Das heutige Wort ist Flockentanz. Ich zweifelte daran, dass es dieses Wort offiziell im Duden gibt, siehe da, es folgt ein Zitat aus dem Duden:
Flockentanz, männlich, leicht und tänzelnd fallender Schnee. Das Wort ist männlich, da musste ich schmunzeln, hätte es eher weiblich erwartet im Zusammenhang mit dem Tanzen. Egal. Starten wir die Geschichte.
Da bei uns Schneefall eine Geduldsprobe ist, findet diese Geschichte während meinem Austauschjahr in Kanada im schneereichsten Land der Welt im tiefsten Winter statt. Ihr müsst wissen, dass die Winter dort wirklich kalt sind und es mit der Kälte nicht zu spaßen ist.
An einem solchen Tag waren wir mit dem Automobil von Montreal Richtung Quebec unterwegs. Die Straßen waren leer geräumt und irgendwann fing es an, zu schneien an. Die Schneeflocken sanken auf die Frontscheibe. Der Scheibenwischer tönte am Anfang mürrisch und quietschte über die Scheibe hin und her bis es sich an seine Aufgabe gewöhnt hatte.
Fahren im Schnee ist schwierig. Der Schnee setzte sich auf die kalte Fahrbahn rasch fest. Im Auto waren unsere beiden kleinen Kinder und sie hatten am Schnee richtig Freude und schauten den tanzenden Schneeflocken nach. Der größere sagte: „Die habe ich gefangen“, und schlug mit seinem Händchen gegen die Autoscheibe. Auf der Frontscheibe tänzelten die Flocken hin und her und landeten schlussendlich. Ehrlich gesagt, freute mich dieses Schauspiel im Moment nur mäßig, da die Straßenverhältnisse extrem wurden.
Einige Kilometer weiter wurden die Schneeverhältnisse so schlimm, dass ich am Straßenrand anhalten musste. Aufgrund der Kälte ließ ich den Motor laufen, um im Auto warm zu haben. Die romantische Stimmung der tanzenden Flocken schien, wie verflogen. Jede weitere Schneeflocke schien unsere Lage zu verschlimmern. So verging die Zeit für mich nur langsam. Meine Frau erzählte den Kindern Geschichten von Schnee und Iglubau und Eisbären. Ich musste meine Ohren verschließen, da ich langsam Panikzustände bekam. Die Straße sah äußerst gefährlich aus und die Tankanzeige sank kontinuierlich. Die Sicht war keine zwei Meter weit. Der Sekundenzeiger der Autouhr, den ich gewöhnlich nicht hörte, tickte laut und deutlich. Die Kinder schauten hinaus und hörten gebannt den Geschichten zu über tanzende Flocken und Schneegestöber.
Ich entschied mich die Decken, den Tee und die Sandwiches aus dem Kofferraum zu holen. Die Straße war echt rutschig, mit dem Fuß glitt ich prüfend über den Belag und musste mir eingestehen, dass es gefährlich war. Die Straße war absolut ruhig, da der Verkehr Stillstand. Das Schneegestöber hatte ein bisschen nachgelassen. Eine Flocke setzte sich auf meine Nase, wurde schnell vernichtet und der Tropfen fiel auf meine Lippen. Ich war froh, wieder ins Auto zu steigen. Ich entschied mich, die Warnblinkanlage einzuschalten, lieber spät als nie.
Die Kinder und meine Frau waren nicht beunruhigt. Als ich im Auto saß, blickte ich auf die Tankanzeige und in diesem Moment machte sie einen Ruck nach unten und sie war im roten Bereich. Ich versuchte mich, zu beruhigen aber ich hatte einen nervösen Husten und war rot vor Aufregung im Gesicht. Meine Frau blickte auf und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein kurzer hektischer Wortwechsel und ein stiller Vorwurf, dass man dies eigentlich wissen sollte und immer vollgetankt losfahren müsste. Einen Reservekanister hatten wir fahrlässiger Weise auch nicht. Ich zeigte auf die Kinder und hob den Zeigefinger zu den Lippen. Es würde schon gut ausgehen. Ich stieg aus dem Auto und befreite die Scheiben vom Schnee.
Um mich zu beruhigen, schob ich, als ich wieder im Auto war eine Kassette in die Musikanlage mit einem Bolero und schaute dem Schauspiel der tanzenden Flocken zu. Es war wunderschön zuzusehen und bei den Flocken war deutlich sichtbar, dass sie einzigartig waren. Mein Herzschlag beruhigte sich und ich versuchte regelmäßig ein- und auszuatmen. Meiner Frau und den Kindern ging es soweit gut.
Als ich mich beruhigt hatte, klopfte es plötzlich an der Autoscheibe. Ich kurbelte sie herunter und jetzt sah ich, dass hinter uns ein Einsatzfahrzeug mit blinkendem orangem Licht angehalten hatte.
Auf Französisch fragte er, ob alles in Ordnung sei, wenn sie von einem Auto reden, sprechen sie von einem Panzerwagen. Ich erklärte kurz, dass wir knapp mit dem Benzin dran waren. Kein Problem, meinte er und wir stiegen beide aus und er füllte rund 20 Liter in den Tank. Ich bezahlte und bedankte mich. So waren wir über das Gröbste.
Kurz nachdem sie mit blinkendem orangem Licht weitergefahren waren, prüften wir die Situation. Der Schneesturm hatte deutlich nachgelassen. Wir montierten die Schneeketten und entschieden uns langsam weiterzufahren im Tanz der Flocken.