Pitschnass purzelten Milan und ich in die kleine Hütte. Unseren Trip zum Wandern durch die bunten Herbstbäume hatte ich mir irgendwie etwas weniger feucht vorgestellt, doch das war nicht zu ändern, denn draußen schien die Welt untergehen zu wollen.
»Tut mir echt leid«, entschuldigte sich Milan und rieb sich den Nacken. Aus seinen dunklen Haaren tropfte das Wasser. Wir hatten erst am Abend vorgehabt, in die Hütte einzukehren, bevor wir am Morgen in die Stadt zurückfahren wollten.
Ich lächelte. »Ich bin nur froh, dass wir nicht mehr da draußen sind. Gut, dass deinem Vater dieses Häuschen gehört.« Ich sah mich um - viel Platz gab es nicht, nur einen rustikalen Raum mit zwei kleinen Fenstern, zwei Ledersesseln vor dem gemauerten Kamin und einem Bett in einer Nische. Den alten Teppich zierte ein kleiner Tisch und Regale voller Bücher an den Wänden zeigten, dass diese Hütte ein Rückzugsort war. Fast ein wenig zu romantisch für meinen Geschmack. Lief es darauf hinaus, dass Milan und ich uns das Bett teilen würden? Ich räusperte mich und legte den patschnassen Anorak ab. Meine Zähne klapperten und ich rieb mir die Arme.
Er und ich waren noch nie so absolut allein gewesen und ich wusste nicht, ob mir das gefiel. Die Situation verunsicherte mich, denn dass Milan mehr für mich war als nur ein Freund, hatte ich nie jemandem anvertraut. Auch ihm nicht.
»Ich mache uns ein Feuer. In der Kochnische steht ein Wasserkocher und Tee ist auch da.«
Ich setzte uns etwas Warmes zum Trinken auf und währenddessen betrachtete ich Milan. Das Tanzen seiner Muskeln unter dem smaragdgrünen Schwedenpullover gefiel mir mehr als mir lieb war und innerlich verfluchte ich mich für diese Gedanken. Ich sah aus dem Fenster, wo der Sturm an den bunten Blättern der Bäume riss. Ich konnte das Gefühl nachvollziehen. Es riss auch an mir, sogar schon ziemlich lange.
»Weißt du, eigentlich kommt mir das Unwetter ganz gelegen«, hörte ich Milan murmeln. Er hockte vor dem Kamin und blickte in die tanzenden Flammen, deren Wärme sich rasch verbreitete.
»Warum? Findest du es lustig, mit deinem Stadtauto durch Matschpfützen zu brettern?«
»Nein«, lächelte er und wandte sich zu mir herum. »Aber das gibt mir noch mehr Gelegenheit, mit dir allein zu sein.«
»Du bist andauernd mit mir allein. Wir arbeiten zusammen!«
»Das Büro, wo ständig jemand stört, ist doch nicht dasselbe«, brummte Milan gutmütig und ich spürte, wie mein Herz anzuschwellen begann. Ich rieb mir die Hände an der Jeans ab. Er meinte nicht das, was ich dachte, das er meinte, oder?
»Ähm ...«
»Tut mir leid, Jess. Ich hätte damit nicht anfangen sollen. Ich will keine komische Stimmung zwischen uns reinbringen.«
»Warte, soll das heißen, du ... stehst auf mich? Du bist ein Kerl.«
»Na, du doch auch und ich merke trotzdem, wie du manchmal schaust, wenn du denkst, ich bekomme es nicht mit.«
Er erhob sich und sah mich an. Ein unerwarteter Schritt war getan worden und ich konnte den heißen Vulkan in mir brodeln fühlen, während draußen der kalte Herbststurm tobte.