Donge Mpaula, der Sicherheitschef des hiesigen RegSec saß nach vorne gebeugt mit den Ellbogen auf dem Tisch vor dem offensichtlichen Verbrecherpärchen, dass am anderen Ende des Tisches hockte und sich fröhlich Stryker und Whiskey ins Glas goss. Er massierte seine Schläfen, dröhnende Kopfschmerzen machten sich in ihm breit. Hätte er an diesem Morgen geahnt, was dieser Tag noch alles an Überraschungen für ihn bereithält, wäre er wahrscheinlich einfach liegengeblieben und hätte die Decke über den Kopf gezogen.
Aber leider ist das Leben hier auf Makon, besonders in der Hauptstadt Vantris nicht so leicht. Als Sicherheitsbeamter, dazu noch als Chef und natürlich korrupt, wie er war, war er quasi ein Magnet für alle Arten von Ärger. Durch seine Hände hindurch sah er das Verbrecherpärchen vor sich vergnügt tuscheln, einander Blicke und verwegene Luftküsse zu werfen. Er konnte es schier nicht fassen, wie sie hier so sorglos und verliebt beieinandersitzen konnten, obwohl sie gerade einen kaltblütigen Mord begangen haben. Außerdem haben sie nicht irgendjemanden umgebracht, sondern einen von nur drei großen Verbrecherbossen, die es im Asradäischen Bezirk gab, in seinem Bezirk.
Sollte er das Schweigen jetzt einfach brechen oder warten, bis die Herrschaften sich ihm und seinen dringenden Fragen endlich zuwandten?
»Wenn ich an ihrer Stelle wäre, hätte ich einige Fragen an uns. Haben sie denn Fragen?« Xal schaute ihm direkt in die Augen. Es war schwer etwas anderes darin zu erkennen als Aufrichtigkeit. Das verblüffte Mpaula. Jetzt, wo das Schweigen gebrochen war gab es für ihn kein Halten mehr. Mit lauterer Stimme, als er eigentlich vorhatte, erwiderte er. »Allerdings habe ich Fragen, allerdings. Und zwar jede Menge. Das können sie sich ja wohl denken.«
»Dann fragen sie!«
»Als erstes möchte ich wissen, warum verdammt nochmal sie einen Verbrecherboss, der eigentlich ihr Verbündeter war, auf so kaltblütige Weise, in einer solch öffentlichen Lokalität umgebracht haben. Dazu haben sie mich noch zu einem Mitwisser oder sogar Mittäter gemacht und dann sitzen sie hier vergnügt, wie zwei verliebte Jugendliche, als wäre nichts gewesen.« Am Ende seiner Worte stand er mit den Fäusten auf den Tisch gepresst vor ihnen.
Xal antwortete weiterhin sehr gelassen. »Setzen sie sich doch bitte wieder hin und genehmigen sie sich einen Drink oder zwei. Das beruhigt.« Er schob ihm das Glas rüber und hielt ihm dann abwechselnd den Stryker und den Whiskey vor die Nase. Mpaula setzte sich wieder hin, verschränkte die Arme auf dem Tisch und nickte in Richtung Stryker. Xal goss ihm ein volles Glas ein und verschloss die Flasche wieder. »Gute Wahl. Wenn ich richtig gezählt habe, waren das Sechs Fragen auf einmal.« Xal schaute nochmal auf, um eine Bestätigung von Mpaula zu bekommen, dieser nickte einfach kurz, damit er endlich Antworten bekam. Xal‘s intellektuelle Spielchen gingen ihm gerade am Hintern vorbei.
»Gut also beginnen wir mit dem Warum. Warum haben wir Angmarach, den Neokasier ermordet? Die Antwort darauf ist so simpel, wie verständlich. Weil er geplant hatte mich zu ermorden und die Gelegenheit heute günstig war.« »Was genau meinen sie damit, Xal?« Unterbrach ihn der Sicherheitschef.
»Angmarach arbeitete seit mehreren Monaten mit Rockenbach zusammen. Zunächst ging es nur um einige Absprachen, ein paar Deals nebenbei. Einfach ein größeres Stück vom Kuchen, sie verstehen? Doch Rockenbach ist viel cleverer als unser kürzlich verschiedener, neokasischer Boss aus Blamen. Rockenbach hat die letzten vier Jahre, seitdem wir zusammenarbeiten, einige Strategien gegen mich und das RegSec ausprobiert. Nichts, was ich nicht vorhergesehen hätte oder nicht abwehren konnte. Aber das war alles nur Tarnung. In Wirklichkeit baggerte er seit Jahren daran mit Angmarach ins Geschäft zu kommen. Zum Glück für uns, ist ihm das nicht gelungen. Zum Teil lag das sicherlich an der Dickköpfigkeit und des Verständnisses von Loyalität unseres Muskelmannes. Aber der Hauptgrund war ganz einfach. Es hätte sich nicht für ihn gelohnt, sich mit Rockenbach zusammenzutun. Denn unser Deal war für ihn viel profitabler. Solange ich mir dessen bewusst war, machte ich mir keine Sorgen darüber. Alles änderte sich vor einem Monat. Und jetzt kommen wir nochmal zurück auf das Warum. Vor einem Monat riskierte Arnula ihr Leben und suchte mich heimlich in einem meiner Verstecke auf. Dass sie dazu überhaupt in der Lage war, mich dort zu finden, fand ich sehr erschreckend. Aber ihre Liebe zu mir ist echt und ungeheuchelt, das habe ich an diesem Tag erkannt. Sie war es auch, die mir sagte, dass Rockenbach es doch geschafft hatte, Angmarach zu einem Geheimtreffen zu veranlassen. Dieser fette Benbarw Bastard. Nichts für ungut, Mpaula. Er hatte ein Druckmittel in der Hinterhand, den Beweis darüber, dass ich ein entflohener Sklave bin, der seine Kolonialherren ermordet hatte.« Donge Mpaula sprang wieder von der Bank auf. »Sie sind was, bitteschön?«
Xal ließ sich nicht unterbrechen und redete einfach weiter. »Anhand ihrer eigenen Reaktion können sie ungefähr abschätzen, wie die Reaktion in der kriminellen Unterwelt von Vantris ausgefallen wäre. Sozusagen mein Todesurteil. Und wissen sie was? Ich lebe seit über zehn Jahren mit dieser Gefahr. Wenn es hier nur um mich ginge, hätte ich mein Los akzeptiert, wäre geflohen oder hätte mich gestellt, um zu schauen, wer trotzdem noch zu mir hält. Aber es geht eben nicht nur um mich. Ganz und gar nicht. Die Sache ist größer als wir alle hier und leider komplizierter.« Mpaula setzte sich wieder hin. Auf seiner Stirn kräuselten sich Sorgenfalten. »Von welcher Sache sprechen sie da?« Wollte er wissen.
Xal blickte kurz zu Arnula, die ihm zunickte. »Wir müssen ihm vertrauen. Oder ihn umbringen. Eine andere Wahl haben wir jetzt nicht mehr, Liebling.« Sagte sie so zuckersüß, als ob sie vom Nachtisch schwärmen würde.
Er streichelte ihren Kopf. »Na gut. Ich vertraue ihnen Mpaula. Lassen sie mich das nie bereuen.«
Mpaula schnaufte. »Im Moment bereue ich, ihnen jemals vertraut zu haben. Denn wie es aussieht haben sie uns heute bereits alle umgebracht. Na also erzählen sie mir schon von dieser großen Sache, für die wir heute unsere Leben weggeworfen haben!«
»Sehr pathetisch Agent Mpaula und polemisch noch dazu. Aber ich verdenke es ihnen nicht. Bitte passen sie trotzdem auf und bedenken sie, dass ich als Sklave geboren und meine Freiheit teuer erkauft habe. Sie hingegen gehören von Geburt an zu jenem Volk, dass Sklaverei als eine Selbstverständlichkeit ansieht.«
Wieder stand Mpaula auf und fuchtelte erbost mit dem Finger vor Xal’s Gesicht herum. »Das lass ich mir von ihnen nicht unterstellen. Ich bin in dritter Generation Sklavenfrei und gehöre der benbarwischen Minderheit der Sclabfreien an. Damit habe ich mir das Leben auf Makon auch nicht leichter gemacht. Ich war sogar bereit, für meine Überzeugungen meine Heimat zu verlassen und in den Weiten des Konstellationsraumes mein Glück zu versuchen. Aber ich bin geblieben und habe mich mit harter Arbeit bis zum Sicherheitschef hochgearbeitet. Erst dann habe ich notgedrungen Bekanntschaft mit Korruption und Schmiergeldern und skrupellosen Typen, wie ihnen gemacht. Also kommen sie mir jetzt bitte nicht mit der Nummer, dass ich so privilegiert sei. Ist das klar?«
Xal lachte wirklich erfreut auf. Arnula ergriff seine Hand und nickte ihm zu.
»Sie lachen, was hat das zu bedeuten?« Schrie Mpaula mehr, als dass er es sagte. »Ich glaube, dass ich einfach erfreut bin, dass ich endlich einen Benbarw gefunden habe, dem ich vertrauen kann und auch vertrauen möchte.«
Wieder setzte sich Mpaula hin, nahm diesmal einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und schüttelte verständnislos den Kopf. Aber wenigstens war er endlich bereit einfach zuzuhören. Das merkte Xal und legte los.
»Schön. Also der Grund, warum ich überleben muss, ist weil ich der einzige Verbindungsmann zu In Libertas bin, der größten und aus meiner Sicht einzig relevanten Organisation zur Befreiung der Sklaven innerhalb der Kosmischen Konstellation. Natürlich bin ich nicht der einzige Verbindungsmann auf ganz Makon. Aber, ich bin der einzige, der sich in der Verbrecherhierarchie bis zum Bezirksboss hochgearbeitet hat. Und das ist längst nicht das Ende. Ich plane, der Boss von ganz Vantris zu werden. Denn nur dann kann ich am Tisch der Großen und Mächtigen sitzen und die Weichen auf eine Beendigung der verdammten Sklaverei auf Makon stellen.« Mpaula schüttelte ungläubig den Kopf, hörte aber weiter zu.
»Und da ich jetzt weiß, dass ich ihnen vertrauen kann, plane ich sie zum nächsten Generalissimo der Sicherheitskräfte von ganz Vantris zu machen. Was halten sie davon?«
Der Mund des Sicherheitschefs stand weit offen. Hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen, musste er sich zunächst einmal sammeln. Xal blickte fragend zu seiner Geliebten. »Vielleicht habe ich ihn jetzt etwas überfordert, hmm?« Sie kicherte nur.
»Was?« Entfuhr es Mpaula. »Generalissimo? Von ganz Vantris?«
»Ganz genau. Und spätestens ab heute glaube ich auch, dass sie das Zeug dazu haben.« Xal wirkte sehr zuversichtlich. Mpaula prustete ein paar mal. »Spätestens ab heute weiß ich, dass sie nicht ganz dicht sind.«
Xal winkte beiläufig ab, er war sich seiner Sache sicher.
»Gut, dann besprechen wir dieses Thema ein andermal. Kein Problem. Dann möchte ich gerne wissen, ob sie wenigstens unsere Gründe für unser heutiges Handeln nachvollziehen können?«
Es dauerte noch weitere zehn Sekunden, bis Mpaula endlich richtig antworten konnte. Xal ließ ihm die Zeit, die er brauchte.
»Also zunächst einmal möchte ich ihnen danken, für ihre Ehrlichkeit. Jetzt weiß ich zumindest, warum sie einen, der gefährlichsten Verbrecherbosse unserer Stadt einfach umgebracht haben. Mal abgesehen davon, dass ich unfreiwillig mithineingezogen wurde und sie mir noch nicht erklärt haben, wie wir lebend aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollen, verstehe ich zumindest das Warum jetzt. Also ja, ich kann es nachvollziehen.«
Xal nickte zuversichtlich. »Das ist doch wenigstens schonmal etwas.«
In dem Moment kamen Indulu und Pekaron, wie selbstverständlich ins Zimmer hereingeplatzt und gingen zielstrebig auf ihren Boss zu. Indulu flüsterte ihm mit vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Es sah aus, als ob ein Vater seinem kleinen Sohn etwas Liebes ins Ohr flüstern würde. Mpaula bestaunte mal wieder die beiden muskelbepackten Gon Lu. Er hatte schon Fellkrieger der Nodiaden und sogar einen Kumoltai leibhaftig gesehen, ebenfalls riesige Gesellen, aber die beiden Gon Lu Leibwächter übertrafen diese noch um einiges.
Auf Xal’s Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. Indulu schien ihm gute Nachrichten zu überbringen.
Er drückte Arnulas Hände. »Es hat geklappt.« Sie schloss die Augen und küsste im Gegenzug seine Hand. »Ich vertraue dir voll und ganz mein Leben an. Du bist mein Herz.« Raunte sie ihm zu.
»Hoffentlich bereuen sie das nie.« Mpaula konnte sich diese spitze Bemerkung einfach nicht mehr verkneifen, nachdem er immer noch so im Unklaren gelassen wurde.
Xal und Arnula schauten ihn betroffen an.
»Und nur, damit sie es wissen. Wenn ich sterbe, hinterlasse ich vier Söhne und eine Ehefrau. Ich hinterlasse sie einer Gesellschaft, die die Ein-Frauenehe und die Tatsache mehr als einen Sohn zu haben als verachtenswert empfindet. Ich hinterlasse sie ohne genügend Credits und ohne Schutz. Und ich will verdammt nochmal, dass ihnen das langsam klar wird. Also erklären sie mir, nachdem sie mir das Warum erklärt haben, bitteschön auch das wie. Wie kommen wir hier lebend raus aus der Nummer? Weil ansonsten haue ich jetzt ab, schnappe mir meine Familie und fliehe soweit, wie ich kann von hier.« Um seine Worte zu unterstreichen, stand er abermals auf und griff bereits nach seinem Jackett, das er neben sich auf der Bank liegen hatte.
Xal deutete mit seiner flachen Hand an, dass sich Mpaula wieder setzen solle. »Bitte, Agent Mpaula. Bitte setzten sie sich wieder hin. Ich habe gute Neuigkeiten für uns alle. Denn mein Plan hat funktioniert.«
Der Sicherheitschef ließ sein Jackett wieder fallen und setzte sich resigniert hin.
»Danke. Sie fragten nach dem Wie. Angmarach hatte ein Netzwerk aus verschiedenen, teils verfeindeten Banden, Gangs und Clubs aufgebaut, auf das er zurückgreifen konnte. Es war ein eher loses Netzwerk und basierte auf dem Prinzip Geben und Nehmen. So lange alle glücklich waren, hielt der Frieden an und die Credits flossen in alle Taschen. Anders als ich oder auch Rockenbach, hatte Angmarach keine große eigene Crew. Er vertraute nur sehr wenigen Leuten. Zum Beispiel Arnula. Seine Herrschaft beruhte im Wesentlichen darauf, dass er die verschiedenen Gangs einzeln kontrollierte und wenn nötig die eine Gruppe gegen die andere in Stellung brachte, wenn diese nicht so handelte, wie er das wollte. Wir sprechen hier von einem ausgeglichenem Kräfteverhältnis. Da er anders, als ich nur von ihnen, Mpaula, toleriert wurde, nicht aber mit ihnen zusammenarbeitete, musste er auch keine Schmiergelder zahlen. So konnte er von allen seinen Gruppen einen Anteil einfordern und genug Reserven aufbauen, um hier und da jemanden zu besänftigen, wenn es sein musste. Für alle anderen Fälle reichten seine brutale Ausstrahlung und sein heftiger Ruf aus, um es jedem auszureden gegen ihn vorzugehen. Sie wissen, wovon ich spreche. Ich schätze mal, dass er in den vergangenen 20 Jahren um die 100 Morde begangen hat. Morde, die er eigenhändig ausgeführt hat, meine ich. Seine Gruppen lebten also unter dem Joch eines gefährlichen Monsters, dass sich an ihnen bereicherte und sie alle irgendwie bedrohte und am Wachstum hinderte. Es fehlte nur ein entscheidender Schlag, um dieses ganze Gefüge einstürzen zu lassen. Und diesen Schlag hat Angmarach ironischerweise selbst ausgeführt. Denn nachdem er heimlich angefangen hatte, sich hinter meinem Rücken mit Rockenbach zu treffen und ein paar Geschäfte abzuschließen, nahm Rockenbach’s Einfluss auf ihn zu. Angmarach hörte auf ihn und nahm den ein oder anderen vergifteten Rat von Rockenbach an. Arnula, war wie ich eine entflohene Sklavin, allerdings aus Payate und nicht aus Vantris. Anders als ich hatte sie nicht das Glück, eine befreiende Operation, samt Impfung gesponsort zu bekommen. Sie war auf die verdammten Sclabmedikamente weiter angewiesen. Deshalb geriet sie in den Strudel der Beschaffungskriminalität. Mit allen dazugehörigen Konsequenzen.«
Er drückte Arnula fest an sich, während er weitersprach. Sie schmiegte sich an ihn, als täte sie es zum ersten Mal. Mpaula hörte gespannt zu. Er war begierig darauf endlich zu erfahren, was das alles mit der Lösung ihres Problems zu tun hat.
»Sie arbeitete sich als Auftragsmörderin von einem Boss zum nächsten hoch. Bis schließlich Angmarach bei ihr anklopfte. Er bot ihr an, dass sie exklusiv für ihn arbeiten solle. Als Gegenzug wollte er ihr die teure und komplizierte OP schenken, die sie dringend brauchte. Und um ihre Loyalität auf die Probe zu stellen, wollte er ihr die anschließende Impfung erst fünf Jahre später geben. Arnula willigte ein. Eine bessere Chance gab es damals nicht für sie. Denn leider war ich zu dem Zeitpunkt noch nicht so dick im Geschäft, wie heute. Wir kannten uns auch nicht, um ehrlich zu sein.«
Mpaula‘s Ungeduld übernahm wieder die Oberhand. »Ich bitte sie, kommen sie zum Punkt. Sonst verliere ich nur kostbare Zeit.«
Xal nickte verständnisvoll. »Gewiss doch. Rockenbach’s schädlicher Einfluss auf Angmarach führte dazu, dass er eine dumme Entscheidung traf. Vor ungefähr einem Monat, einen Tag, bevor Arnula zu mir kam und mir das alles berichtet hatte, war der Tag gekommen, um ihre Impfung zu erhalten. Angmarach verweigerte sie ihr allerdings. Mit der fadenscheinigen Ausrede, dass er sich ihrer Loyalität noch immer nicht sicher sein konnte, so lange sie sich ihm nicht auch, nun ja, körperlich hingab.« Bei diesen Worten hielt er sie umso fester umschlungen. Tränen liefen Arnula über ihr hübsches Gesicht. Ihre Augen hielt sie weiterhin fest geschlossen. Plötzlich merkte Mpaula, dass er Erbarmen und Mitgefühl für sie aufbringen konnte. Obwohl er sie eben noch für eine eiskalte Killerin gehalten hatte.
»Was soll ich sagen, Arnula tat, was getan werden musste und gab diesem ekligen Widerling, was er haben wollte. Bei unserem Treffen haben wir ein Zeichen ausgemacht, damit ich auch erkennen konnte, wann Arnula endlich die Impfung erhalten hat. Sie erraten es wahrscheinlich. Es war die Massage. Jetzt zurück zu ihnen. Seit Arnulas Besuch bei mir, war mir klar, welches Spiel Angmarach hier spielte. Ich plante meinen Gegenzug sorgfältig und musste mich bis heute gedulden. Natürlich wusste ich, dass es Angmarach war der meine Unterbosse an Rockenbach verraten hatte. Um ihn im Unklaren zu lassen, musste ich trotzdem so tun, als ob ich es nicht wüsste. Bei ihnen war ich mir nicht sicher, bis sie meine Entweder-oder-Frage heute richtig beantwortet haben. Darum war ich auch so grob und laut und vorwurfsvoll zu ihnen vorhin. Bitte verzeihen sie mir das. Aber nur so konnte ich sichergehen, dass sie ehrlich antworten würden.«
Jetzt intervenierte Mpaula wieder. »Ja, aber ich habe ihnen heute meinen Rücktritt angeboten. Machte mich das nicht viel verdächtiger? Ich dachte, sie würden mich erschießen. Deshalb hatte ich auch die geladene Pistole in der Hand.«
Xal zeigte mit dem Zeigefinger auf ihn, als hätte Mpaula da einen wesentlichen Punkt getroffen. »Genau das Gegenteil ist der Fall, Agent Mpaula. Dadurch, dass sie freiwillig auf ihren Posten und alle damit einhergehenden Privilegien verzichtet hätten, genau dadurch haben sie sich völlig entlastet. Denn, wenn sie mit Angmarach und Rockenbach in irgendeiner Weise konspiriert hätten, wäre mein zweiter Vorschlag für sie der einzig richtige gewesen. Denn es hätte ihnen wieder mehr Entscheidungsmöglichkeiten und Spielfläche in dem großen Spiel hier verschafft. Und einen Scheinkrieg mit ein paar toten Statisten mit Rockenbach zu organisieren, bis Angmarach mich schließlich ausgeschaltet hätte, dass hätten sie auch noch hinbekommen, Mpaula.«
Der Sicherheitschef lehnte sich jetzt entspannt zurück. Obwohl er immer noch überfordert und wütend war, begann er so langsam das Gesamtbild zu erfassen. Aber eines wurmte ihn dabei noch. Er versuchte es zu artikulieren. »Wissen sie Xal. Jetzt wussten sie zwar, dass ich nicht mit den beiden gegen sie konspirierte. Aber warum haben sie dieselbe Frage dann nochmal an Angmarach gerichtet, bevor sie ihn, sie wissen schon?« Mpaula fuhr sich mit dem Finger über seinen Hals.
»Sehr gut. Sie denken wirklich mit. Aus zwei Gründen habe ich das gefragt. Ob sie es glauben oder nicht, der eine Grund war Loyalität. Obwohl ich bereits wusste, was er Arnula angetan hatte und dass er im Begriff war mich mittel- oder sogar kurzfristig auszuschalten, musste ich es aus seinem eigenen Mund hören, bevor ich bereit war ihn zu töten. Außerdem brauchte ich Gewissheit darüber, ob Angmarach weiterhin dachte, dass seine Creditreserven in Sicherheit waren. Denn nur so konnte unser etwas gewagter Plan funktionieren. Auf beides erhielt ich eine Antwort. Angmarach verzichtete freiwillig auf mehr Credits, mehr Einfluss und Macht und wollte sie scheinbar unbedingt im Spiel halten, obwohl es für ihn keinen Sinn gemacht hätte. Das war alles, was ich noch wissen musste, um den Plan wirklich durchzuführen. Die tapfere Arnula tat der Gerechtigkeit genüge. Dennoch hatte ich keinen Gefallen an seinem Tod. Er wurde einfach notwendig. Und wenn ich an die hunderttausenden von Sklaven denke, die jetzt gerade leiden, dann tut es mir wirklich leid. Aber diesen Mord bereue ich nicht.«
Mpaula, der viel entspannter war, als noch vor einigen Augenblicken, fing sogar an innerlich mit den beiden zu sympathisieren. Wenn da nicht die dringendste Frage immer noch unbeantwortet geblieben wäre. »Ich kann wirklich nachvollziehen, warum es heute zu diesem unschönen Ereignis gekommen ist. Wirklich. Aber wie wir drei das überleben sollen, haben sie mir noch immer nicht beantwortet, Xal.«
»Sie haben Recht, Mpaula. Aber die vielen Worte mussten sein, damit sie uns beiden wirklich vertrauen können, wenn wir uns heute von ihnen verabschieden.« Xal wartete einen Moment, bis er sicher war, dass Mpaula ihn auch verstanden hatte.
»Um ihnen ganz konkret zu beweisen, dass wir nicht in Gefahr sind, zumindest nicht mehr als sonst auch in unserem Geschäft, möchte ich ihnen zunächst das hier zeigen.«
Xal holte noch während er sprach ein Holopad aus seiner Brusttasche und legte es in die Mitte des Tisches. Mpaula zog seine Augenbrauen hoch und blickte abwechselnd auf das Holopad und Xal. »Was genau soll ich hier sehen?«
»Geduld, Geduld!« Xal betätigte einen Knopf. Drei Hologramme erschienen nebeneinander. »Sie sehen hier den Unterschlupf der Parts in der 14ten Straße. Sie sind eine reine Jonrai Gruppierung, die sich auf den Vertrieb von Drogen spezialisiert haben. Daneben sehen sie das Ndutala Hochhaus, als Hotel getarnt. In Wirklichkeit ist das die Zentrale von Angmarach. Das letzte Holo zeigt den nördlichen Eingangsbereich der Spelunke. Genau dort drüben.« Xal deutete mit dem Finger in Richtung nördlicher Wand. Verwundert folgte Mpaula dem Finger. »Was hat das zu bedeuten?«
»Das bedeutet, dass wir überleben. Sie werden gleich verstehen.«
Arnula sprach einen Befehl in ihren Koder. Eine Sekunde später explodierte das alte Lagerhaus in der 14ten Straße. Mpaula zuckte erschrocken zusammen. Ins Blickfeld des linken Holos trat eine schwarze Gestalt. Sie zeigte einen Daumen nach oben. Dann erlosch das linke Holo. Im mittleren schien sich was zu tun. Das Holo wackelte zweimal, als hätte es ein Erdbeben oder eine andere Art Erschütterung gegeben. Plötzlich brach das Ndutala Hotel in sich selbst zusammen. Ein kolossaler Anblick. Als wäre es gesprengt worden. Ungläubig schaute Mpaula in Xal’s Augen. Darin konnte er Gelassenheit und Triumph ablesen. Arnula strahlte das Gleiche aus. Das mittlere Holo verschwamm und implodierte.
»Haben sie die Leute da drin einfach alle umgebracht?« In der Stimme des Sicherheitschefs lag Entsetzen.
Xal schüttelte den Kopf. »Wir sind die Guten in diesem bösen Spiel, schon vergessen, Mpaula? Wir haben natürlich vorher den Feueralarm auslösen lassen. Die Gebäude und die Drogen mussten weg, nicht die Leute.«
Mpaula atmete hörbar aus, etwas erleichtert aber immer noch irritiert wegen dem Dritten Holo. »Und was soll das hier?« Er deutete auf das Bild des Eingangs hinter ihnen.
Xal blickte Arnula an. Beide begannen synchron zu lächeln. »Warten wir es doch einfach kurz ab.«
Auf dem Holo erschienen einige Gestalten, die sich eindeutig bewaffnet hatten und geradewegs auf den Eingang zusteuerten. Mpaula sprang hoch, zog seine Waffe und suchte Deckung an einem Nebentisch. Hektisch schaute er zwischen dem Holo, Xal und dem Eingang hin und her. »Ich habe sie gewarnt Xal, jetzt kommt die dicke Rechnung. Ihr ganzer Plan war für den Hintern.« Schrie er. Xal und Arnula saßen seelenruhig nach hinten gelehnt auf der Bank und machten keine Anstalten, sich zu verteidigen. Auch die beiden Muskelberge Pekaron und Indulu rührten sich nicht. Sie standen einfach nur da und warteten. Mpaula verstand die Welt nicht mehr. Angesichts der Gelassenheit der anderen hätte er beinahe die Waffe gesenkt. Doch dann trat der erste Rächer in den Raum. Vier Arme, so breit, wie Baumstämme, vier Pistolen im Anschlag, ein Gesicht, wie ein Minenfeld. Diesen Kerl würde Mpaula immer wiedererkennen. »Bronin, der Brecher« entwich es ihm schockiert. Zu Xal und Arnula gewandt, sagte er. »Wir sind tot.«