Ich heiße Jack Miller und bin einer der berühmtesten Anwälte der USA. Also besser gesagt war. Wenn ich im Spiegel schaue, sehe ich einen alten Mann mit Glatze und Furchen im Gesicht. Aber ich bin glücklich mit meinem Leben und mein Aussehen ist nicht ungewöhnlich für einen achtzigjährigen Mann. Meine Pensionierung genieße ich in vollen Zügen und spiele wie viele Rentner Golf.
Das folgende Telefonat stürzte mich zurück in die Ereignisse aus den Achtzigerjahren. Ich erhielt einen Telefonanruf von einem Autor und er wollte ein Buch schreiben über einen Menschen in der Art von Jekyll und Hyde. Ich wehrte ab und sagte ihm, dass ich auf keinen Fall über diesen Fall reden möchte. Er insistierte und ich meinte: „Es ist über 40 Jahre her“, lassen sie mich über die Geschichte nachdenken, „ich rufe sie zurück an.“
Am nächsten Tag saß ich an meinem Arbeitstisch und musste über Jekyll und Hyde nachdenken. Für diejenigen, die Jekyll und Hyde nicht kennen, hier kurz, um was es geht. Die Geschichte ist vom Autor Stevenson und handelt von einem Menschen mit quasi zwei „Ich“ ein gutes und ein böses, dass sich relativ schnell abwechselt und komplett andere Persönlichkeiten hervorbringt. Jekyll ist der nette Arzt von nebenan und Hyde verkörpert das Böse.
Also dieser Fall, den ich in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts betreute, kostete mich meine letzten Nerven und auch ein Großteil meiner Haare. Was ich dazu gewann, ist eine riesige Erfahrung und danach war ich der gefragteste Staatsanwalt der USA. Ich machte eine besondere Karriere. In diesem Sinne verdanke ich ihm viel. Dieses Jahr sind es 30 Jahre her, seit er auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Seine Hinrichtung wurde immer wieder verschoben unter Ausnützung aller möglichen Hilfsmittel. Dies ist in den USA nichts ungewöhnliches und an der Tagesordnung. Dies kostet den Staat Unmengen an Steuergelder. Das ist aber unser Rechtssystem und unter Betrachtung der vielen Fehlurteile ist dies meines Erachtens sogar richtig. Durch eine gewisse Taktik konnte er seine Hinrichtung immer wieder aufschieben. Er gestand einzelne Verbrechen und hielt die anklagenden Behörden in Schach, die natürlich möglichst viele ungeklärten Verbrechen aufklären wollten.
Dieser Mann hieß Ted Bundy und sah aus wie der nette Nachbar von nebenan mit stahlblauen Augen. Sein Aussehen war eher hübsch und dann noch smart dazu. Er war äußerst intelligent und hatte einige Jahre Psychologie studiert. Dies brachte ihm enorme Vorteile. Er konnte sich im Handumdrehen in sein Gegenüber hineinversetzen und Gedanken lesen. Einige Jahre hatte er sogar Rechtswissenschaften studiert. Sein Fall war außergewöhnlich, ich kann mich gut daran erinnern, wie er sich vor Gericht selbst verteidigte. Dies gab ihm Zugang zu allen Akten. Zudem, wer konnte den Fall besser kennen als er, der Täter. Er war redegewandt und verteidigte sich recht gut. Er sprach von sich selber, wie von einer Drittperson.
Wieso vergleiche ich ihn mit Dr. Jekyll und Hyde. Zwischendurch war er der normale Partner und Liebhaber einer Frau. Er lebte eigentlich ein von Außen betrachtet normales Leben und zwischendurch verwandelte er sich in eine Bestie oder ein Monster und ging auf Pirsch. Seine Opfer waren nur Frauen. Sie waren attraktiv und alle jung, bis maximal 30 Jahre. Alle hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit langen glatten Haaren und einem Scheitel und sie waren meist Studentinnen. Er stellte sich sehr geschickt an und konnte die Frauen in ein Gespräch verwickeln. Einmal fragte er nach der Hilfe der Frauen. Sein Bein war eingegipst. Aber dies war sozusagen nur Show. Viele seiner Frauen gingen rasch in die Falle. Und er ermordete sie gnadenlos. Die genauen Details möchte ich euch ersparen. Ich musste die Akten studieren. Es waren mehrere Laufmeter Akten in Bundesordnern abgelegt. Er wurde mehrmals verdächtigt. Er konnte sich geschickt aus der Schlinge ziehen. Beim Aktenstudium musste ich zwischendurch aufstehen und eine Pause machen. In dieser Zeit fing ich wieder an zu rauchen. Es war einfach zu schrecklich!
Ich muss euch gestehen, dass ich sogar mit ihm redete und ich fand ihn nicht unsympathisch und hätte dies niemals für möglich gehalten. Er wurde zufällig gefasst wegen zu schnellem Fahren und sein Auto wurde aus diesem Anlass genauer untersucht. So flog er auf. Er gestand nur ein Bruchteil der Morde. Wir schätzen, dass es über 100 Morde waren, die auf sein Konto gehen.
Das Verrückte ist, dass er während der Anklage sogar heiratete. Unglaublich, dass ein Mann, der wegen mehrfachen Mordes angeklagt wird, problemlos eine Frau findet.
Ich habe mich entschieden, ich werde kein Interview geben. Einerseits weil ich der Meinung bin, dass Vergangenes ruhen soll. Andererseits wurde bereits so viel über ihn geschrieben, dass noch mehr Aufmerksamkeit für diesen Serienmörder falsch wäre.
ENDE