Du möchtest interessante, vielschichtige Charaktere erstellen, am liebsten solche, von denen noch nie jemand gehört hat?
Hier folgt eine Möglichkeit, wie man das anstellen kann!
„Genlotterie“ heißt, dass du die Eigenschaften deines Charakters in vielerlei Hinsicht dem Zufall überlässt. Du würfelst Beruf, Charakter und alles weitere aus und versuchst dann, aus diesen Werten irgendwie einen logischen Charakter zu entwickeln.
Der Vorteil ist, dass du nicht automatisch in Stereotypen verfällst, wie zum Beispiel, dass alle Anwälte rasierte, dunkelhaarige Männer im Anzug sind, am besten noch mit einem Aktenkoffer in der Hand. Der Nachteil ist, dass du nicht weißt, was du kriegst, und deswegen möglicherweise keine Bindung zu dem Charakter entwickeln kannst. Für interessante Nebencharaktere oder einfach als Übung ist diese Version jedoch perfekt.
Du beginnst damit, dir einfach Eigenschaften zu überlegen. Ich werde hier ein beispielhaftes System vorlegen, das der Einfachheit halber auf der Hyphurion-Reihe vom Wolf basiert. (Aus dem System entstammt die Idee für diese Technik.)
Dein System kannst du dann natürlich für jedes Setting anpassen.
Doch zuallererst musst du dir darüber klar werden, wie du später auslosen willst. Schreibst du Eigenschaften und Co auf Zettel oder willst du das Chat-Würfelsystem nutzen? Oder machst du einfach ein großes Plakat mit allen Stichwörtern darauf und nutzt die gute, alte „Finger-kreisen-lassen“-Methode mit anschließendem Geier Sturzflug?
Je nach Auswahl kannst du nämlich die Wahrscheinlichkeit bestimmter Begriffe erhöhen oder verringern. Beim Finger-kreisen triffst du mit höherer Wahrscheinlichkeit Begriffe in der Mitte des Blatts, beim Loseziehen kannst du dich schnell in Papieren verzetteln (Wortspiel beabsichtigt) und beim Würfeln musst du immer darauf achten, dass die Zahl deiner Begriffe von der Augenzahl des Würfels abhängen – ob du einen normalen W6 hast, oder vielleicht einen 20er-Würfel oder nur eine Münze.
Weil es sich digital umsetzen lässt, gehe ich für heute vom Würfelsystem aus. Da haben wir die Optionen: /d3, /d4, /d6, /d8, /d10, /d20 oder /d100, sowie /coin.
Nun musst du dir „Rubriken“ überlegen, am besten fängst du bei allgemeinem an. Da „Hyphurion“ eine Fantasy-Reihe ist, beginne ich beim Volk. Da gibt es neun Hauptvölker in je drei Klassen (praktischerweise).
Da es keinen 9er-Würfel gibt, kann man zum Beispiel zweimal einen d3 werfen. Die Option sähe folgendermaßen aus:
1: Hauptvolk. (Zweiter Wurf: 1=Elf, 2=Mensch, 3=Zwerg)
2: Nachtwesen. (Zweiter Wurf: 1=Vampir, 2=Werwolf, 3=Dämon)
3: Tierwesen. (Zweiter Wurf: 1=Fabelwesen, 2=Tiermensch, 3=Gestaltwandler)
Wirft man beim ersten Wurf eine 3, so ist der Charakter ein Tierwesen, ist der zweite Wurf eine 1, ist der Charakter ein Fabelwesen. Da es jedoch sehr viele unterschiedliche Fabelwesen gibt, bietet sich hier eine weitere Liste an. Beispielsweise:
Fabelwesen
1: Einhorn
2: Drache
3: Mantikor
4: Kitsune
… und so weiter! Am besten ist es, hier auf 4, 6, 8, 10 oder 20 Optionen zu kommen, damit man das gut auswürfeln kann. Sollte das nicht ganz aufgehen – oder ist aus anderem Grund eine größere Wahrscheinlichkeit gewünscht, kann man aber auch ein Wesen auf mehrere Zahlen legen.
Dann kann man mit einem größeren Würfel auf eine Option werfen, beispielsweise mit einem d6 auf die drei Volksklassen:
1,2,3,4: Hauptvolk. (1=Elf, 2=Mensch, 3=Zwerg)
5: Nachtwesen. (1=Vampir, 2=Werwolf, 3=Dämon)
6: Tierwesen. (1=Fabelwesen, 2=Tiermensch, 3=Gestaltwandler)
Bei dieser Option geht man nun von einem Setting aus, wo hauptsächlich Menschen, Elfen und Zwerge leben und andere Wesen eher selten sind.
Eine weitere Option ist, „blanks“ einzuführen. Im Falle der Völker wäre das dann ein d10:
Volk
1: Elf
2: Mensch
3: Zwerg
4: Vampir
5: Werwolf
6: Dämon
7: Fabelwesen
8: Tiermensch
9: Gestaltwandler
10: „Mischling“ (hier werden dann die Eltern mit zwei d10 ausgewürfelt) oder „Unbekanntes Wesen“ (hier ist Fantasie gefragt) oder „Sonstiges“.
Steht das Volk des Charakters fest, kann man zum Beispiel eine Münze auf das Geschlecht werfen. Sollte die Münze hier auf der Kante stehen bleiben (ja, das kann passieren), wiederholt man den Wurf oder man geht davon aus, dass der Charakter transsexuell oder ein Zwitter ist. Will man die Chance auf solche Charaktere erhöhen, nimmt man einen d3 für ausgeglichene Chancen oder einen anderen Würfel, um mit den Wahrscheinlichkeiten zu variieren.
In diesem Stile geht es weiter, dabei solltest du immer einen Block Eigenschaften haben, die zusammengehören. Schreibe zum Beispiel 20 Berufe auf, die deine Charaktere haben können, und 20 Optionen für Charakter und/oder Mentalität. Diese Blöcke solltest du nicht vermischen, denn du willst ja Kombinationen, die sich umsetzen lassen, und nicht einen Charakter, der sowohl Hufschmied als auch Bibliothekar ist.
Beruf
1: Heiler
2: Soldat
3: Magier
4: Bibliothekar
5: Vagabund
6: Schmied
7: Wirt
8: Prostituierter
9: Bauer
10: Adeliger
Charakter
1: Feige
2: Gierig
3: Stur
4: Hat eine geistige Behinderung
5: Rachsüchtig
6: Psychopathisch
7: Freundlich
8: Dumm/Naiv
9: Egoistisch
10: Rassistisch
11: Vergesslich
12: Depressiv
13: Faul
14: Lügnerisch/Kleptomanisch
15: Liest gerne
16: Sportlich
17: Musikalisch
18: Friert leicht
19: Fantasielos
20: Unordentlich
Tipp: Negative Eigenschaften sorgen immer für interessantere Charaktere; Du kannst beim Charakter auch zwei- oder dreimal würfeln, deswegen habe ich hier darauf geachtet, keine widersprüchlichen Optionen wie „ordentlich“ und „unordentlich“ aufzulisten.
Weiterhin kannst du für folgendes Listen anlegen:
Aussehen – Gewicht/Statur, Haarfarbe, Hautfarbe, Augenfarbe, Kleidungsstil
Religion – Stärke des Glaubens, Glaubensrichtung
Alter – hier könnte man einen d100 nutzen, allerdings kann man da sehr junge und sehr alte Charaktere kriegen. Optional kann man das Eingrenzen, zum Beispiel einen d20 plus 15. (Würfelt man eine 1, ergäbe das 16, eine 2 wäre 17, eine 20 wäre 35.) Wenn die Charaktere in einer Schulklasse sind, nimmt man beispielsweise eine Münze oder einen d3.
… und überhaupt für alle wichtigen Variablen in deiner Geschichte.
Ein paar Beispiele, die ich ausgewürfelt habe:
Genutzt wurden hierfür die Listen mit fettgedruckter Überschrift.
Gestaltwandler – männlich – Bauer – dumm/naiv
Tjaaa, der ist ja doch ein Klischee geworden. Werfen wir mal zwei weitere Eigenschaften.
Vergesslich und Freundlich
Nö, das wird wohl nichts. Also ein freundlicher, einfach gestrickter Bauer, der sich in ein Tier verwandeln kann. Ein Ochse wäre vielleicht zu typisch, also wähle ich einen Schwan. (Verwandlungsformen würde man aber, genau wie die genaue Art des Fabelwesens, eigentlich über eine eigene Liste machen.)
Fabelwesen (Mantikor) – männlich – Wirt – Unordentlich, Freundlich und Fantasielos
Die Berufe kann man bei Fabelwesen auch manchmal weglassen, denn wie ein Löwen-Skorpion-Fledermauswesen Bier ausschenken will, wird lustig zu beschreiben.
Zwerg – weiblich – Schmiedin – Rassistisch, Faul und Sportlich
DAS klingt doch mal interessant. Eine weitere Liste mit Sportarten würde sich anbieten, und vielleicht ein weiterer Wurf auf Völker, gegen die sich der Rassismus richtet … Gestaltwandler! Und schon steht unsere Zwergin in einer Beziehung zu unserem Schwan-Bauern. Ob er sein Geheimnis vor ihr verbergen kann? Ob sie vielleicht sogar befreundet sind, ehe die Zwergin erfährt, dass der Bauer ein Gestaltwandler ist? Und heult sie dann dem Wirt die Ohren voll, der zu fantasielos ist, um sie vernünftig trösten zu können?
Ich hoffe, dieses System gefällt dem einen oder anderen und führt zu interessanten Geschichten. :3