Verweint sah der kleine Junge sie an. Mit Engelszungen hatte sie auf ihn eingeredet und immerhin hatte er aufgehört, laut zu schluchzen.
Sie deutete in das Zimmer.
"Schau, du kannst hier dein eigenes Abenteuer erleben."
Skeptisch macht der Kleinen einen Schritt.
Das Zimmer war abgedunkelt.
Obwohl helllichter Tag.
Abwartend blieb sie hinter dem Kind stehen. Er entdeckte das Zelt und seine großen Augen wanderten durch den Rest des Raums.
Kopfschüttelnd drehte er sich um.
Ungeduldig nahm sie ihn an die Hand und führte ihn zum Tisch.
"Gestern hat es dir doch gefallen.", argumentierte sie.
Am Vortag hatte er stundenlang an diesem Lego gebaut und hatte partout nicht ins Bett gewollt. Wahrscheinlich ein Grund, warum er heute überhaupt so unausstehlich war. Sie zupfte an ihrem Top herum. Für das es eigentlich viel zu kalt war. Ihr Blick ging zur Uhr. Viel Zeit blieb ihr nicht.
Nur ein kleines Zeitfenster. Getrieben aus diesem Zufall. Aber sie wollte die Gunst der Stunde nutzen. Sofern der junge Herr hier mitspielte.
Verärgert schob sie ihn zu dem Kinderstuhl.
Schon wieder verzog er das Gesicht.
"Nun komm schon."
Der Kleine verschränkte die Arme und schob trotzig seine Unterlippe hervor.
Verdammt, er sah wirklich aus wie eine kleine Kopie seines Vaters!
"Das Lego ist doof. Ich mag das nicht.", maulte er. Sie fühlte nach dem Schlüssel in ihrer Hosentasche.
"Weißt du, wenn du das Schwert fertig gebaut hast, dann besitzt es Zauberkräfte. Und mit denen kannst du bestimmt die Trolle aus dem Zelt locken. Zusammen mit ihnen geht es bestimmt auf eine große Abenteuerfahrt, was meinst du?"
Sein Kopf fuhr herum und er musterte neugierig das Zelt. Gestern hatte er sie angebettelt, dort schlafen zu dürfen. Doch da er am Abend so frech gewesen war, hatte sie es kurzerhand gestrichen. Jetzt aber nickte sie.
"Die Trolle warten nur auf dich. Sie wollen dir ein Geheimnis zeigen. Aber du musst dich beeilen, sonst wirkt der Zauber nicht mehr."
Nochmal zögerte er und sie schickte ein ungeduldiges Stoßgebet zum Himmel. Die Neugier des Jungen siegte. Mit einem Lächeln rutschte er auf den Stuhl und betrachtete das Lego. Innerhalb weniger Sekunden war er vollkommen vertieft und begann damit, die Steinchen zusammen zu suchen. Sie wartete einen Moment, dann ging sie leise zur Tür.
Behutsam schloss sie diese und schob dann den Schlüssel in das Schloss.
Dann atmete sie durch.
Noch schien er nichts bemerkt zu haben.
Das Kind hatte Fantasie und wäre sicherlich eine ganze Weile beschäftigt.
Sie betrat den Raum neben an und steckte den Schlüssel dort in eine Schatulle und schob diese hinter die Bücher auf dem Regal.
Einfach wollte sie es ihm nicht machen.
Immerhin hatte sie ein Ziel.
Als es klingelte, warf sie einen Blick in den Spiegel.
Ordentliches Make-up.
Ein langer Rock und ein beinahe durchsichtiges Top.
Beides zeugte davon, dass sie keine Wäsche trug.
Das sollte reichen.
Viel mehr Anstrengung hatte es selten bedurft.
Mit wippenden Schritten ging sie zur Tür und fuhr sich mit der Zunge nochmal über die Lippen.
Ihre Lust breitete sich von ihrer Mitte im ganzen Körper aus.
Es war ein Teil des Spiels.
War es immer gewesen.
Und heute würde sie gewinnen.
Wie immer.
Nur, dass sie lange nicht gespielt hatten.
"Lust auf ein Abenteuer?", fragte sie, als sie die Tür geöffnet hatte.
Ein fragender Blick.
Unverständnis.
Lachend lehnte sie sich an die Kommode.
Dann erklärte sie ihm die Spielregeln.