Wie Bienen schwärmten am nächsten Morgen die Bediensteten aus, besorgten alles, was nicht ohnehin zum Schloss geliefert wurde. Der Festsaal wurde geschmückt, die Tische mit Blumen aus dem Park verziert. Die Frage nach einem Geistlichen stellte niemand. Zu unterschiedlich waren die Vorstellungen der beiden Völker, wer hier als angemessen galt. Die Trauung würde der König selbst abhalten, was Eros als große Ehre empfand. Da für das Abendmahl sämtliche Kapazitäten der Küche benötigt wurden, wurde auf ein großes Frühstück ebenso verzichtet, wie auf das ausgiebige Mittagsmahl. Lediglich Brot und Wein wurden gereicht. Es kümmerte niemanden. Alle waren gespannt auf den Festschmaus am Abend. Alle bis auf Ferdinand, dem das Herz in die Hose gerutscht war, weil er sich zur Mittagsstunde beim Schlosstor mit Franziska treffen sollte. Er zweifelte immer noch stark daran, dass sie überhaupt auftauchen würde. Umso mehr erschrak er, als sie plötzlich vor ihm stand. Dürr und ausgemergelt sah sie aus. Mit großen Augenringen und strähnigem Haar. Er erkannte sie gar nicht wieder. Wo war seine mollige, rosige Franziska geblieben? Wie konnte sich ein Mensch in nur zwei Tagen so sehr verändern? Ihre Augen waren rot vom vielen Weinen. Auch ihm hatte Usongu streng verboten, Franziska zu umarmen oder anderweitig zu trösten. Aber warum? Was sollte das alles? Ferdinand verstand nicht im Mindesten die Absicht, die der Ritter verfolgte. Warum hatte er diesem Irren überhaupt vertraut? Sie standen sich nun schon einige Augenblicke gegenüber, die Magd und der Knecht. Keiner sagte ein Wort. Halte dich an den Plan, hatte Usongu ihm immer wieder eingeschärft. Toller Plan. Er durfte nichts sagen. Nicht weggehen. Er durfte praktisch gar nichts. Nur dastehen. Also stand er da und wartete. Und wartete. Genauso wie Franziska. Die wusste ebenso wenig wie er, was all das hier sollte. Sie konnte es nicht glauben, dass er tatsächlich gehen wollte. Als Sakura ihr die Nachricht überbracht hatte, war alles was sie denken konnte: Lüge. Das ist eine Lüge! Aber tief in ihrem Innern begann etwas zu zweifeln. Eine fiese kleine Stimme, die ihr zuflüsterte: Aber was, wenn doch… Der Küchenmeister hatte sie in ihre Unterkunft schicken müssen, weil Franziska von diesem Moment an nicht mehr arbeitsfähig war. Dann kam Ferana mit dem Brief.
Liebe Franziska,
Ich gehe fort. Endgültig. Ich weiß, du willst mich nicht mehr sehen,
aber bitte lass mich Lebewohl sagen.
Ich werde morgen zur Mittagsstunde am Schlosstor im Park auf dich warten.
Ferdinand
Selbst, als sie die von ihm geschriebenen Zeilen las, sträubte sich Franziska zu glauben, dass Ferdinand wirklich gehen würde. Aber jetzt, wo sie hier vor ihm stand, schien es unausweichlich zu sein. Er würde gehen. Und sie hier zurück lassen. Allein. Allein mit dem Kind. Eine plötzliche Welle der Wut packte sie, vermischte sich mit Verzweiflung, Angst und dem unendlichen Gefühl der Trauer über den Verlust seiner Liebe. Sie lief auf Ferdinand zu, trommelte mit den Fäusten auf seine Brust ein, weinte. Sie hatte nicht geglaubt noch Tränen übrig zu haben, aber sie liefen ihr wie Bäche aus den Augen. Teufelskerl, dachte Ferdinand. All das hatte Usongu ihm genauso vorhergesagt. Jetzt galt es, keinen Fehler zu machen. So schwer es ihm auch fiel, er durfte nicht weich werden. Zumindest noch nicht. „Du kannst nicht gehen, du Mistkerl. Du kannst doch nicht einfach davonlaufen!“ Ferdinand biss die Zähne zusammen. Er wollte sie in den Arm nehmen. Aber er hielt sich an die Anweisungen. Seine Hände packten die Schultern der kleinen Küchenmagd und er drückte sie ein paar Zentimeter von sich weg. Er sah ihr fest in die Augen, was ihn all seine Überwindung kostete, und sagte ernst: „Du hast gesagt, ich soll dich in Ruhe lassen. Du hast gesagt, ich soll verschwinden. Im Grunde genommen hast du Recht. Du bist besser dran ohne mich. Ich weiß nicht, ob ich ein guter Ehemann sein kann. Geschweige denn ein guter Vater.“ Er stockte. Was jetzt kam, hatte ihm Usongu nicht eingetrichtert. Vielleicht machte er damit alles kaputt. Vielleicht würde sie ihn tatsächlich fortschicken. Aber er hatte einfach das Gefühl, es sagen zu müssen. „Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich Kinder will. Und immer nur an mich selbst gedacht. Du wirst jemand besseren finden als mich. Jemanden, der dich verdient hat. Verzeih mir, das ich der Vollidiot bin, der ich nun einmal bin.“ Er ließ ihre Schultern los, packte das gepackte Bündel, das an einem der Bäume angelehnt war und war nun wirklich und wahrhaftig bereit, sie loszulassen. Wenn sie ihn nicht aufhielt, würde er gehen. Wahrscheinlich war es für sie wirklich das Beste. „Aber ich will doch gar nicht, dass du gehst!“ Verzweifelt sank die junge Frau zu Boden und umschlang seine Beine mit ihren Armen. „Ich will, dass du bei mir bleibst. Vielleicht bist du ein Vollidiot. Aber du bist mein Vollidiot. Bitte geh nicht fort. Ich schaff das nicht ohne dich.“ „Meinst du das auch wirklich ernst? Kannst du mir wirklich verzeihen, dass ich dir so wehgetan habe?“ Fragte er sie mit Tränen erstickter Stimme. Er wollte sich abwenden, wollte nicht, dass sie seine Tränen sah. Aber Franziska stand auf, nahm sein Kinn, drehte sein Gesicht dem ihren zu. „Ja, das kann ich.“ Sagte sie fest und küsste ihn. Unendlich erleichtert erwiderte Ferdinand den Kuss, warf das Bündel weg, das er noch immer in der Hand gehalten hatte und umarmte Franziska. Wie sehr hatte ihr dieses Gefühl von Geborgenheit und Wärme gefehlt. Sie lachte, während sie weinte. „Wehe, du lässt mich jemals wieder los.“ Schimpfte sie gutmütig. „Niemals.“ Flüsterte ihr Ferdinand ins Ohr. „Niemals wieder.“