Kapitel 8
Gegenwart:
„Ana?“ Sie blinzelte ein paar Mal und sah Teo an. „Ja?“ „Du warst völlig in Gedanken.“ „Oh. Warte die Kurzfassung.“ Sie holte tief Luft. „Ich habe mich verliebt, wurde früh schwanger, er hat mich verlassen, obwohl wir zusammen gehen wollten, dann haben meine Eltern erfahren, dass ich schwanger war. Es gab ein riesen Streit und das ich mein Kind abtreiben solle. Ich habe mich geweigert, daraufhin hat mich mein Dad aus der Wohnung geschmissen, alle meine Karten blockiert und gesagt, dass, wenn ich ein Kind auf die Welt bringen kann, auch selbst auf mich achten kann. Ich bin in den nächstbesten Bus gestiegen und bin soweit gefahren, wie mein Geld gereicht hat. Ich war völlig am Ende mit meinen Nerven. Da hat deine Mom mich angesprochen und ich weiß nicht wieso, aber ich habe ihr alles anvertraut. Sie hat mich dann mitgenommen. Sie hat mir geholfen, eine neue Identität anzunehmen und den Rest kennst du ja.“ Teo starrte sie entgeistert an. „Jetzt kennst du meine erbärmliche Vergangenheit.“ Sie massierte ihre Schläfen. Teo stand auf und setzte sich neben Ana. „Ich…“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. Stattdessen wollte er sie in den Arm nehmen, aber Ana schüttelte den Kopf. „Ich brauche kein Trost. Ich habe damit abgeschlossen. Dean hat mich nur aus dem Konzept gebracht.“ „Bist du dir sicher?“ Ana lächelte und nickte. „Ja. Ich bin nur erschöpft.“ „In Ordnung. Ich gehe dann jetzt, aber ruf an, falls du etwas brauchst.“ „Mach ich.“ Ana begleitete Teo noch bis zur Tür. Nachdem er gegangen war ging sie in ihr Schlafzimmer und öffnete ihren Kleiderschrank. Ganz oben, in der hintersten Ecke lag eine Hutschachtel. Sie ging auf die Zehenspitzen und nahm sie runter. An ihrem Fenster war eine Fensterbank. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und schaltete bloß die Nachttischlampe an. Ana öffnete die Schachtel und nahm ein Foto raus. Darauf war sie, mit Dean zusammen abgebildet. Er trug sie huckepack, sie hatte ihr Kinn auf seine Schulter gestützt und strahlte in die Kamera. Er hatte sein Kopf so auf die Seite gedreht, dass er ihr einen Kuss auf die Wange geben konnte. Ein wunderschönes Foto. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie legte es auf die Seite und nahm ein kleines Notizbuch. Sie öffnete es und sah all die Städte und Länder, die sie mit Dean besuchen wollte. Neben Paris waren lauter Herzchen. Sie blätterte weiter. Auf jeder Seite war eine andere Stadt, mit Sehenswürdigkeiten. Auch dieses legte sie auf die Seite. Das letzte was in der Schachtel war, war ihr Tagebuch. Sie schlug die erste Seite auf.
Das ist jetzt ziemlich kindisch und auch kitschig, aber irgendwie muss ich meine Gedanken und Gefühle festhalten. Ich habe jemanden kennen gelernt. Sein Name ist Dean. Er hat mich nachhause gebracht und ich habe mich nicht einmal getraut, nach seiner Nummer zu fragen. So bin ich nun mal. Ich weiß, dass Brooke mich wieder anschnauzen wird, aber jetzt kann ich es nun mal nicht mehr ändern. Eins ist aber sicher, ich habe mich noch nie in meinem Leben, so frei und glücklich gefühlt…
Das war der erste Eintrag, den sie geschrieben hatte, als sie Dean kennengelernt hatte. Sie blätterte weiter.
Ich habe ihn wieder getroffen. Diesmal habe ich seine Nummer. Wir schreiben uns ständig und ich habe dieses alberne Lächeln im Gesicht. Ich schätze, ich bin dabei, mich zu verlieben…
Ana übersprang einige Seiten. Als sie die ersten Worte las, wurde es ihr eng ums Herz.
Meine Eltern sind gegen unsere Beziehung. Aber das ist mir egal. Ich liebe Dean und er liebt mich. Ich bin außerdem volljährig. Er wird bald gehen und ich werde mit ihm gehen. Wir werden all die Städte zusammen bereisen. Ich kann meine Vorfreude kaum zurückhalten. Natürlich dürfen meine Eltern nichts davon wissen. Wenn es nach ihnen ginge, würde ich Finanzwesen studieren, Kevin heiraten und später das Familienunternehmen leiten. Naja, jetzt breche ich ab und lebe mein Leben…
Der nächste Eintrag war nichts Besonderes, aber der darauffolgende war umso schlimmer.
Er ist weg. Nicht mehr da. Ohne mich. Ich habe keine Ahnung was ich tun soll. Warum? Warum hat er das getan? Ich bin völlig alleine. Ich weiß nicht weiter… Ich muss mit meiner Mutter sprechen. Aber wie soll ich ihr sagen, dass ich schwanger bin?
Nun kam der letzte Eintrag, obwohl es noch viele freie Seiten gab. Eine Träne tropfte auf die letzte Seite, als sie den letzten Satz las.
Nie wieder lasse ich mir das Herz brechen Nie wieder!
Sie hörte von unten ein Wagen vor das Diner fahren. Aus ihrem Fenster, hatte man einen Blick auf die Parkplätze. Der Wagen hielt an und Peggy stieg aus. Aber das war nicht ihr Wagen. Die Lichter gingen aus und die Fahrertür ging auf. Ana knipste schnell das Licht aus. Kurz darauf stieg Dean aus. „Mummy?“ Ana wischte sich schnell die Tränen weg und verstaute alles wieder in die Schachtel. Dann wandte sie sich an ihre Tochter. „Spätzchen, wieso bist du denn wach?“ „Ich hatte einen bösen Traum.“ „Komm her.“ Ana richtete sich auf und hob ihre Tochter auf ihren Schoß. Nala kuschelte sich sofort an ihre Mutter. Ana küsste Nalas Scheitel. „Wollen wir zusammen schlafen?“, fragte Ana. „Ja.“ Ana stand auf und trug Nala in ihr Bett. Sie deckte sie zu und räumte die Schachtel auf. Dann ging sie noch einmal zum Fenster, aber der Wagen war verschwunden. Sie schloss die Vorhänge und kletterte dann unter die Decke. Sofort war Nala eng an ihrer Mutter. Während Nala schlief, weinte Ana stumm. Sie wusste, dass irgendwann die Wahrheit ans Licht herankommen würde, aber genau davor hatte Ana Angst. Ihr war es egal, wenn andere darüber etwas wissen würden, oder was sie denken würden. Das Einzige was ihr wichtig war, war ihre Tochter. Jetzt war Nala noch jung, aber wenn sie alt genug wäre, würde sie es sicher herausfinden und wenn sie dann erfahren würde, dass ihr Vater schon die ganze Zeit vor ihrer Nase war… Sie würde Ana nie verzeihen. Und Dean? Dean war ein schlauer Mann. Er musste nur eins und eins zusammenzählen. Sie war vor vier Jahren mit ihm zusammen gewesen. Nala war vier. Ana war in einer Zwickmühle und sie hatte keine Ahnung, wie sie da wieder herauskommen sollte.