Du sitzt in deinem Wagen.
Das Gebäude vor dir hast du fest im Blick.
Ein ständiges Kommen und Gehen.
Dir schlägt das Herz bis zum Hals.
Nun bist du also hier.
Nach all den Monaten.
Du weißt, das du dies nun tun musst.
Und dennoch ist dir schlecht.
Was wird dich dort drinnen erwarten?
Wird man dir zuhören?
Dich ernst nehmen?
Kaum weißt du, wie du überhaupt hier her gekommen bist.
Aber irgendwas in dir hat dich her getrieben.
Jetzt.
Es muss jetzt sein.
Du wirst eine Lawine los treten.
Zweifelsohne kannst du anschließend das Rad nicht zurückdrehen.
Egal, was dann passiert, du wirst damit leben müssen.
Eigentlich hättest du schon vor Monaten her kommen sollen.
Doch Angst und Schmerz hatten dich im Griff.
Und diese Scham.
Deine Hände gleiten ein letztes Mal über das Lenkrad.
Dann greifst du ins Handschuhfach und nimmst deine Papiere an dich.
Der Weg vom Auto zur Tür erscheint dir endlos.
Dann stehst du direkt davor, atmest tief durch.
Es gibt kein Zurück mehr.
Du musst.
Es geht nicht anders.
Jede Zelle in deinem Körper ist angespannt.
In deinem Körper ein einziges Flirren.
Plötzlich geht die Tür auf und zwei Personen kommen schwatzend heraus.
Ehe du dich versiehst, stehst du im Eingangsbereich.
Es rauscht in deinen Ohren und der Fluchtinstinkt setzt ein.
Du musst, willst aber nicht.
Gerade als du dich fragst, ob du nicht besser einfach wieder gehst, wirst du angesprochen.
"Kann ich Ihnen helfen?"
Eine Beamtin in Uniform steht vor dir und mustert dich aufmerksam.
Dein Mund ist ganz trocken.
Dein Puls rast.
Deine Hände sind nass.
Zögernd nickst du.
Dies ist der Moment.
"Ich möchte gerne eine Anzeige erstatten.", antwortest du. Sie führt dich zu einem Tisch.
Muss es eine Frau sein?
Dein ganzer Körper juckt und du glaubst eine Sekunge lang, du würdest keine Luft mehr bekommen.
Was, wenn man dir nicht glaubt?
Du willst weg. Kannst es doch nicht beweisen.
Nur dein Wort.
"Um was geht es denn?", möchte sie wissen.
Du tastest nach der Stuhllehne und versuchst die Panik in dir zu vermeiden.
"Meine Ex. Ich möchte Anzeige gegen meine ehemalige Lebensgefährtin erstatten."
Die Beamtin sieht dir in die Augen und du senkst den Blick.
Nein, das schaffst du nicht.
Die Scham erdrückt dich fast und die Hitze steigt in dir hoch.
Weg.
Einfach nur weg.
Sie bittet dich in seinem sehr ruhigen Tonfall, dich zu setzen. Wie man mit einem Kind spricht. Dann steht da ein Glas Wasser und du trinkst es gierig leer.
Sie hat einen Kollegen dazu geholt, der sich den zweiten Stuhl heran zieht.
"Dann erzählen Sie mal.", fordert er dich freundlich auf.
Du presst deine Lippen zusammen und die Gedanken überschlagen sich.
Die junge Polizistin lehnt an der Wand und betrachtet dich nachdenklich. Unbewusst hast du angefangen, dich an den Unterarmen zu kratzen. Du hältst inne.
Monatelang warst du das Opfer eines perfiden Plans.
Wenn du dich selbst retten willst, musst du aus dieser Rolle heraus.
Dich wehren.
Doch dazu braucht es jetzt Überwindung.
Mut.
Kraft.
Du versuchst alles zu bündeln.
Du musst es laut aussprechen.
Hier.
Jetzt.
Vor diesen wildfremden Menschen.
Du schließt die Augen.
Reden oder gehen?
Noch könntest du einfach aufspringen und die Polizeistation verlassen.
Ein tiefer Atemzug.
Du hast dich entschieden.