Andreas hatte sich von dem ruinierten Date, welches zwischenzeitlich im Kristallsee stattfand, nicht ganz so gut geendet, wie er dachte. Natürlich überwiegen die positiven Elemente, schließlich war er nun seit über zwei Wochen mit Anna zusammen und es fühlte sich richtig gut an. Allerdings hatte ihr Schubser in den See zu nasser Kleidung geführt. Die nasse Kleidung führte zu einer Erkältung. Die Erkältung führte zu Männergrippe. Die Männergrippe führte zu echter Grippe und so war Andreas bisher ans Bett gefesselt. Von der Beziehung mit Anna hatte er nur wenig. Was nicht ganz stimmte, jeden Tag schaute sie mindestens zweimal bei ihm vorbei und versuchte ihn gesundzupflegen. Allerdings dauerte das seine Zeit und so war es unvermeidlich, dass Andreas an der Geburtstagsfeier von Julie leider nicht teil nehmen konnte, sodass Anna alleine auf dieser erschien. Von Julie und Johannes hatte sie nur wenig, denn das Geburtstagskind hatte alle zwei Minuten andere Gäste, um die es sich zu kümmern hatte. Doch der Giraffe schien es zu gefallen, wenn sie sich um andere kümmern konnte. Aber auch die anderen "Filmnörds" waren teilweise eingespannt oder immer mal wieder verschwunden, sodass Anna häufiger alleine an einem Platz saß und mehr in beobachtender Position verweilte.
„Sag mal, ist das nicht die Neue?“, hörte sie wie ein blondes, leicht aufgetakeltes Mädchen einem anderen, nicht weniger aufgetakelten Mädchen zusprach. Dieses nickte ihrer Freundin zu und beide Mädels beobachtenden Anna mit durchbohrenden Blicken. Anna, welche noch immer keinen Anschluss in der Schule hatte, schaute leicht eingeschüchtert zu Boden. „Wusstest du, die ist mit Andreas zusammen?“
„Die ist das?“
Eigentlich hatte Anna vorgehabt nach Juli zu suchen, um nicht mehr ganz so allein zu sein, doch der Name ihres Freundes veranlasste sie ein wenig damit zu warten.
„Ja, die.“, raunte die Aufgetakelte, absichtlich so laut, dass Anna es hören würde. „Aber es kommt noch besser: Er ist nur mit ihr zusammen um sie ins Bett zu kriegen.“
„War doch klar. Anders kennt man Andreas nicht.“, pflichtete die zweite in ähnlicher Lautstärke bei.
Anna hörte Worte, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Ihre Augen vergrößerten sich, das Herz es schien auszusetzen und ihr Magen der verkümmerte zu einem schmerzenden nichts. Nein! NEIN! Das durfte nicht wahr sein. Doch die beiden Lästerschwestern führten in süffisanter Mariner aus, wie so oft Andreas eine Neue im Dorf verführte, um sie am nächsten Abend von der Bettkante zu stoßen. Annas Herz es schlug nicht mehr, krampfte sich so zusammen wie ihr Magen, dieser würgte ihren Körper in einem Gefühl der Übelkeit. Sie hatte genug gehört. GENUG! Laut stand sie auf und schritt mechanisch, fast schon flüchtend vor die Tür. Eine der Lästerschwestern drehte sich halb zu Anna um und versetzte ihr einen weiteren Stoß: „Na ja ich dachte eigentlich er hätte mehr Geschmack.“ Das brachte das Fass, welches in dem Fall Anna hieß, endgültig zum Überlaufen. Nur mit Mühe und Not schaffte sie es vor die Tür und übergab sich so gleich ins Blumenbeet. Sie würde sich am nächsten Tag bei Julie dafür entschuldigen, doch jetzt musste sie weg, einfach weg. Weg von allen, nur Ruhe. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken und Zweifel nährten das Karussell: Konnte es wirklich sein? Hat er ihr das antun wollen? Hatten diese Weiber nur gelogen und gönnten ihr einfach nur nicht, dass sie glücklich mit Andreas war. So lange sie nicht wusste, ob da was dran war oder ob nicht, wollte sie Andreas nicht mehr begegnen, denn schon alleine dieser Gedanke, er würde nur mit ihr spielen, um mit ihr zu schlafen, brannte ihr tiefe Wunden in die Seele. Plötzlich konnte sie den Schmerz der brennenden Wunden nicht mehr zurückhalten, die Tränen flossen förmlich aus ihren Augen. Sie setze weiterhin stur einen Fuß vor den nächsten, einfach nur Land gewinnen war die Devise. Würde sie nur eine Sekunde stehen bleiben, sie würde danach nicht wieder weiterlaufen können, einfach zusammen sinken...
*
Julie war es, die Anna endlich fand, alle suchten sie verzweifelt. Sie war nicht mehr auf der Party zu finden gewesen, und an ihr Handy ging Anna auch nicht. Julie hatte alle Gäste um Hilfe gebeten und selbst die Lästerschwester halfen, ob aus schlechtem Gewissen oder Sensationsgeilheit war allerdings nicht zu sagen. Als Andreas, denn Julie über Handy angeschrieben hatte, von dem Verschwinden seiner Anna hörte, hielt ihn selbst die Grippe nicht, welche ihn schon so lange ans Bett fesselte. Drei Stunden waren bereits seit Annas verschwinden vergangen und endlich hatte Julie Erfolg. Doch was sie fand, war nicht wirklich Anna, mehr ein Häufchen Elend, welches zusammengekauert an einem Baum lehnte. Anna bemerkte Julie nicht einmal, sie starrte mit geröteten Augen und glasigem Blick auf den Boden. Julie wollte sie nicht erschrecken, weil es ihrer Freundin offensichtlich nicht gut ging und ging daher nur langsam auf sie zu. „Anna? Wir suchen dich schon überall!“, sagte sie vorsichtig mit einem Hauch von Anklage in der Stimme. Das Häufchen elend schaute zu der nun 18-Jährigen hinauf und war froh, dass sie es war, die sie fand. Kein Fremder und auch nicht Andreas. „Tut mir leid… Tut mir leid, dass ich deinen Geburtstag ruiniert habe.“, schluchzte Anna, ehe sie wieder in Tränen auszubrechen drohte. Julie hockte sich auf den Boden zu ihr: „Hast du nicht, als du verschwandst war es schon nach Mitternacht.“ Auch in dieser Situation hatte Julie ihre scherzende Ader nicht verloren oder gerade deswegen scherzte sie, denn es ließ das Hyperventilieren ihrer elendigen Freundin für einen Moment abklingen. „Was ist den los?“, schaute sie fragend. Anna zuckte kraftlos mit den Schultern: „Ich bin nur eine Wette…“, und diese Worte auszusprechen, war noch schlimmer als diese zu denken. „Wie eine Wette?“, fragte Julie verdutzt. „Andreas…, er hat gewettet das wir zusammen kommen und er mich ins Bett kriegt!“, presste Anna voll Schmerz heraus.
Julie schüttelte schlagartig den Kopf: „Nein das kann ich nicht glauben.“
„Und doch stimmt es!“, große Augen, starrten in Julies Gesicht, aus denen sich Sturzbäche an Tränen über die Wangen in die Tiefe stürzten. „Pass auf, ich hab bevor ich dich ansprach Andreas geschrieben, dass ich dich hier gefunden habe. Er ist trotz Männergrippe bereits zu dem Beginn der Suche auch dem Bett gestürzt und reitet wie der Erlkönig durch die Nacht um dich zu finden. Er wird sicherlich gleich kommen und dir sagen das deine Zweifel unbegründet sind.“
„Nein! Julie ich will ihn nicht sehen.“, flehte Anna, in der Hoffnung sie könnte noch vor Andreas flüchten. Doch kaum hatte sie den Satz beendet, raste Andreas auf seinem Araber an, sprang im Galopp von diesem, stürzte fast und eilte ohne eine Miene zu verziehen an Annas Seite.“ Julie nickte ihm zu, als er in die Hocke zu gehen und machte sich daran Simon wieder einzufangen. So waren die beiden Herzen allein am Waldesrand. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“, hustete Andreas, „Was ist passiert?“
„Wie lange hast du noch vor diese Scharade zu spielen?!“, blaffte Anna ihn an, die Trauer war für Wut gewichen und sie kochte in Anna wie ein Inferno.“
„Welches…?“, weiter kam Andreas nicht, denn Anna schnitt ihm zornig das Wort ab. Doch er wusste leider wirklich noch nicht, worauf seine Freundin hinaus wollte…
„Jetzt stell dich nicht auch noch dumm! Ich bin nur eine von vielen für dich!“
„Bitte was? Du bist die einzige für mich!“, beteuerte Andreas, doch in diesem Moment dämmerte es in seinem Kopf und eine böse Ahnung setze sich in den Windungen seines Gehirns fest, so böse, dass sie sich auch gleich auf die Zunge legte: „Oh nein.“, murmelte er, in dem Wissen das sie nun über die Ursprünge ihrer Bekanntschaft Bescheid wusste.
„Also ist es wahr! Du scheinheiliger Mistkerl!“, Anna hatte die Schnauze gestrichen voll, wieso mussten alle, einfach alle, immer mit ihren Gefühlen spielen. Sie hat ihm nach allem Schmerz vertraut und er tat ihr so etwas an. Sie rappelte sich auf und wollte wieder nur von ihm weg. Von allem weg!
„Lass es mich dir bitte erklären. Anna! Es war anders, als du denkst!“, sie zögerte und er führte seine Erklärung aus: „Es stimmt ich hatte eine Wette mit Timo, aber da kannte ich dich noch nicht. Es war dumm von mir auf seine Idee einzugehen und ich löste die Wette sofort auf, als ich dich nur ein bisschen besser kannte, dann verliebte ich mich in dich. Ich würde dir nicht weh tun wollen und doch das habe ich. Es tut mir leid, bitte verzeih mir meine grenzenlose Dummheit.“ Gab er sich entschuldigend zu. Annas Blick senkte sich, sie wusste nicht, was sie denken sollte, dann sah sie ihn wieder an. „Ich gehe jetzt nach Hause. Ich werde nachdenken.“, sagte sie sich abwendend. Er wollte ihr folgen. „Ich bring dich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein ich möchte allein sein, dich vorerst weder hören noch sehen. Akzeptier das bitte. – Ich melde mich bei dir und lass mich bis dahin einfach in Ruhe!“, sagte Anna mit stählerne Härte weg stapfend. Was hatte sich dieser Idiot dabei gedacht? Das all das keine Konsequenzen für ihn hatte?
Also war er dazu gezwungen mit anzusehen, wie sie allein Richtung nach Hause abzog und ihn am Waldesrand zurückließ.
*
Es vergingen zehn Tage, zehn so unendlich lange Tage, bis Andreas wieder von seiner Anna hörte. Er wusste, er liebte sie aufrichtig und seinen Fehler von damals hätte er nur zu gerne ungeschehen gemacht. Dann endlich surrte sein Handy und er ergriff es voll Angst. Doch nur ein Standort schickte sie ihm, mit dem Vermerk er möge sich um 18:30 Uhr dort einfinden. Andreas ritt zur besagten Stelle, denn es war jener Teich, wo sie sich schon einmal trafen. Als er dort angekommen war, fand er Anna nicht, er war allein. Er ging ein wenig näher an das Ufer. Traurig starrte er in den feuerroten Himmel der untergehenden Sonne, das war also ihre Antwort…
Doch in diesem Moment tippte ihn ein Finger auf den Rücken, Andreas wendete sich um und Annas Lippen trafen die seinen. Sie verzieh ihm und erwiderte seine Liebe, das war ihre Antwort…
Ende