PROMPT: Ring
Übermütig reichte sie ihm die billige Rotweinflasche. Wie so oft hatten sie ihr Lager an ihrem Lieblingsplatz aufgeschlagen. Jetzt, im Hochsommer, ließ es sich dort bis weit in die Nacht gut aushalten.
"Wir könnten nach Paris fahren", meinte sie lachend. Er nahm einen Schluck des Chiantis und schüttelte den Kopf.
"Paris?", fragte er.
Sie kuschelte sich in seinen Arm und deutete über den See.
"Einfach mal raus."
Seufzend gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie schwiegen, lauschten den Grillen und beobachteten gemeinsam, wie es langsam immer dunkler wurde. Die Nacht war warm, lud zum draußen schlafen regelrecht ein.
"Wir könnten stundenlange durch den Louvre bummeln, in die Oper gehen, Montmarte entdecken. Sacre Coeur. Leckere Croissants essen und einen Milchkaffee trinken. Den Malern zusehen, die ihre Portraits unters Volk bringen wollen. Oder noch besser, wir lassen uns malen. Dann hören wir den Geigern zu oder Spielmännern. Und abends trinken wir Rotwein und sitzen an der Seine. Wir könnten heiraten."
Beinahe hätte er sich verschluckt.
"Heiraten?"
Sie hatte sich aufgesetzt und ihre Augen leuchteten vor Übermut. Nickend griff sie in den Picknickkorb und wühle darin herum, dann grinste sie.
"Heiraten! Du hast doch gesagt, dass du für immer mit mir zusammen sein möchtest", lachte sie und gab ihm einen Kuss.
Dann hielt sie ihm ihre geschlossene Faust vor die Augen.
"Rate!", forderte sie ihn auf.
Er musterte sie.
Ihre dunklen Augen strahlten und sie wirkte wie ein kleines, unbekümmertes Mädchen.
Noch ehe er antworten konnte, öffnete sie die Faust und blickte ihn erwartungsvoll an.
Sprachlos starrte er auf die beiden Ringe in ihrer Hand.
"Woher hast du die denn?", wollte er wissen.
Sie zwinkerte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und griff nach seiner Hand.
"Erbstücke. Die haben meinen Großeltern gehört. Irgendwann erbe ich die sowieso. Da dachte ich, ich kann sie auch jetzt schon benutzen."
Während sie sprach, hatte sie ihm langsam den Herrenring über den Ringfinger der linken Hand geschoben. Er passte wie angegossen. Sie reichte ihm das filigranere Gegenstück.
"Jetzt du", hauchte sie.
Tatsächlich schlug sein Herz etwas schneller, als er ihr den Ring ansteckte. Sie beugte sie zu ihm und ihr Kuss war nun deutlich fordernder als zuvor. Sie krabbelte auf seinen Schoß und sah ihm tief in die Augen.
"Morgen früh um Acht geht ein Zug. Wir wären am Nachmittag dort.", flüsterte sie. Wie von selbst glitten seine Hände unter ihr dünnes Top.
"Paris", seufzte er.
"Paris", gab sie leise zurück.
Sie hielt sich an seinen Schultern fest und streichelte seine Wange.
"Wir sind jetzt verlobt", meinte sie mit einem Augenaufschlag. Mit einer schnellen Bewegung zog sie das Oberteil über ihren Kopf. Schluckend betrachtete er sie im Mondlicht. Sie löste ihren Dutt und ließ die langen schwarzen Haare über ihre Brüste fallen. Er griff nach einer Haarsträhne und wickelte sie über seinen Finger. Dann nahm er ihre linke Hand und berührte den goldenen Ring.
"Es gibt da eine kleine Pension, die nicht viele Fragen stellt. Du und ich. Zwei Tage und zwei Nächte."
Er hob überrascht eine Augenbraue.
"Was sagst du? Bist du dabei, Verlobter?"
Ihr Lachen sollte gelöst klingen, aber er kannte sie zu gut. Dennoch nickte er. Auch weil er ahnte, dass sie so oder so in diesen Zug steigen würde. Ob nun mit oder ohne ihn. Und irgendetwas sagte ihm, dass er nah bei ihr bleiben sollte. Wie sehr er sie liebte. Er würde alles für sie tun und wollte sie vor allem beschützen.
Daran dachte er noch, als er Jahre später die Ringe in das Feuer warf.