PROMPT: Gefühle
Da stehst du nun.
12 Jahre alt und alles in dir ist ein einziges Chaos.
Du begreifst gar nicht, was überhaupt alles passiert ist.
Das einzige, das du verstehst ist, dass man dich belogen hat.
Vor dir der schlichte Grabstein.
Nur die Namen stehen darauf
Elisabeth "Elli" Lehmann
Jakob Heinrich Lehmann
Du kannst deutlich erkennen, dass der zweite Name erst kürzlich hinzugefügt wurde.
In deinen Augen schwimmen Tränen, die du elig wegblinzelst.
Nein, die soll niemand sehen.
Vor allem diejenigen nicht, die dich hergebracht haben.
Du bist unfassbar wütend geworden, als sie endlich die Wahrheit sagten.
Auf sie, weil sie geschwiegen hatten.
Auf Gott, weil er das hat geschehen lassen.
Auf Opa, weil er nicht auf dich gewartet hat.
Und auf dich, weil du nicht da warst, als es passiert ist.
Du spürst eine Hand auf deiner Schulter und zuckst zusammen. Die Worte deiner Mutter dringen überhaupt nicht zu dir durch. Im Moment kannst du weder die Berührung noch die Stimme ertragen. Energisch gehst du einen Schritt zur Seite, damit ihre Hand wieder im Leeren landet. Tief vergräbst du deine Hände in der Jeans.
Obwohl deine Eltern hier mit dir stehen fühlst du dich mutterseelenallein. Und du willst weg von hier. Der Ort bedeutet dir nichts. Schnell drehst du dich daher weg und beißt dir auf die Lippe.
Aber wohin sonst?
Wohin mit all dem, was da in dir gärt?
Wohin mit der Wut?
Wohin mit den Tränen?
Dein Vater sieht dich fragend an und du nickst leicht. Wieder weichst du deiner Mutter aus und gehst dann schweigend neben ihr her. Sie fragt, ob alles in Ordnung sei. Ob du reden möchtest.
Reden.
Was soll das schon bringen?
Es bringt dir nichts zurück.
Dein Opa ist weg.
Für immer.
Und du versuchst seit Tagen, ihn dir vorzustellen.
Wie er da stand vor ein paar Wochen und dich verabschiedete.
Wie er dich in den Arm genommen hat.
Sein Bart hatte an deiner Wange gekitzelt und mit seiner tiefen Stimme hatte er dir ein Projekt für den Herbst versprochen.
Aber erst solltest du gesund werden.
Und dann hatte er leise in dein Ohr geflüstert, dass er dich unendlich lieb hatte und du sein größter Schatz wärst.
Nie wieder wirst du diesen Bart spüren.
Der Geruch in der Nase haben, der so eigen war.
Holz.
Kaffee.
Zigarre.
Opa eben.
Nie mehr diese gütigen Augen sehen.
Nie wieder seine Stimme hören.
Nie wieder die Worte hören, die dir immer Mut machten.
Allein.
Er hat dich allein gelassen.
Und da ist niemand mehr, der dich versteht.
Du schluckst die Tränen wieder herunter und ballst deine Fäuste.
Das Leben ist unfair.
Und in dir einfach nur noch Wut.