Prompt: Gebrechlich
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Sie hält sich ganz fest. Vorsichtig führt Vater sie an ihren Platz. Er hilft ihr, sich hinzusetzen. Ganz vorne in der ersten Reihe. Sie lächelt und bedankt sich leise.
Um sie herum füllt sich die Schulaula und die Chorleiterin ruft die Kinder zusammen. Es wird Zeit, dass sie sich sammeln und noch etwas vorbereiten.
Jan zögert, dann nimmt er schnell ihre mittlerweile kleine, schmale Hand.
Sie sieht ihn an und wünscht ihm viel Spaß.
Später, als er auf der Bühne steht, zum ersten Mal vor Publikum inmitten des Schulchors, sucht er ihren Blick. Seine Oma weint, hält die Hand des Großvaters und gleichzeitig zwinkert sie ihm zu. Sie hat sich nichts mehr gewünscht, als dies noch zu erleben. Das begreift auch er mit seinen knapp neun Jahren. Sie ist es gewesen, die ihm die Liebe zur Musik näher gebracht, ihm das Klavierspielen beigebracht und ihn zum Singen ermutigt hat. In der Musik findet er Ruhe. Sie beruhigt ihn und macht ihn glücklich.
Für einen Moment sieht er in ihr die lebenslustige Frau, die sie vor kurzem noch war. Nun hat der Tod an die Tür geklopft und das macht Jan unglaubliche Angst. Er fürchtet sich vor dem Tag, an dem es sie nicht mehr da ist. Jan spürt, dass es nicht mehr lange dauern wird. Er kann es ihr ansehen und will ihr etwas Trost und Mut schenken. Mit der Musik, die sie verbindet.
Als der letzte Ton verklingt, steht das Publikum auf und auch seine Großmutter lässt sich hoch helfen. Als sie steht, schüttelt sie die Hand ihres Mannes sanft weg und beginnt zu klatschen. Oh Gott, wie sehr er sie liebt. Sie formt mit den Lippen einen Satz.
»Ich bin stolz auf dich.«
Jan vergisst, dass er stehen bleiben und dann mit den anderen zur Bühne gehen soll. Er verlässt seinen Platz, eilt über die kleine Treppe von der Bühne und fliegt seiner Oma fast in die Arme.
Es ist ihr letztes Aufbäumen, für dass die gebrechliche, vom Krebs gezeichnete Frau ihre letzte Kraftreserven mobilisiert hat.
Nur ein paar Wochen später müssen sie Abschied nehmen.
Niemals aber hat Jan diesen Moment vergessen.