„Komm Sunna, es ist gleich 08:00 Uhr. Die Sitzung geht gleich los.“ Sagt Claudine in leisem Ton zu ihrer besten Freundin und drückt die schwere Eichenholztür zum Sitzungssaal auf. Nahezu geräuschlos schwingt sie auf. Ein modriger Geruch von Dunkelheit und Staub und altem muffigen Mobiliar drängt ihnen entgegen. Claudine und Sunna rümpfen ihre Nasen. „Ach Gott, was habe ich diesen Geruch vermisst.“ Sagt Claudine meinem leichten Unterton von Sarkasmus. Beide gehen weiter in den Saal hinein und die Treppe Stufe für Stufe hinab. Weitere Personen treten ein. „Lass uns weiter nach unten, so nah wir möglich heran gehen und uns Plätze suchen. Wir wollen ja schließlich auch was lernen.“ Lachte Claudine, nahm Sunna bei der Hand und zog sie hinter sich her. Ein rumoren durchzieht den Sitzungssaal als sich viele weitere Gäste zu ihren Plätzen begeben. Dann und wann ist ein quietschen von Holz, ein Rascheln von Tüten, ein klappen von Ledertaschen und das aufziehen von Reißverschlüssen wahrzunehmen. Es dauert eine ganze Weile bis alle sich entsprechend positioniert haben und zur Ruhe gekommen sind und endlich Stille einkehrt. Hin und wieder ist noch ein leisen knarzen und quietschen zu hören. Die Stühle sind eben schon etwas älter. Weiter unten im Sitzungssaal, dort wo der Dozent stehen wird ist hinten an der Wand weiter oben ein großes Display angebracht, auf dem ein bestimmtes Symbol, eine Art Zeichen in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund dargestellt wird. Aus den Lautsprechern links und rechts ertönt wiederholend das Wort „Sigma“ hin und wieder leicht verzerrte als würde ein Roboter es aussprechen und dabei Probleme haben, weil er Routinen unterliegt, die seine einzige Aufgabe hin und wieder unterbrechen. Es ist vergleichbar mit alten Telefonaten oder noch älteren TV-Sendungen in denen es ähnliche Störungen gab.
Das Licht im Saal verdunkelt sich und eine Reihe von 5 Spots oberhalb der Bühne erstrahlen den Arbeitsplatz des vortragenden Dozenten, der soeben forschen Schrittes durch eine Seitentür hinter der Bühne hervortritt und direkt auf das Podium zugeht. Der Dozent, eine eher unauffällige sehr konservative Erscheinung mittleren Alters holt aus seine Jackett-Innentasche einen Stapel an Dokumenten hervor und breitet diese auf dem Podium aus. Dann nimmt er einen Schluck Wasser aus dem Glas welches vor ihm steht, zieht seine Fliege am Hals etwas zurecht, schaut in die Menge und taxiert jede einzelne Reihe. Ein dünner auffällig bunter Schal um schmiegt seinen Hals, ist dabei einmal umschlungen und lehnt auf seinen Schultern. Die beiden Enden des Schals hängen lässig nach vorn über und zieren das ansonsten grau braune Jackett. Ohne seinen Blick von den Sitzreihen abzulassen wendet er sich vom Podium ab und geht ein paar Schritte auf sein Publikum zu. Sein starrer und kaltwirkender Blick seiner stahlblauen sehenden Augen wandert weiter durch die besetzten Reihen seiner Gäste. Besieht jeden einzelnen und eröffnet schließlich die Lesung mit den Worten „Guten Morgen meine Damen und Herren. Es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind um etwas über das heutige Thema Der SIGMA-Mann von mir zu erfahren. Also, dann wollen wir mal loslegen.“ Und klatscht dabei einmal in seine Hände die er abschließend aneinander reibt.
Da erhebt Sunna ihre Hand. „Ah ich sehe es gibt bereits eine Frage? Dabei habe ich doch noch gar nichts gefragt.“ Schmunzelt der Dozent und wendet sich der freundlichen Stimme zu. „Ja Sir“ entgegnet Sunna. „Wenn Sie erlauben, können Sie mir bitte erklären was das für ein Zeichen dort an der Wand ist und weshalb aus den Lautsprechern immer nur das Wort Sigma herauskommt?“ führt Sunna ihre Frage an. „Ah, direkt auf den Punkt, das mag ich. Ach so können wir bitte mal die Lautsprecher abschalten, danke. Denn schließlich haben wir bereits angefangen und wollen nicht mehr als möglich von diesen Geräuschen belästigt werden. Doch zunächst, wie lautet ihr Name?“. „Mein Name?“ fragt Sunna zurück. „Ja, ihr Name. Ich möchte doch annehmen, dass Ihre Eltern Ihnen einen Namen gegeben haben.“. Er starrt Sunna direkt an, weicht nicht von ihr ab und lauscht gespannt dem was Sunna zusagen hat. „Nun, mein Name ist Sunna.“ Sagt sie etwas eingeschüchtert. „Ah Sunna.“ Wiederholt der Dozent, sodass es alle hören können. „Sunna … Sunna.“ Wiederholte er abermals in Gedanken versunken.
„Wurden Sie früher in der Schule oft gehänselt, geärgert und verbal beleidigt?“ fragt er Sunna direkt. Ohne die Antwort abzuwarten macht er kehrt auf dem Absatz, greift aus einer Schale ein Stück kreide, geht forschen Schrittes zur Tafel und schreibt dort den Namen Sunna. „Haben Sie Ihren Namen schon einmal spiegelverkehrt gelesen oder gar ausgesprochen?“. Er dreht sich wieder zum Publikum und schaut Sunna direkt an. Sunna verstand nicht was gerade hier passierte und wusste nichts zu antworten. Der Dozent dreht sich wieder zur Tafel um, zeichnet einen Gedankenstrich und schreibt den Namen Sunna spiegelverkehrt hin während er es leise und dennoch hörbar für alle vorliest. „Annus. Liebes hat man Sie früher als Arschloch beschimpft und benannt? Auf Grund Ihres Namens Sunna wäre das durchaus denkbar und macht Sie dadurch zu einem perfekten Opfer. Sind Sie demnach also ein Arschloch-Kind? Doch und allerdings, das ist nicht unwichtig Sie werden sicher mit zwei nn in der Mitte geschrieben was so viel bedeutet wie das Jahr, unabhängig von gut oder schlecht.“ Mit begeisterungsvollem Ton und Schwung verlieh der Dozent seiner Stimme bei diesen Ausführungen Kraft. Sunna sitzt auf Ihrem Stuhl wie gelähmt als im Publikum ein höhnendes Gelächter aufbraust. „Nein, nein, nein meine Damen und Herren. Das ist nicht lustig. Hören Sie auf zu lachen, hören Sie sofort auf!“ befahl der Dozent mit Nachdruck in seiner Stimme während er seinen Blick weiterhin auf Sunna gerichtet hat, sich von der Tafel löst und mit langsamen Schritten auf Sie zu geht. Mit sanfter Stimme sagt er zu ihr „Es tut mir leid, bitte verzeihen Sie meine Ausführungen und Überlegungen.“. „Schon gut.“ Entgegnet Sunna, während Sie ihre Tränen mit einem Taschentuch weg tupft.
„Nun gut, Herrschaften. Kommen wir zu der Beantwortung von Sunna´s frage. Was ist die Bedeutung von SIGMA? Mmmhhh weiß es jemand? Irgendjemand? Hat auch nur einer von Ihnen eine Idee davon was SIGMA bedeuten könnte?“. Der Dozent dreht seinen Kopf von links nach rechts über alle Sitzreihen hinweg und schaut in gelangweilte nichts wissende Gesichter.
„Der Begriff SIGMA hat verschiedenste Bedeutungen. Doch den Ursprung haben sie alle gemein. SIGMA ist ein Begriff aus der Griechischen Welt, der später in das Lateinische und andere Sprachen übernommen wurde. Vielmehr ist es nicht mehr als ein einzelner Buchstabe des griechischen Alphabets. Ich möchte doch hoffen, dass Sie all hier sind, da Sie das Studienfach der Psychologie und Soziologie belegt haben. Denn unter Berücksichtigung dieser Themenschwerpunkte werden wir uns heute dieses Wortes annähern. In der Psychologie als auch Soziologie beschreibt das Wort SIGMA, welches Sie durch das hier oben dargestellte Symbol dargestellt sehen, einen bestimmten Persönlichkeits- einen sogenannten Archetypen. Vielleicht klären wir zunächst was ein Archetyp ist.“. Der Dozent schreitet langsam von links nach rechts und wieder zurück, während er immer wieder in das Publikum blickt und seine Hände an einander reibt.
„Der Archetypus oder geläufiger Archetyp bezeichnet in der analytischen Psychologie die dem kollektivem Unbewussten zugehörig angenommene dynamischen Grundstrukturen menschlicher Vorstellungs- und Handlungsmuster. Haben das alle verstanden? Gut.“ Und er verschränkt seine Hände auf dem Rücken während er seinen Blick kurz zu Boden richtet nur um einmal kurz Luft zu holen.
„Der Begriff SIGMA beschreibt also einen bestimmten Archetyp, einen Persönlichkeitstypus. Dieser Persönlichkeitstypus ist eher selten anzutreffen und manifestiert sich dergestalt, unabhängig von allem, nicht konform mit hiesigen Regeln und von introspektiver Natur zu sein. Auch das haben Sie hoffentlich alle verstanden. Auf die Einzelheiten gehen wir später weiter ein. SIGMA ist ebenfalls in der Mathematik und in Statistiken anzutreffen. Dort allerdings eher um Summen zu evaluieren und darzustellen. Also eher langweiliges und wenig anspruchsvolles Zeug. Auch in der Technik im Ingenieurswesen hat SIGMA seinen Platz um komplexe mathematische Funktionen und Reihen abzubilden. Und wieder einmal Mathematik. Nun ja wenn auch das eine Naturwissenschaft ist, so ist sie doch recht öde verglichen mit den Fachbereichen in denen wir uns befinden. Zweckentfremdet wird dieser Begriff meines Erachtens allerdings in der sogenannten Popkultur, in der vereinzelte Menschen sich als SIGMA bezeichnen um sich als etwas Besseres darzustellen. Welche ein Hohn. In der Regel haben diese Menschen keine Ahnung wovon sie da reden. Doch der entscheidende Aspekt ist der, der in der Psychologie und Soziologie begründet ist. In der wir durch diese Archetypen unterschiedlichste Menschliche Modelle, Ideen von Mensch sein in Kategorien einteilen. Davon gibt es ganze fünf stück. Und übrigens gibt es diese Typen sowohl für Frauen als auch Männer, wenn auch mit geringen geschlechtsspezifischen Erwartungen und Unterschieden.“
Die Ruhe im Sitzungssaal ist kaum auszuhalten. Es ist als hätten alle anwesenden zeitgleich das Atmen eingestellt. Würde man eine Stecknadel fallen lassen, man würde sie fallen hören und der Aufschlag käme einem lauten Schlag oder Donner gleich.
„Also welche Archetypen kennen wir denn noch?“ fragt der Dozent herausfordernd. Noch immer herrscht unheilvolles Schweigen. Erst nach einer Weile des Schweigens fährt der Dozent fort „Nun da wären Alpha, Beta, Gamma, Omega und schließlich Sigma. Wie sie sehen und sicher alle wissen, handelt es sich bei der Bezeichnung ausschließlich um Buchstaben, welche aus dem griechischen Alphabet stammen. Und worin liegen hier nun die Unterschiede? Der Mensch in seinem Forschungs- und Tatendrang hat es geschafft, den Menschen ganz gleich ob männlich oder weiblich in fünf Kategorien einzuteilen. Diese müssen sich doch durch irgendetwas voneinander unterscheiden? Sonst macht der ganze Quatsch doch überhaupt keinen Sinn!“. Der Dozent hält seine rechte Hand hoch, an der er die fünf Kategorien des Menschseins abzählt und blickt erwartungsvoll mit starren blick in das Publikum.
Nichts, keine Reaktion. Niemand der dieser Lesung beiwohnt hat eine Antwort parat oder regt sich. Es ist fast so als würden in den Rängen auf den Stühlen seelenlose Puppensitzen und dem Dozenten als einzig menschliche Person zuhören. Eine gespenstische Szenerie, wenn man sie aus der Ferne und stiller Beobachter betrachtet. Aus der Ferne hört man einen Bus hupen, eine Tür klappen und einen Mann unflätige Worte brüllen.
„Nun, wenn der einzige Kommentar außerhalb dieses Saales ist, dann schauen wir uns einmal gemeinsam den ALPHA-Mann an, der ein traditionell dominanter Archetyp ist. In der Regel ist ein ALPHA-Mann sehr extrovertiert in seinem Verhalten und weist ein hohes Potential an Führungsqualitäten auf, wobei er hierbei auch sehr aufbrausend sein kann und bis hin zur ausgeprägten Cholerik neigt. Was wohl auch der Grund dafür sein dürfte, das man diesen Typus-Mann oft in Führungs- und Management-Ebenen wiederfinden wird. Was kann man über diesen Typus-Mann noch alles sagen? Nun, als extrovertierte Person ist er in sozialen Hierarchien meist an der Spitze als Rädelsführer eingesetzt. Sie haben eine starke physische Präsenz und verfügen über ein enormes Durchsetzungsvermögen. Wenn also ein ALPHA-Mann sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann wird er das durchdrücken um jeden Preis. Er ist von raschen Entscheidungen geprägt was dazu führen kann, das andere sich von ihm überrumpelt fühlen. Das geht einher mit einem hohen Maß an Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Sie werden es niemals erleben das ein ALPHAM-Mann strauchelt oder eine einmal getroffene Entscheidung zurücknimmt, sich Fehler eingesteht, sich entschuldigt oder gar revidiert. Er ist wie ein großer Fels in der Brandung, stark, dominant, strotzt vor Sicherheit und ist unumstößlich. Vor allem hat er immer recht. Er strebt nach Anerkennung sowohl in den sozialen Bereichen als auch und dort besonders im Beruflichen. Daher ist Erfolg das erklärte Ziel. Ein ALPHA-Mann definiert sich primär durch seinen beruflichen Erfolg und die daraus resultierende Anerkennung. Auf Frauen wirkt das mitunter sehr attraktiv anziehend da es ein Bild von Stärke und Sicherheit zeichnet. Doch Vorsicht ist hier allemal geboten, denn das kann ein Trugschluss sein, eine Fatamorgana, ein Trugbild. Denn die Erfahrung lehrt, wer beruflich Fachlich hochqualifiziert ist und dies auch nach außen zeigt und auslebt ist menschlich betrachtet auf der sozialen Ebene genau das nicht und verhält sich hier oft wie ein bockiges oder hilfloses Kleinkind. Man könnte also sagen je fachlich qualifiziert und weiter oben in der Hierarchie in ALPHA-Mann angesiedelt ist desto mehr ist ein soziales Arschloch.“
„Hören Sie mir noch zu oder sind Sie bereits eingeschlafen?“. Der Dozent schwenkt seinen Kopf hin und her während er in die stillen Reihen blickt. Nach einer Weile erhebt sich zögerlich ein Arm aus der Menge. „Sir, ich hätte da eine Frage.“ Ertönt eine leise Stimme. „Ah es lebt also doch noch jemand.“ Der Dozent formt eine Hand zu einer Muschel die er an sein Ohr legt um den jungen Mann besser hören zu können. „Ja bitte, nur zu. Welche Frage haben Sie?“ forderte er den jungen Mann auf seine Frage zu stellen. „Muss man vor einem ALPHA-Mann Angst haben?“ stotterte er die Frage kleinlaut heraus, als würde sie ihm bröckchenweise aus dem Mund fallen. „Nun, das hängt davon ab was sie ihn fragen wollen. Natürlich gibt es auch hier unausgesprochene Regeln die Sie als Fragender unbedingt einhalten sollten um sich nicht seinen Zorn auf sich zu ziehen. Stellen Sie ihm niemals eine Frage die seine Autorität untergraben könnte. Stellen Sie niemals seine Entscheidungen offen in Frage wie zum Beispiel „Sind Sie sicher, dass wir das genauso tun sollen?“. Sie würden nicht nur einen Bösen Blick kassieren der sie in den bodenlosen Abgrund sämtlicher Höllen katapultieren würde. Im Nachgang würde er Sie zu sich zitieren und Sie zum Mittag verspeisen bis nichts mehr von Ihnen übrig ist. Gleiches gilt für Fragen die an seiner Kompetenz Zweifel tragen. Etwas milder könnte seine Antwort lauten, wenn Sie versuchen würden ihn persönlich an seine Charaktereigenschaften zu appellieren. Ein ALPHA-Mann wird niemals um Hilfe fragen. Man könnte das mit Stolz oder verletztem Ehrgefühl beschreiben, wenn man ihn fragte warum er nicht nach Hilfe fragte. Also, wer Angst vor solchen Menschen hat, der sollte es nach Möglichkeit vermeiden ihn auf persönlicher oder beruflicher Ebene in Frage zu stellen. Seien Sie eher sachlich und fachlich. Nehmen Sie ihn und seine Entscheidungen ernst. Dann wird ihnen auch nichts passieren.“.
Stille, schon wieder diese Stille. „Ist damit Ihre Frage beantwortet, junger Mann?“ erkundigte sich der Dozent nach seinen Ausführungen. Er griff zu seinem Wasserglas und nahm einen Schluck während der den jungen Mann in seiner Reihe auf seinem Stuhl erwartungsvoll anblickte. „Ja, Sir, danke.“. Nachdem er das Glas absetzte, „Gibt es noch weitere Fragen? Denken Sie immer daran, wenn Sie einem ALPHA-Mann begegnen. Respektieren Sie seine Selbstsicherheit und seinen Führungsanspruch. Stellen Sie niemals seine Kompetenz, seine Entscheidungen oder seinen Charakter in Frage. Seien Sie in ihrer Kommunikation zu einem ALPHA-Mann konstruktiv und respektvoll. Tun Sie das nicht, wird er Sie vor versammelter Mannschaft auseinandernehmen und Ihre Eingeweide über den ganzen Boden verteilen.“.
„Wenn sonst keine weiteren Fragen sind, dann kommen wir zu dem nächsten Archetypen, dem BETA-Mann.“ Sagte der Dozent und kreuzte seine Hände hinter seinem Rücken als er mit seinen Füssen zweimal leicht wippt und seinen Körper dadurch ebenso oft in die Luft hebt.
„Also der BETA-Mann ist nicht nur wegen der Bezeichnung an sich aus dem Griechischen Alphabet der zweite Buchstabe, sondern folgt dem ALPHA-Mann direkt auf dem Fuße. Er unterstützt den ALPHA-Mann ohne dabei besonders dominant zu sein. Er ist eher der Handlanger des ALPHA-Manns, sein Diener. Auf diese Weise sind sie ein idealer Teamplayer, sind kooperativ und suchen eher die Harmonie in ihrem Schaffen, gegenüber dem ALPHA-Mann. Anstatt gesellschaftliche Normen und Regeln zu hinterfragen, passen sie sich ihnen an. Sie sind also die geborenen Mitläufer, Ja-Sager und perfekte Sklaven. Um Ihre Gunst gegenüber einem ALPHA-Mann zu steigern treten sie oft als sehr freundlich, zuvorkommend und umgänglich auf. Zu Personen die eher nicht zu ihres Gleichen oder höher anzusiedeln sind, verhalten sie sich entsprechend gegenteilig. Sie treten nach unten um ihre Position aktiv zu verteidigen und zu stärken. Sie wären somit auch die perfekten Meuchelmörder. Sie lächeln dir ins Gesicht während Sie dir hinterrücks einen Dolch zwischen die Rippen Jagen, nur weil ein ALPHA-Mann ihnen diesen Auftrag erteilte. Der BETA-Mann ist also eher eine tragische Gestalt die zwischen den Stühlen sitzt und versucht sich in alle Richtungen zu behaupten, koste es was es wolle.“
„Ich nehme an, dass es auch weiterhin und bisher keine weiteren Fragen gibt und Sie alles verstanden haben was ich Ihnen bisher gesagt habe. Machen Sie sich gerne Notizen, das wird Ihnen ganz sicher helfen.“
„Kommen wir als nun zu einem Archetypus der schon seltener in Erscheinung tritt und der oft als intellektuell und introvertiert gilt. Der GAMMA-Mann zeichnet sich dadurch aus das er recht intelligent ist bzw. wirkt und in all seinen Dingen und Themen analytisch vorgeht. Die zwei für ihn wichtigsten Tätigkeiten denen er nachgeht ist das Denken, das Nachdenken und lernen. Man könnte meinen, dass der GAMMA-Mann der reinste Langweiler wäre da er sich mehr mit der Theorie und Philosophie von Dingen beschäftigt als mit seinen Mitmenschen. Tja, was soll man sagen, das stimmt wohl zu einem großen Teil. Was ein GAMMA-Mann bevorzugt sind unter anderem tiefgreifende Gespräche, er gilt als eher introvertiert und liebt intellektuelle Herausforderungen. Somit ist ein Puzzle oder Rätsel genau das richtige für ihn. Auch könnte ein GAMMA-Mann hervorragend in die Kriminalistik eingesetzt finden. Denn dort gibt es oft mehr Rätsel die es zu lösen gilt, als manch einem anderen lieb wäre. Man kann nun nicht davon reden das ein GAMMA-Mann dominant wäre. Bei Leibe nicht, eher im Gegenteil. Er verhält sich oft im Hintergrund und ihm genügt was er hat, was er ist und strebt nach keinen besonderen Zielen. Also ein ziemlich ruhiger, ausgeglichener und unscheinbarer Zeitgenosse.“
Eine ganze weile Vergeht nach diesem Absatz. Und wie zu erwarten ist, ertönt kein Laut, kein Einwand. Alles, was zu hören ist, ist das rauschen der angeschalteten Elektronik und gelegentlichen Geräuschen die von außen in den Sitzungssaal hineingeleitet werden.
„Der OMEGA-Mann hingegen ist noch weniger dominant als der GAMMA-Mann, der sich von selbst aus gern von allem isoliert und strebt nach Unabhängigkeit. Klingt schon jetzt nach einem Außenseiter, nicht wahr. Nun, dem ist auch so, denn er zieht es vor alleine mit sich selbst zu seien und hat keinerlei Interessen an sozialen Bindungen. Wenn es also nicht unbedingt sein muss, dann werden sie sich niemals mit anderen Menschen auseinandersetzen, sei es nun im privaten gleichwohl wie im Beruflichen Kontext. Auch streben Sie dadurch keinen beruflichen Aufstieg an. Sie wollen mit sich selbst in Ruhe gelassen und von nichts und niemanden behelligt sein. Spricht man einen OMEGA-Mann an, so kann es passieren, dass man nicht mehr als ein Grummeln als Antwort erhält. Böse Zungen würden sagen das er durchaus faul und bequem wäre, da er sich in nichts einbringt, keine besonders hervorzuhebende Leistung erbringt und einfach so vor sich hinvegetiert. Der OMEGA-Mann grenzt sich gern von gesellschaftlichen Norman ab und verfolgt fast ausschließlich seine eigenen persönlichen Bedürfnisse. Daher lassen sie sich auch kaum von anderen in ihrem Handeln und denken beeinflussen.“
„Fragen, weitere Fragen? Nein? Keine bislang?“ fragt der Dozent mitten in den Sitzungssaal in die Reihen seiner Gäste und des allgemeinen Publikums. Doch wie zu erwarten, keine Reaktion. Wie Puppen, still und starr sitzen sie alle auf Ihren Stühlen, Reihe für Reihe und lauschen andächtig. Nur gelegentlich ist ein sanftes kratzen wie von einem Bleistift auf Papier zu vernehmen, wenn jemand sich eine Notiz macht.
„Dann wollen wir mal zusammenfassen was wir alles inzwischen so schönes haben. Da wäre zunächst der ALPHA-Mann, ein sehr forscher und entschlossener Leitwolf wie man gerne umgangssprachlich spricht, der keine Wiederworte duldet. Dann wäre da der BETA-Mann, der wie ein Arschkriecher und Speichellecker dem ALPHA-Mann hinterher eifert um ein Stück vom Kuchen und wenn es auch nur Brotkrumen sind abzuluchsen. Diese beiden Typen sind eher extrovertiert und direkt im Umgang mit sich und Ihrer Umwelt. Daher auch am deutlichsten präsent. Der GAMMA-Mann der immer hin etwas intelligenter ist und sich mit eher anderen Dingen befasst als ALPHA und BETA. Dafür kann man ihn oft als Langweiler bezeichnen denn bevor sich bei ihm und in seinem Leben etwas regt fällt eher der Mond auf die Erde. Und dann haben wir noch den Faulen und bequemen OMEGA-Mann den nichts zu interessieren scheint außer seiner kleinen persönlichen Welt und sich somit selbst von allem ausschließt. So also haben wir einen Leitwolf, seinen Sklaven, einen Langweiler und einen Faulen. Was fehlt uns dann noch? Kann sich irgendjemand erklären oder hat eine Idee ob und wenn ja, welchen Archetypen es noch geben könnte?“ fordert der Dozent sein Publikum mit erhobenen Finge zur Beantwortung auf.
Schweigen, wie zu erwarten stetisches ewiges Schweigen. „Hallo, sind Sie noch anwesend?“ fragt der Dozent erneut nach. Wie aus einem Guss, ertönt ein gemeinsames „Ja“ was doch eher wie ein Flüstern erschien im Vergleich zu einer Masse an Menschen die Lauthals voller Enthusiasmus und voller Energie sich Gehör verschaffen würde.
„Hat wirklich niemand eine Idee, nicht einmal einen Ansatz davon was es noch geben könnte außer den vier die ich Ihnen vorgestellt habe? Wie enttäuschend. Dann will ich Sie mal erleuchten und Ihr Gemüt ein wenig erhellen. Das Thema weshalb Sie alle hier sind und um das es geht, ist zunächst der griechische Buchstabe SIGMA wie Sie ihn hier über mir auf dem großen Bildschirm deutlich sehen können. Das SIGMA in unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens vorkommen kann, habe ich Ihnen ja bereits erklärt. Doch Sie sind alle hier um den psychologischen und soziologischen Aspekt zu ergründen und hoffentlich auch zu hinterfragen. Zumindest möchte ich das hoffen, denn sonst wäre mein Erscheinen heute hier die reinste Zeitverschwendung.“
„Der SIGMA-Mann,..“ der Dozent verweilt und lässt eine kleine Pause wirken während er selbst regungslos doch beobachten an seinem Podest steht. „… unterscheidet sich von den bisher benannten Archetypen durch seine einzigartige Kombination aus Unabhängigkeit und stiller Selbstsicherheit. So, darüber denken Sie mal einen Augenblick nach. Was heißt das, unabhängig und stille Selbstsicherheit. Was verbirgt sich hinter jedem einzelnen Begriff und was bedeutet das in Kombination?“ Der Dozent tippt sich bei diesen Worten mit dem Zeigefinger an seinen Kopf um zu verdeutlichen das es wichtig wäre sein Gehirn zu bemühen diese Fragen zu beantworten.
„Die Ausprägung der Unabhängigkeit eines SIGMA-Mannes ist sehr stark und lässt sich nicht einsperren. Das hat zur Folge das er sich außerhalb gesellschaftlicher und Normen und Hierarchien bewegt. Was natürlich und unweigerlich zu Konflikten mit seinen Mitmenschen führt. Denn insbesondere in den Kommunikationen entstehen immer wieder Missverständnisse zwischen ihm und seinen Mitmenschen. Der SIGMA-Mann sieht sich daher immer genötigt sich erklären zu müssen da andere ihn nicht verstehen und auch nicht verstehen können. Basierend auf dieser unumstößlichen Tatsache wird ein SIGMA-Mann oft fälschlicherweise als Spinner oder Idiot abgestempelt. Was nicht den Tatsachen entspricht. Denn hätte man ihm zugehört und vielleicht zwei drei Überlegungen mehr darüber angestellt, hätte man zum selben Ergebnis kommen können. Doch das wird nicht passieren, denn Sie haben nie gelernt über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Der SIGMA-Mann ist wie der eine, der eine aus dem Höhlengleichnis von Platon. Was besagt das Höhlengleichnis von Platon, kennt das einer von Ihnen?“ fragt der Dozent in die Runde.
Da erhebt sich eine Hand in die Höhe und eine junge Stimme meldet sich zu Wort. „Ja ich, ich kenne es.“. „Ah gut, es gibt also doch noch lebende unter den Toten. Wie ist dein Name liebes?“. „Ich heiße Claudine“ erfüllte eine zarte weibliche Stimmer abermals den ansonsten vollkommen stillen Raum.
„Willkommen Claudine, schön dass Du mir bisher zugehört hast. Du kennst also das Höhlengleichnis Platons? Dann erzähle uns allen davon was es damit auf sich hat.“. Gespannt mit halboffenem Mund, nur einen Spalt breit und fokussiertem starren Blick auf Claudine gerichtet, blickt der Dozent ihr entgegen, während er sich mit einem Ellenbogen auf seinem Podest interessiert abstützt.
„Platon besagt in seinem Höhlengleichnis das es dort einen Menschen gab der sich die Frage stellte woher die Schatten an der Wand kamen die sie sich alle wiederkehrend und mit großer Ehrfurcht ansahen. Keiner traute sich den Dingen auf den Grund zu gehen. Denn die Schatten malten große Bilder von Kreaturen an die Wand die größer und angsteinflößender schienen als sie selbst es waren. Doch nur einer unter ihnen wurde neugierig und fragte sich woher diese Schatten kamen. Also schaute er sich in seiner Höhle um. Ging von seinen Kameraden fort und blickte über den Eingang der Höhle hinaus. Er erkannte, dass es mehr gab außer der Höhle in der er mit den anderen bisweilen lebte. Und so kehrte er zu den seinen zurück um ihnen davon zu berichten und sie dazu zu bringen, ebenfalls so wie er selbst zu vor nachzusehen. Das Ergebnis der Überbringung dieser Nachricht das die Welt an sich größer sei als die Höhle in der sie lebten, schürte Angst bei den anderen und so erschlugen sie kurzer Hand den einen, der auszog die Welt kennenzulernen. Fortan lebten sie allein weiter nur in dieser Höhle.“ So war die umfangreiche Erzählung von Claudine.
Der Dozent klatschte begeistert. „Famos, einfach famos Claudine. Sie haben die Sache nicht nur verstanden, sondern auf den Punkt gebracht. Was ist es, dass uns dazu bringt weiterzumachen, sich zu entwickeln, stets nach neuen Erkenntnissen zu forschen, sich zu verbessern? Was ist es?“ stellt der Dozent erneut eine Frage in den Raum. „Es ist die Neugier.“ Tönte diesmal eine männliche Stimme aus der linken Seite. Der Dozent drehte sich rasch in die Richtung aus der die Stimme kam. „Wer war das, wer hat das gesagt, wie ist dein Name?“ drangen gleich drei aufgeregte Fragen aus dem Mund des Dozenten. „Mein Name ist Don.“ Und er erhob seine Hand als wolle er seinen Standort präsent machen um vom Dozenten gesehen zu werden. „Don, ja Don. Ganz richtig. Es ist die Neugier die uns beflügelt mehr aus allem zu machen was wir kennen und was wir sind.“
„Und da haben wir auch schon die Antriebsfeder die einen SIGMA-Mann dazu befähigt zu sein wer er ist. Es ist die absolute Unabhängigkeit, soweit wie möglich und seine stille Selbstsicherheit zur Erkundung, zur Verbesserung seiner Selbst. Er strebt nach Effektivität, ist dabei selbstgenügsam, denn es verlangt ihm nicht nach mehr als dem was er hat. Und darüber hinaus bedarf er keiner Bestätigung von außen. Ein SIGMA-Mann braucht niemanden der ihm sagt das er Recht oder Unrecht hat, der seine Taten bestätigt um zu wissen das das, was er tat richtig und gut ist. Er ist selbstsicher auf Grund der Tatsache alles selbständig und daher unabhängig erkundet und studiert zu haben. Darin liegt sein Erfolg. Sein Erfolg in der Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit. Dabei ist es so, dass alles was der SIGMA-Man tut nicht aufdringlich ist. Er stellt sich selbst niemals in den Vordergrund und ist eher der stille heimliche Beobachter und Analytiker im Hintergrund. Und zieht seinerseits Schlüsse und Erkenntnisse aus dem gesehenen, dem gehörten, dem wahrgenommenen aller seiner Sinne und dem erlebten. Er neigt zu einer selbstbewussten Zurückhaltung. Auch das wiederum hat Konsequenzen, denn er folgt in der Regel nicht den normalen gesellschaftlichen Normen, Erwartungen und Regeln der Gesellschaft. Nein, er hinterfragt sie sogar. Dadurch geht er gern unkonventionelle Wege wodurch er zwangsläufig eine andere Sichtweise auf die Dinge und die Welt hat als die anderen vier Archetypen. Ihnen ist das Konfliktpotential eines SIGMA-Mannes klar?“ fragt der Dozent in den Raum und holte erst einmal Luft nachdem er seinen euphorischen Beitrag soeben beendet hat.
Wiederum schweigen. Man könnte von betretenem Schweigen reden, so still ist es. Nach einigen Augenblicken findet der Dozent sein Wort wieder und fährt vort.
„Nein ist es nicht.“ Gab er selbst lauthals zur Antwort. „Denn sie können gar nicht ermessen was es bedeutet ein SIGMA-Mann zu seien und täglich gegen Windmühlen zu kämpfen.“. „Doch, ich kann.“ Ertönt abermals eine Stimme von links. Es ist dieselbe Stimme, die der Dozent schon einmal vernommen hat. „Don, nicht wahr.“ Entgegnete der Dozent und blickte kühl in seine Richtung.
„Dann, wollen Sie uns vielleicht davon berichten, nehme ich an.“ Und nickte dabei sanftmütig.
„Was soll ich berichten, wo soll ich anfangen?“. „Nun, sie scheinen die Unterschiede zu kennen. Vielleicht sind Sie selbst ein solcher SIGMA-Mann oder halten sich wenigstens für einen.“
„Doch wollen wir uns vorerst den anderen Aspekten und Eigenschaften des Letzten Archetypen einmal zuwenden.“ Unterbrach der Dozent den derzeitigen Vorgang und schickt sich an seinen ursprünglichen Beitrag zu vervollständigen. „Der SIGMA-Mann gilt als sehr anpassungsfähig und ist in der Lage sich in unterschiedlichster Weise, in sozialen Kontexten zu bewegen.“. Der Dozent wendet bei seinen Ausführungen den Blick nicht von Don ab, sondern starrt ihn direkt an. Fast so als würde er ein Plädoyer für ihn halten. „Sie motivieren sich selbst dadurch, dass sie an Ihren Zielen und Werten festhalten. Sie suchen nach persönlicher Erfüllung und handeln nach ihren eigenen Prinzipien. Sie sind stille und heimliche Beobachter, nehmen Ihre Umwelt und alles was darin passiert sehr genau und bewusst wahr. Er verfügt über außerordentlich gut ausgeprägte analytische Fähigkeiten die ihm helfen Menschen in ihren Handlungsweisen und Gedanken als auch deren Situationen in Korrelation zu Ihrer Umwelt schnell und sicher zu verstehen. Bei anderen wachen bzw. sehenden Menschen die ähnlich geartet sind scheint diese Art Mann eine geheimnisvolle und mystische Aura zu haben. Weshalb sich wenige von ihm unter anderem durch seine Unabhängigkeit und Selbstsicherheit angezogen fühlen. Doch in der Regel ist der SIGMA-Mann ein unverstandenes und missverstandenes Wesen. Es macht den anderen Archetypen Angst, da seine Weltanschauung anders ausgeprägt ist und sich von den kurzsichtigen anderen Menschen deutlich abhebt. Nicht selten ist ein SIGMA-Mann ein Schachspieler. Vielleicht ein weiterer Grund weshalb man Schach auch das Spiel der Könige nennt.“
Für einen kurzen Augenblick schaut sich der Dozent im Saal um. Schaut in die Gesichter seiner Gäste und Zuhörer. Als er dann wieder auf diesen einen Sitzplatz blickt, findet er nur einen leeren Stuhl vor.
„Don, sind Sie noch da? Habe ich Sie richtig skizziert?“ spricht der Dozent Don direkt an. Doch Don sitzt nicht mehr auf seinem Stuhl. Er ist verweist. Das letzte was der Dozent noch von ihm sieht, ist die sich langsam schließende Türe des Sitzungssaales. Ein immer dünner werdender Lichtstrahl verdunkelt sich zunehmend bis die Tür vollständig geschlossen ist und dem Saal wieder eine undurchdringliche Dunkelheit bietet.
„Tja schade, Don ist nicht mehr unter uns.“ Flüstert der Dozent zu sich selbst und senkt während er diese Worte spricht seinen Kopf. „Nun denn, haben sich inzwischen weitere Fragen ergeben, haben sie alle verstanden worum es hier geht, was ich versuche ihnen allen nahezubringen?“ stellt der Dozent energisch seine Frage in den Raum. Es scheint ihm von besonderer Wichtigkeit zu sein, das er verstanden wird.
Ein Räuspern und Raunen wandert durch den Sitzungssaal. „Ähm bislang haben Sie nur von Männern gesprochen, gibt es diese Unterscheidung von Archetypen auch bei Frauen?“ durchbricht eine Frage die Nebengeräusche. „Ja selbstverständlich gibt es die. Allerdings gibt es hier feine Unterschiede zwischen den männlichen Archetypen. Grundsätzlich stimmen die Typisierungen überein.“
„Welche Unterschiede gibt es zwischen einem SIGMA-Mann und einer SIGMA-Frau?“ ertönt eine zweite Frage.
„Nun auch hier sind die Grundeigenschaften die gleichen. Jedoch gibt es hier unterschiede durch die geschlechterspezifischen Erwartungen und Erfahrungen. Daher kann es hier zwischen dem SIGMA-Mann und der SIGMA-Frau zu deutlichen wenn auch sehr filigranen Abweichungen kommen. Während zum Beispiel der SIGMA-Mann ganz klar und deutlich mit den gesellschaftlichen und traditionellen Rollen bricht, muss die SIGMA-Frau stärker für ihr Recht das gleiche Ziel zu erreichen gegen jeglichen gesellschaftlichen Druck kämpfen und sich mehr behaupten. Während er, also der SIGMA-Mann eher als praktisch orientiert innerhalb seines Interaktionsstils wirkt und wahrgenommen wird. So gilt die SIGMA-Frau an dieser Stelle als eher einfühlsam und tiefgehend. Während der SIGMA-Mann in seiner Außenwirkung oft oder fast immer von den traditionellen Männlichkeitsidealen abweicht, wird er dafür oft bewundert. Bei der SIGMA-Frau findet dieses Verhalten wenig Anerkennung und wird daher wenig geschätzt. Das hat zur Folge das die SIGMA-Frau ständig zwischen der Darstellung ihrer Stärke und Unabhängigkeit und der Navigation innerhalb der Gesellschaft balanciert. Was ein hohes Maß an zusätzlicher Konzentration erfordert. SIGMA-Frauen müssen daher deutlich mehr Energie aufwenden um von der Gesellschaft gesehen, wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Die Gemeinsamkeiten zwischen einem SIGMA-Mann und einer SIGMA-Frau bestehen darin, dass beide Unabhängig und selbstgenügsam sind. Sie benötigen beide nicht mehr als das was sie sind und das wenige was haben, um im Leben zu bestehen. Beide hinterfragen alle gesellschaftlichen wie auch traditionellen Normen, Regeln und Erwartungen. Wobei sie dabei immer ihren eigenen Weg verfolgen und gehen. Auch die Fähigkeit zur Beobachtung und Analyse menschlichen Verhaltens und ihre Umwelt ist bei beiden sehr stark ausgeprägt. Und daher ist das Verständnis für die Welt und die Dinge die sie umgeben um ein Vielfaches deutlicher und höher als bei den anderen Archetypen. Ihre Zurückhaltung und bedingungslose Unabhängigkeit verleihen ihnen beider Massen eine geheimnisvolle wie anziehende Aura.“
Eine andere Stimme aus dem Publikum meldet sich zu Wort. „Nun haben Sie von den grundlegenden Eigenschaften der Archetypten und im Besonderen des SIGMA-Mannes gesprochen. Doch welche Negativen Eigenschaften könnte ein SIGMA-Mann denn haben?“. „Eine sehr gute Frage junger Mann, die ich ihnen auch gleich beantworten möchte. Natürlich ist es so, dass da wo es viel Licht gibt, es im gleichermaßen auch Schatten gibt. So ist es auch bei den Eigenschaften bei SIGMA-Männern und SIGMA-Frauen, die nicht gern gesehen sind. Die übermäßige für sich in Anspruch genommene Unabhängigkeit hat zur Folge das die Gefahr der Isolation und der damit einhergehenden persönlichen Vereinsamung stetig steigt. Mit jeder weiteren Enttäuschung in der Interaktion mit anderen Menschen steigt das Risiko sich weiter und immer weiter zurück ziehen zu wollen. Bis sie schließlich ganz allein in einer Hütte auf einem Hügel weit entfernt von der nächsten sogenannten Zivilisation ihre Leben fristen. Die Folge daraus wiederum kann sein, häufiger laut hervorgebrachte Selbstgespräche, denn der Mensch an sich ist ein kommunikatives Wesen. Wenn aber niemand außer einem selbst anwesend ist mit dem man sich unterhalten könnte. Dann redet man primär mit sich selbst. Von außen darauf geblickt, kann dies ein verstörendes Ereignis sein, das bis dahin führen kann, das die Jungs mit den Hab-Dich-Lieb-Jacken gerufen werden. Da die SIGMA-Männer und Frauen alles und jeden hinterfragen, ist es nicht ganz einfach ihr Vertrauen zu erlangen. Somit ist auch der Aufbau einer tiefen partnerschaftlichen Beziehung von Anbeginn eher eine kleine Herausforderung. Obgleich sie tiefgreifende Gespräche schätzen, sind sie nicht unbedingt misstrauisch, das wäre das falsche Wort, doch sie hinterfragen wehemend, stets auf der Suche nach einem eindeutigen Hinweis für die Wahrheit und Realität. Im beruflichen Kontext sind beide am liebsten eher Einzelgänger und erledigen sicher und still ihre Aufgaben mehr als gewissenhaft. Dafür nehmen Sie sich die notwendige Zeit. Daher sind sie nicht so gute Teamplayer, da sie sich hier unterordnen müssen. Auch wenn Sie hochflexibel sind. Doch dies stößt unweigerlich auf eine ihrer Hauptdirektiven gesellschaftliche wie auch traditionelle Regeln, Normen und Erwartungen zu hinterfragen. Dies tun sie nicht um Kritik zu üben, sondern sie wollen verstehen. Sie wollen verstehen warum das eine so oder anders und nicht einfach danach handeln. Erst wenn man ihnen eine nachvollziehbare Begründung liefert, ist die Möglichkeit gegeben, dass sie diese für ihre eigenen Überlegungen zukünftig mit übernehmen und entsprechend auch danach handeln. Doch das passiert nur und ausschließlich, wenn sie davon überzeugt sind. Natürlich ist es auch so, dass der Mensch vom Typus SIGMA, unabhängig ob Männlein oder Weiblein durch ihre Zurückhaltung eher verschlossen auf andere Menschen wirken. Und daher als schwer zugänglich und unnahbar gelten und wahrgenommen werden. In der Regel handelt es sich hierbei um klassische Missverständnisse innerhalb der menschlichen Kommunikation. Der SIGMA-Mann, die SIGMA-Frau sind nicht und ich betone NICHT verschlossen und ebenfalls NICHT unnahbar. Im Gegenteil, sie sind offen, sie hören zu. Sie reden nur nicht viel, sie teilen sich nicht unmittelbar mit. Sie haben ihre Gedanken die wie ein guter Wein reifen muss. Auch werden ihre Unabhängigkeit und Selbstsicherheit oft fälschlicherweise als Arroganz und Überheblichkeit angesehen. Auch dies ist ein Fall von menschlichem Irrtum und ist nichts anderes als ein Missverständnis. Denn hierbei muss man wiederum die Eigenschaften der anderen Archetypen berücksichtigen und sich die Frage stellen ob diese überhaupt in der Lage dazu sind objektiv beurteilen zu können wie ein anderer Mensch ist. Und diese Frage können wir direkt meine einem NEIN beantworten. Denn sie sind alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt und vermögen es selten über den eigenen Tellerrand zu blicken. Und genau das wiederum ist der Grund dafür, weshalb es in der zwischenmenschlichen Kommunikation fortwährend zu eben solchen Missverständnissen kommt. Man meint, einen anderen in dem was er tut, was er denkt und was er sagt verstanden zu haben. Doch man fällt auf seine eigenen Gedanken herein die eine ganz eigene persönliche Meinung darüber bilden. Denn was fehlt, ist die erforderliche Objektivität einen anderen Menschen als den Menschen wahrzunehmen als der er ist und sich selbst dabei vollkommen zurücknehmen zu können. Das ist übrigens auch einer der meisten Gründe weshalb Kriege entstehen und erbittert geführt werden. Da SIGMA-Männer und SIGMA-Frauen nun einmal so sind wie sie sind. Sie Beobachten, sind Unabhängig und Selbstsicher, sie hinterfragen alles und jeden sogar sich selbst, arbeiten an sich immer mit dem Ziel der Verbesserung, der persönlichen Optimierung. Da entsteht Druck. Ein Druck den eigenen persönlichen Erwartungen an sich selbst, die praktisch nie zu einhundert Prozent erfüllt werden können. Darüber hinaus werden zwar nicht direkt Vergleiche zwischen ihnen selbst und anderen Menschen geführt. Doch es findet ein regelmäßiger Abgleich von Leistung statt. Auch Das erzeugt weiteren zusätzlichen Druck. Mit anderen Worten, SIGMA-Menschen setzen sehr hohe Anforderungen in erster Linie an sich selbst und darüber hinaus auch an ihre Umwelt und Mitmenschen obgleich sie durchaus einräumen und wissen, das diese Erwartungen unrealistisch und nicht erfüllbar sind. Sie erkennen den inneren Konflikt der einem SIGMA-Mann und einer SIGMA-Frau innewohnen? Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass diese hier gezeigten Negativ-Eigenschaften nicht auf jeden SIGMA-Mann oder SIGMA-Frau zutreffen. Doch die Möglichkeit des Potentials ist zu jederzeit gegeben.“
„Das ist ganz schön schwerer und harter Stoff den Sie uns hier vorbringen.“ Äußert ein Gast seine Meinung lautstark jedoch im normalen Tonfall ohne anklagend zu sein. „Ja da haben Sie völlig recht. Wer auch immer das gesagt hat. Doch haben Sie etwas anderes Erwartet als Kenndaten, und harte Fakten? Sie befinden sich in der Welt der Psychologie und Soziologie. In Teilen sogar der Philosophie. Das sind reine kopflastige Wissenschaften. Wenn Ihnen das zu schwer ist, dann sollten Sie vielleicht darüber nachdenken oder in Erwägung ziehen, ein einfacheres Fach wie zum Beispiel Betriebswirtschaftslehre oder Erzieher zu wählen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Aber ja die Thematik die wir hier besprechen ist keine einfache und sie ist von elementarem Ausmaß. Wenn ich Ihnen eine Empfehlung aussprechen darf, dann beißen Sie sich durch. Lernen Sie hier für sich selbst, lernen Sie für ihr persönliches Leben. Wenn Sie es richtig machen, dann gehen Sie nachher aus diesem Sitzungssaal gestärkt hinaus.“
Das sind barsche und mürrische Worte die der Dozent in den Äther entlässt. Niemand wagt es zu widersprechen. Und die ewig widerkehrende Stille hat den Sitzungssaal ein weiteres Mal fest in seinem Griff.
„Wie hoch schätzen Sie das Konfliktpotenzial eines SIGMA-Mannes ein?“. „Ebenfalls eine gute Frage. Nun das Konfliktpotential ergibt sich aus den entsprechenden sowie aus den negativen Eigenschaften. Allein die Tatsache das diese Menschen den innerlichen Drang nach vollkommener Unabhängigkeit verspüren und dessen Ruf sie folgen, da es eine ihrer zwei Hauptdirektiven ist. Sorgt bereits für ein Höchstmaß an Möglichen Konflikten. Denn fragen Sie sich selbst. Wo können Sie wirklich unabhängig sein? Wie sehen ihre Chancen im Berufsleben aus? Wie im sozialen Umfeld von Freunden, Bekannten, Verwandten und der eigenen Familie? Wie sieht es mit der hiesigen Gesetzgebund und den gesellschaftlichen Regeln aus an die wir uns alle halten müssen? Sie sehen bereits an diesen wenigen und einfachen Fragestellungen des Alltags, dass der Konflikt für einen SIGMA-Mann aber auch für eine SIGMA-Frau allgegenwärtig ist. Und das alles erzeugt Druck. Druck, den es Tag für Tag auszuhalten gilt. Wer will da noch ruhig schlafen.“
„Sir, bitte erlauben Sie eine weitere Frage. Wenn es ein Lebensmotto für SIGMA-Menschen gäbe, welches könnte es sein?“ fragt ein anderer Zuhörer.
„Oh da gäbe es ein paar die bezogen auf einzelne Eigenschaften sicherlich recht gut passen würden. Ich will ihnen welche vorstellen.“
„Sei der Architekt Deines eigenen Lebens.“ – „Dieses Motto betont die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit eines SIGMA-Menschen. Es unterstreicht die Idee, dass man sein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten und entscheiden kann.“
„Unabhängigkeit ist der Schlüssel zur Freiheit.“ – „Dieses Motto unterstützt und reflektiert die Bedeutung der Unabhängigkeit an sich und hebt hervor, dass wahre Freiheit nur durch Selbständigkeit und Eigenverantwortung erreicht werden kann.“
„Folge deinem Weg, egal wohin er führt.“ – „Der nicht konformistische Ansatz dieses Lebensmottos fordert auf, seinen eigenen Weg in aller Konsequenz zu gehen. Fernab von jeglichen gesellschaftlichen und traditionellen Normen, Regeln und Erwartungen.“
„In der Stille liegt die wahre Kraft.“ – „Hier wird die innere Selbstsicherheit und Stärke angesprochen, deren Bedeutung von Besonnenheit und innerer Ruhe als Quelle und Kraft zugeordnet ist.“
„Denke unabhängig, handele entschlossen.“ – „Hier wird die Fähigkeit von analytischem und eigenständigen denken und handeln zusammengefasst. “
„Dies sind nur fünf Beispiele die man einem SIGMA-Mann oder einer SIGMA-Frau als Lebensmotto mit auf den Weg geben könnte. Doch bei näherer Betrachtung werden sie feststellen, dass sie unrund sind. Sie spiegeln nicht wider was der Kern eines SIGMA-Menschen ist. Diese Sprüche wirken wie, wie aufgeklebte Pflaster ohne Halt. Es fehlt ihnen an Seele und Tiefgang. Daher möchte ich Ihnen den nach meinem Verständnis besten Satz mit auf den Weg geben. Der nicht nur der Passendste Satz und Lebensmotto eines SIGMA-Menschen ist, sondern auch für Sie alle eine Bereicherung darstellen könnte, wenn Sie ihn annehmen wollen.“
„Aufgeben, gilt nicht.“
„Ich will Ihnen diesen Satz erklären. Er besagt …“ der Dozent wirkt andächtig und stützt sich erneut auf sein Podest und führt mit warmer, sanfter Stimme fort … „Ganz gleich wie schwierig und aussichtslos eine Situation auch erscheint. Es gibt immer einen Ausweg, immer eine Lösung. Das bedeutet aber auch, dass man sich seiner Situation und Gegenwart stets bewusst ist, die Hoffnung niemals aufgibt und alles daransetzt, alles dafür tut um aus einer unlösbaren Situation heraus zu kommen. Das Ist stärke, das ist Unabhängigkeit, das ist Selbstsicherheit. Die Gewissheit zuhaben, für sich selbst eigenständig und eigenverantwortlich einzustehen. Seine Ziele unablässig zu verfolgen und alles zu hinterfragen. Denn die Gefahr der Verblendung, des Irrtums ist überall gegeben.“
„So und nun entlasse ich Sie für heut mit diesen Worten.“