M I A S M A
Er drehte den Schlüssel und öffnete die Tür. Quietschend, knarzend gab sie nach und schwang nur zögernd in den Raum. Mit etwas Kraftaufwand drückte er die rostigen Scharniere so weit auf, dass er eintreten konnte. Sofort spürte er, wie ihm die Luft wegblieb, als all die Erinnerungen an diesen Ort in ihm aufwallten. Fingerdick lag der Staub auf den alten Möbeln und die Spinnweben in den Ecken an der Decke waren bewohnt. Fast konnte er das Krabbeln des Ungeziefers auf seiner Haut spüren und mit einem Schaudern ging er zu dem kleinen Fenster, strich einige Weben weg und riss es auf. Auch dort quietschten die Scharniere und das Glas erzitterte. Es war halb verrottet, wie alles an diesem verfluchten Haus.
»Hey, was machst du denn hier oben?« Seine Schwester stand in der Tür und musterte ihren Bruder, der mit zusammengezogenen Brauen aus dem Fenster in den verwilderten Garten blickte. Dieses Bild hatte er all die Jahre nie vergessen. Damals, als die Blumenbeete noch gepflegt waren, als eine freundliche Nachbarin sich darum gekümmert hatte, waren sie das einzige gewesen, was ihm Trost gegeben hatte, wenn sein Großvater ihn in dieser Kammer eingesperrt hatte.
»Der Ausblick hat sich verändert«, war die dumpfe Antwort auf die Frage.
Die junge Frau sah sich in dem Raum um. Das alte Bett, das in einer Ecke stand, war so voller Staub, dass man ihn wie einen Pelz sehen konnte. Ein Geruch, modrig, trocken und kratzig in der Kehle, beherrschte das Zimmer.
»Hat er hier ...?«, presste sie hervor und biss sich auf die Unterlippe.
»Ja, hat er.«
»Das tut mir so leid! Ich kann das immer noch nicht ... das ... er war immer so lieb und doch ...«
»Verging er sich hier an seinem Enkel, während die anderen Kinder im Garten spielten. Lass gut sein, Schwesterchen. Ich bin nur froh, dass du es nicht warst. Gehen wir? Ich will nichts aus diesem Haus. Es ist genauso tot wie Opa.« Er schob die junge Frau sanft aus dem Raum, zog die Tür hinter sich zu und ließ den rostigen Schlüssel einfach stecken.