Schnee fiel in großen, weißen Flocken vom Himmel.
Vanessa hatte es nach dem Essen in der fröhlichen Runde kaum noch ausgehalten. Sie musste dringend mit Tim sprechen, deshalb war sie mit ihm nach draußen gegangen.
Seite an Seite stapften sie durch den wenige Zentimeter hohen Schnee.
"Was möchtest du mir so wichtiges sagen?", fragte Tim gerade.
"Wobei. Ich ahne es schon. Ich habe dich verletzt indem ich Elena mitgebracht habe, oder?"
"Ja. Das heißt nein. Verletzt hat mich eher, dass du mir nichts gesagt hast und einfach abgehauen bist und dann nach stundenlanger Abwesenheit Arm in Arm mit deiner Exfreundin zurück gekommen bist. Was soll ich da groß denken?" Vanessa gab sich alle Mühe ihre Stimme nüchtern und nicht wütend klingen zu lassen.
"Dass ich dir nichts gesagt habe, tut mir leid", sagte Tim. Er klang zerknirscht. "Ich hätte es vorher mit dir besprechen sollen, aber ich war mir nicht sicher ob es klappen würde und ich wollte Niemandem falsche Hoffnungen geben. Dass ich Elena so nah gekommen bin, ließ sich nicht vermeiden. Ich meine sie kann mit der Verletzung unmöglich alleine laufen."
"Aber warum du? Warum hat kein Anderer sie abgeholt? Warum musstest ausgerechnet du das machen?"
"Keine Ahnung. Es fühlte sich einfach richtig an, es zu versuchen. Außer mir kam wohl keiner auf diese Idee... Und warum ich das machen musste ist, weil sie es verdient hat, Weihnachten nicht alleine im Krankenhaus sondern gemeinsam mit ihrer Familie und ihren Freunden zu feiern. Es wäre falsch gewesen sie auszuschließen."
"Und du hast es nicht gemacht, weil zwischen euch wieder mehr ist, als eine Freundschaft?"
Tim blieb aprupt stehen und wirbelte zu Vanessa herum. Seine hellblauen Augen bohrten sich in ihre.
"Nein! Wie kommst du denn darauf? Zwischen Elena und mir ist es längst aus, sonst hätte sie niemals dafür gesorgt, dass ich wieder hier arbeiten kann. Sie ist meine beste Freundin. Mehr ist da nicht!
Vanessa, ich liebe nur dich. Dass musst du mir glauben!"
Vanessa sah die unendliche Aufrichtigkeit in Tims Blick. Sie konnte nicht anders. Sie musste ihm glauben.
Sie zog Tim an sich und küsste ihn.
"Ich liebe dich auch", sagte sie.
"Aber an deiner Fähigkeit mit mir zu komunizieren musst du echt nochmal arbeiten!", fügte sie streng hinzu.
Er nickte schuldbewusst.
"Ich weiß. Ich gebe mir ja echt Mühe, aber in den letzten Wochen war echt viel los: Omas plötzlicher Tod, den keiner bemerkt hat inklusive Erbstreitigkeiten mit meiner Mutter, dann Tannis Verabschiedung und Elenas Unfall, das war einfach zu viel für mich und ich bin dann wiedermal in ein altes Muster zurück gefallen. Das tut mir wirklich total leid. Ich hätte schon längst mit dir sprechen sollen, aber anstelle dessen habe ich wieder versucht, alles alleine zu lösen."
"Du weißt, dass du das nicht tun musst. Ich weiß ja, dass du mich vor deinen Problemen beschützen willst, aber das ist nicht deine Aufgabe. Ich als deine Freundin möchte, dass du mir alles anvertrauen kannst und ich möchte dir die Last, die du mit dir herum schleppst, so gut es geht abnehmen. Du hast mir in den letzten anderthalb Jahren in denen wir zusammen sind so oft geholfen, da möchte ich auch etwas zurück geben können.
Also bitte rede mit mir. Zeige mir, was dich so beschäftigt, dass du mich abblocken musst.
Du hast selber gesagt, ich sei ein starkes Mädchen, also lass mich stark sein und dir die Bürde, die auf dir lastet abnehmen. Bitte."
"Du bist nicht sauer auf mich?", fragte Tim fast ungläubig.
"Nein. Das bin ich nicht. Ich weiß ja, wie viel in den letzten Wochen passiert ist. Es ändert aber nichts daran, dass ich ein wenig enttäuscht war von dir und deiner plötzlichen Nähe zu Elena."
"Du warst eifersüchtig auf sie? Dazu hast du keinen Grund. Wirklich nicht. Ich würde nie eine Affäre mit ihr oder jemand anderm anfangen. Das wäre dir gegenüber absolut falsch und vor allem unfair. Ich war dir immer treu und werde es auch bleiben. Das verspreche ich dir."
Mit diesen Worten küsste Tim Vanessa nocheinmal und Vanessa wusste für sich, dass sie ihm glauben konnte.