geschenkt hatte.
Oftmals unterschätzen wir uns selbst, sehen unsere Möglichkeiten nicht und fixieren uns auf unsere vermeintlichen Schwächen. Wir verschließen beide Augen vor dem, wer wir sind, und wollen doch alle anderen erkennen.
Und so unterschätzen und verurteilen wir andere Menschen auf die selbe Weise wie wir uns selbst. Wir können in diesen Momenten nicht sehen, dass unser Gegenüber womöglich gerade eine schwere Zeit durchmacht. Wir können nicht sehen, was ihn gerade belastet. Wir können nicht sehen, welche Schatten gerade über ihm liegen.
Aber selbst in unseren dunkelsten Stunden ist Gott bei uns. Wenn wir aus allen Wolken fallen, ist Er unser Anker. Wenn wir geblendet sind von den Schatten in unseren Köpfen, tanzen unsere Schatten in Seinem Licht. So heißt es im Psalm 23: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir ...“
Manchmal brauchen wir eine Hand, wie die des kleinen Mädchens, die uns wieder ins Licht führt, damit wir sehen können, damit wir wieder strahlen können.
Gott gibt die Hoffnung nicht auf, selbst wenn wir es schon längst getan haben.
Gott liebt uns wie ein Vater es tun sollte, selbst wenn wir es nicht mehr können.
Und Gott glaubt an uns, selbst wenn wir es nicht tun.
In dem Lied Privileg heißt es: „Wenn du sagst, an Gott glaub´ ich nicht, sag´ ich dir, Gott glaubt an dich.“ Es ist gut jemanden an seiner Seite zu wissen, der einem auch in Zeiten des Zweifelns beisteht.
Ich hoffe, dass wir spüren können, wenn jemand eine solche Hand braucht.
Ich hoffe, dass wir einander ein Licht sein können.
In seiner Bergpredigt sagte Jesus: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5,14-16)
Und so sollten wir aufhören auf ein Wunder zu hoffen und endlich selbst eines sein.
Es wird immer jemanden geben, der klüger ist. Jemanden, der schöner ist. Jemanden, der besser ist. Es wird immer jemanden geben, der etwas härter arbeitet. Jemanden, der keine Angst hat weiter zu gehen. Jemanden, der mehr glaubt. Jemanden, der ein bisschen weniger kaputt ist.
Aber für Gott sind wir immer gut genug. Wir sind mehr als nur ein Zufall, wir sind gewollt. Für Gott sind wir „well done“. Der Mensch von Gott nach seinem Ebenbild erschaffen und der Heilige Geist, der uns alle miteinander verbindet, ein Stück von Gott in uns.
Wie können wir dann behaupten wir seien nicht wertvoll?
Wie können wir nur denken wir seien nicht liebenswert?
Wie können wir bloß glauben wir seien nicht würdig?
Und natürlich dürfen wir stolz sein. Auf dass wir eines Tages in den Spiegel schauen und zu Gott sagen können: „Well done.“
Ob ich das irgendwann kann?
Vielleicht habe ich keine Ahnung. Aber vielleicht ist das okay.
Musik dazu:
Who Am I - Casting Crowns
We Are - Kari Jobe
Perfect - Topic, Ally Brooke
Scars To Your Beautiful - Alessia Cara
Was Du Bist - Curse
Schön genug - Lina Maly
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