Gedanken verloren und voller Reue setzte sich Anna in das Gras, nahe der Koppel. Was um Himmelswillen hatte sie getan? Sie versuchte sich krampfhaft an den Abend zuvor zu erinnern. Doch da waren nur Nebelschwaden. Sie hatte mit Andreas gesprochen und zu viel getrunken. „Andreas“, seufzte sie, er hatte einiges von Kete zu hören bekommen, was eigentlich an Anna hätte gehen müssen. Doch er hatte alle Schuld auf sich genommen und sie verteidigt. Anna krallte sich tief ins Gras. Andreas…, verträumt schloss sie ihre Augen, um nochmal die Wärme zu spüren, welche ihr am Abend, aber vor allem in der Nacht durch ihm zuteil wurde. Und doch war diese Wärme nicht mehr als ein Gefühl. War sie wirklich real? Immer wieder tauchten kleine Fetzen auf, die unmöglich in einen zeitlichen Kontext einzuordnen waren. Schemenhafte Bilder von Andreas in einem menschenleeren Raum und im Mondenschein des Gartens. Bei dem Gedanken, an die Bacardi-Flasche, drehte sich Annas Magen wieder ein wenig. Und natürlich war ihr ein Teil des Erbrechens als fetzenhafte Erinnerung geblieben. Viel lieber hätte sie gewusst, wie sie vom Garten bis in Andreas Auto gelangt war. Dieser Part des Abends war ein absolutes Schwarzes Loch, der reinste Filmriss. Er hatte, auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, immer beschützt und auf sie aufgepasst gehabt. Es war ein Gefühl der Geborgenheit. Hitze stieg in ihre Wangen auf und sie fingen an Rot zu glühen. Was um Himmels Willen war los mit ihr? Was habe ich getan? Die Fragen hämmerten in ihrem Kopf oder war es doch nur der Kater? Immer mehr verkrallte sich Anna im Gras, riss es aus und pustete es von den Handflächen in die Luft. Sie wusste selbst, dass sie drauf und dran war sich in Andreas zu verlieben. Oder hatte sie das schon? Sie konnte hier keine Antwort finden.
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„Hey Geistermädchen.“, Andreas begrüßte Anna freudig, als er sie an der Koppel erblickte, mit ihm hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, dabei wäre er wohl die größte Wahrscheinlichkeit gewesen. Wieder spürte sie, wie sich ihre Wangen röteten. Nicht jetzt!, durchzog es ihre Gedanken, was die Gesichtsröte nur noch schlimmer machte. „Hey…“, gab Anna kleinlaut von sich, sie wusste noch immer nicht, was sie gestern Abend alles ausgefressen hatte nur das es ihr unangenehm war. „Hättest du ein wenig Zeit für mich?“, seine Stimme klang nachdenklich und besorgt. Anna nickte und folgte ihm. Sie beide schwiegen sich auf dem Weg zum Gestüt an, Andreas konnte sich verstohlene Seitenblicke nicht verkneifen. Anna war bezaubernd, es war ihm unbegreiflich wie er das früher nicht erkennen konnte. Anna trottete ihm hinterher, sie hatte ihren Blick gesenkt. Sie schämte sich wegen der Geschichte von gestern Abend und war sich unschlüssig, was Andreas von ihr wollte. Hatte sie etwas Blödes getan, was er klar stellen wollte? Hatte sie sich so sehr daneben benommen, dass er keine Zeit mehr mit ihr verbringen wollte? Alles war möglich! In Anna drehten sich die Gedanken, wie der Margeninhalt vom Vorabend. Ein schlechter Vergleich, der das Gefühl der Übelkeit für eine Sekunde zurückbrachte.