Langsam trat ich in die Wohnung und die Tür fiel mit einem Klacken in ihr Schloss. Ich seufzte schwer und wischte mir über die Wangen. Nässe drang in meine Kleidung und ich holte zittrig Luft, doch es wurde nicht besser. Mein Herz zog sich mit jedem Schlag schmerzhaft zusammen und jeder Atemzug war schwerer als der davor.
Dort war das Rascheln und leise Fiepen von Akirai und ich lächelte unter den Tränen. Meine Hand strich über das Holz bevor ich mich davon abstieß und tiefer in die Wohnung trat. Meine Tasche glitt von meiner Schulter und ging dann zu Boden, als ich in meinem Zimmer ankam. Doch ich stoppte erst als ich vor dem Käfig von Akirai stand und mich niederließ.
Sie kam sofort angerannt und sah mich mit großen Augen an, bevor sie ungeduldig an den Gitterstäben nagte. Erneut lächelte ich, schniefte und wischte mir noch einmal über die Wangen.
„Danke“, flüsterte ich ihr zu, bevor ich die Käfigtür öffnete und sie herausholte. Sofort gurrte sie und ich strich durch ihr weiches Fell. Diese kleine Wärme, die mich sanft umspielte, drang in mein kaltes Herz und vertrieb die Erinnerungen an deine Ablehnung ein wenig. Nahm mir den Schmerz und die Einsamkeit. Dennoch konnte ich nicht davon ablassen.
„Warum ignoriert er mich schon wieder, Akirai? Was erhofft er sich damit?“ Meine Gedanken entwirrten sich ein wenig und die Last auf meinen Schultern wurde leichter, sodass ich weitersprach und in Akirais dunkle, verständnisvolle Augen sah.
„Ich dachte, dass uns nichts mehr trennen kann und jetzt ist es wie damals, als unser Vater ihm den Kontakt zu mir verboten hat.“ Ich seufzte erneut und lehnte meine Stirn gegen ihre. Ihre Schnurrhaare kitzelten mich leicht und ihr Körper vibrierte, doch sie blieb und drückte ihren Kopf sogar leicht gegen meinen. Eine Nähe, die ich gerade sehnlichst brauchte und sie gurrte erneut leicht.
„Hab ich irgendetwas falsch gemacht, als er hier übernachtet hat? Hat er vielleicht die Botschaft verstanden? Weiß er es?“ Ich nahm Abstand zu ihr und unsere Blicke begegneten sich erneut, bevor sie sich streckte und mir kurz über die Wange schleckte. „Oh Gott, Akirai, das darf nicht passieren. Er darf es nicht wissen. Dann wird er mich doch hassen.“
Dann hättest du es leugnen müssen. All die Andeutungen. Er müsste schon ignorant oder strohdoof sein, damit er es nicht bemerkt hätte. Du kannst froh sein, dass er deinen Ständer bei der Umarmung nicht mitbekommen hat.
Ich knurrte, als die Stimme zurückkehrte. Sie sollte endlich verschwinden, doch es erklang nur ein höhnisches Lachen. So oft hatte sie mir geholfen, doch seit du aufgetaucht bist, war sie nur noch eine Last für mich.
Bin ich dir nicht mehr gut genug? Willst du mich nicht mehr bei dir haben? Das ist lächerlich, Tsuki. Du brauchst mich. Ich bin der Einzige, der dich niemals verlassen wird. Alle um dich herum gehen oder sterben. Das wirst du schon noch erkennen. Stück für Stück lassen sie dich alleine. Bis es nur noch wir zwei sind. Oder willst du wieder ganz allein sein? So wie damals?
Ich erschauderte bei der Erinnerung, als die Stimme das erste Mal zu mir kam. Es war kurz nach meinem Selbstmordversuch, im Krankenhaus. Mutter und die Ärzte reagierten seltsam darauf und so verschwieg ich ihre Existenz.
Das war auch besser so. Schließlich willst du dich doch nicht mehr von mir trennen, oder? Ich gebe dir doch so gut Tipps und lasse dich auch nie alleine. Nicht so, wie all die anderen um dich herum. Du solltest dich also glücklich schätzen, dass du mich hast. Andere haben nur sich alleine.
Erneut schnaubte ich und begegnete dem fragenden Blick von Akirai, bevor ich ihr dann beruhigend über den Kopf strich und nicht mehr auf diese Provokation einging. Ich wollte mich jetzt nicht mit ihr streiten, sondern verstehen, was mit dir los war.
Hab ich dir doch schon gesagt: Er weiß es und jetzt hasst er dich.
„Vielleicht hat er nur bemerkt, dass nicht unser Vater das Problem ist, sondern ich. Wenn ich nicht wäre, dann würde sein Vater ihn sehen. Dann wäre Taiyo sein Erstgeborener und all der Streit wäre nicht gewesen. Will er mich jetzt genauso wie unser Vater ignorieren, damit er die Rolle hat, die ihn für unseren Vater sichtbar macht?“ Erneut begegnete ich Akirais Blick, doch sie stupste mich nur gurrend mit ihrer Nase an.
„Ja, du hast Recht. Das ist Schwachsinn. Er hat mir doch damals deutlich gesagt, dass er davon nichts hält.“ Erneut ein Seufzer, der meine Worte unterstrich, und ich streichelte Akirai weiter, die sofort freudig gurrte. Ihr weiches Fell und diese schon fast meditative Bewegung beruhigten mich und ließen auch die Tränen versiegen.
Aber er weiß, dass du geil auf ihn bist, und das ist Grund genug um dich zu meiden. Kapier es endlich. Du bist mit der Tür ins Haus gefallen und hast ihn zerquetscht.
Ich schüttelte den Kopf, um diese Worte loszuwerden, doch dort war nur wieder das Lachen, das mich Stück für Stück zerriss und Wunden schlug, die nie wieder verheilten. Wieso konnte sie nicht verschwinden? Ich brauchte sie nicht mehr. Sollte ich mir doch Hilfe holen? Es meiner Mutter sagen. Das Lachen erstarb.
Das solltest du ganz schnell vergessen. Ich bin alles, was du hast und was dir am Ende bleibt. Verlierst du mich, wirst du wieder einsam sein und auch der letzte Rest von Glück wird verschwinden. Das verspreche ich dir, Tsuki.
Glück? Ich lachte bitter auf, sodass Akirai erschrak und ich ihr entschuldigend über den Rücken strich. Sofort entspannte sie sich wieder. Glück hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Nicht mehr, seit Timmy erfuhr, dass ich schwul war. Nicht mehr, seit ich mir selbst darüber bewusst wurde und ich krampfhaft versuchte, es zu verstecken.
Glück existierte nicht mehr für mich. Manche würde sagen, dass es Glück war, dass wir einander getroffen haben, doch das war es nicht. Sondern es war mein endgültiges Verderben. Du warst mein Untergang.
Endlich hast du es verstanden.