Die Geschichte ist in der Gruppe Sixty Minutes - Die Challenge entstanden. Prompt: Winterstille
„Guck mal, wie schön!“
„Was? Ich könnte ja auch Hunger haben. Moment.“ Es wuselte direkt los.
„Ach wie schön.“ Schwelgte das andere.
„Wo habe ich nur die...?“ Es schaute nach rechts und nach links. War da etwas? Ein Geräusch? Oder ist nur ein verspätetes Blatt noch irgendwo runtergefallen, laut raschelnd. „Wo sind die nur?“
„Komm doch noch mal hier rauf!“, rief das andere.
„Baum runter, Baum rauf“, seufzte es. „Egal.“ Und stob wieder nach oben, den Stamm mehrfach umkreisend.
„Jetzt schau doch endlich mal.“
„Waff?“
Das andere blickte ihn an. „Wie viele Nüsse sind es?“
„Dfei.“
„Na, dann gehe sie halt verbuddeln und komm schnell wieder.“
Wieder sprang es von dem Ast zum Stamm und Kopf voran nach unten. „Wo haf iff eifentliff die anderen?“, dachte es laut. „Ah ja.“ Es schien sich zu erinnern, sprang ein paar Meter weiter, buddelte und legte die Nüsse in die Erde. „Nee, hier nicht. Aber egal. Noch ein Lager mehr kann nicht schaden.“ Es blickte sich kurz um. „Ah, das könnte ich gut für mein Lager brauchen.“ Und schon wieder hatte es etwas im Mund, dieses Mal altes, dürres Grün, das in einer Hecke hing.
„Kommst du jetzt mal?“, rief das andere von oben.
Was für eine Hektik heute. Also gut, wieder rauf auf den Baum.
Kopfschüttelnd wurde es empfangen. „Für deinen Kobel?“
Es nickte.
„Dabei wollte ich dir nur...“, doch weiter kam es nicht.
„Mmnt.“ Es meinte wohl „Moment“, rannte aber schon längst einen Ast entlang, um auf den nächsten Baum zu springen und dann noch einen weiter, der in einer großen Gabel eine Art Nest beinhaltete. Dort war es erst einmal beschäftigt. Geschickt webte es das ehemalige Grünzeug in das vorhandene Material ein. Kurzer Liegetest – ja, es war besser. „Ok, ich komme!“, rief es zum anderen Baum. Doch eine Krähe versperrte den Weg. Ganz still stand es da, doch bestimmt sah die Krähe das kleine Herz heftig schlagen. Zum Glück flog die wieder los. Zurück auf den Baum in der Mitte, quer durch und noch einen Baum weiter. Stopp. Das war der falsche Baum. Wieder zurück, einen anderen, und dort wieder hoch.
„Jetzt schau doch mal...“ Doch was immer es zeigen wollte, so weit kam es nicht.
„Da hat einer Vogelfutter rausgelegt.“ Und schon wieder verschwand es. Quer durch einen Garten. Es bemerkte die Augen der Hausbewohner nicht, die sich an dem braunen Fellknäuel erfreuten. Warum denn auch, wenn die so blöd sind und das beste Futter quasi in Griffnähe aufhängen? Oha, dieses Jahr war es anders angebracht. Viel Höher als sonst. Und die alten Pfosten waren nicht mehr da, auf die man draufklettern konnte. Aber „aufgeben“ fehlte auf jeden Fall im Vokabular des Tieres. Der Blick folgte dem Stock, an dem der Fettballen mit den eingedrückten Kernen hing. Ja, es würde gefährlich werden. Aber das Zeug war so lecker! Also sprang es dorthin, wo der Stock im Boden steckte. Einfach umklammern, kurz runterrutschen, fester umklammern, und Stück für Stück hoch bis zur Querstrebe. Puh, geschafft! Und jetzt, langsam, von oben, mit den Hinterfüßen noch festhaaaaa. Plumps. Aber nicht ohne den Fettknödel so getroffen zu haben, dass wenigstens ein paar Kerne herunterfielen. Mmh, lecker.
„Du musst dich beeilen!“
Ui, ja, schnell zurück auf den Baum, mehrere Kerne natürlich im Mund. Oben gab es einen der Kerne weiter.
„Siehst du jetzt?“ Es deutete auf die Untergehende Sonne.
Es kaute. Wie lecker das schmeckte, aber warum wurde es so doof hingehängt?
„Und hörst du es?“
Kauend kam die Antwort. „Waff?“
„Das ist die Winterstille. Da wird...“, doch das andere Tier war schon wieder unterwegs, „alles ruhiger. Nur du nicht.“ Mit Leichtigkeit sprang das Tier von Ast zu Ast, um schließlich in seinem eigenen Kobel anzukommen. Es hatte genau aufgepasst, wo das andere die Nüsse versteckt hatte und legte sich mit einem wissenden Lächeln in das wärmende Nest.