Flax, der unschuldige Junge, der einst war, ist schon längst Vergangenheit. Das Alles ist mittlerweile so weit weg, dass es schon gar nicht mehr richtig wahr ist, obwohl es wahr ist. Xalflax, ein geborener Tremisianer, war der Fünfte von insgesamt sieben Kindern. Sein Vater starb, als er drei Jahre alt war an Unterernährung. Die Sclabs wissen zwar, dass es ab Fünf eigenen Kindern schwer wird alle ernährt zu bekommen, dennoch lehnen die meisten eine Abtreibung strikt ab. Teils aus religiöser Überzeugung, teils aus weniger moralischen Gründen und teilweise, weil ihre Sklavenhalter lieber Profit mit den Neugeborenen machen wollen. In einigen Ernstfällen ist es auch zu Kannibalismus gekommen. Wie weit müssen empfindungsfähige Wesen enthemmt werden, um so grausam zu sein, die eigenen Kinder zu essen? Lauter Verzweiflung und Elend waren die ständigen Begleiter der Sclabs. Die Familie von Xalflax bildete da keine Ausnahme. Seine Eltern waren Gott sei Dank, zu seinem Glück tief religiöse Menschen, die vor Abtreibung, Kannibalismus und anderen Erscheinungen des Sklaven-Daseins zurückschreckten. Unabhängig von der Schwere der Umstände. Alle Sieben Kinder erreichten das Erwachsenenalter. Dies grenzt fast an ein Wunder. Immerhin war seine Mama ab seinem dritten Lebensjahr auch noch alleinerziehend. Seine Kolonialherren, die Familie Mbela, war eine typische benbarwische Familie aus der Mitte der Gesellschaft. Sie waren nicht besonders grausam oder sadistisch, mit Ausnahme ihres Abkömmlings, den sogenannten Prinzen des Kolonialhauses. Allerdings war es für sie auch selbstverständlich, dass Xalflax's Familie ihnen diente, ja sogar gehörte. In dem Bewusstsein jemanden für immer verpflichtet zu sein oder zu sterben, so wuchs Xalflax auf. Der benbarwische Sohn des Kolonialhauses, von dem es in jeder Familie nur einen geben durfte, nannte ihn nur Flax. Was in benbarwisch etwa Hundehaufen bedeutet. Xalflax hasste diesen körperlich viel kleineren und in vielerlei Hinsicht unterlegenen Prinzen der Sklavenhalterfamilie. Dieser genoss alle Annehmlichkeiten, die es nur gab. Aber Flax musste schon mit zehn Jahren schuften, wie ein Erwachsener. Da er von Natur aus ein neugieriger Tremisianer war, verstrickte er sich immer wieder in alle möglichen Schwierigkeiten. Einmal beobachtete Flax den Prinzen des Hauses dabei, wie er ein benbarwisches Kinderbuch durchlas und danach achtlos in die Ecke warf. Einen Tag später hatte er eine Aufgabe im hinteren Teil des Hauses zu erledigen und nutzte den Moment, an dem er unbeobachtet war, aus. Das Buch wanderte in seinen Umhang. Den Rest des Tages ging er seiner Arbeit nach, als wenn nichts wäre. Am Abend war es dann endlich soweit. Als alle sich schlafen gelegt haben, blätterte er durch die reich bebilderten Seiten und versuchte die kryptischen Zeichen darin zu deuten. Er wollte unbedingt lesen lernen und zeigte seiner Mutter einige Tage später das Buch in der Hoffnung, sie würde ihm dabei helfen. Aber die Wahrheit war, dass auch sie nicht lesen konnte und das Buch in ihrem Besitz lediglich eine große Gefahr und Belastung darstellte. Sie entriss es ihm unter Tränen und brachte es am nächsten Tag zu ihren Kolonialherren zurück. Die waren alles andere als begeistert und reagierten sehr harsch darauf. Um ihre Kinder zu schützen nahm sie die Schuld auf sich und dachte sich eine plausible Geschichte aus, warum sie das Buch gestohlen haben soll. Der Prinz selbst durfte die Strafe aussuchen. Hand abhacken, Blenden, Zunge rausschneiden oder auspeitschen waren die üblichen Bestrafungen für Diebstahl. Flax betete voller Verzweiflung zu dem Gott, von dem seine Mama ihm erzählt hat. Den großen Gott, der die Engel gemacht hat.
Er stand eingereiht neben seinen Geschwistern, die alle wütend und traurig zu gleich waren. Sie alle wussten, dass es seine Schuld war. Am meisten wütend war Flax aber über sich selbst und seine Dummheit. Völlig verstört mussten die sieben Kinder mit ansehen, wie ihrer Mutter das Augenlicht genommen wurde. Ketho, der benbarwische Sohn der Familie entschied sich für die schlimmste Bestrafung. Und das alles nur wegen einem blöden Buch. Einem Kinderbuch, das kaum geeignet war, um Lesen zu lernen. Flax war so verzweifelt, wollte am liebsten vorspringen und sagen, dass er es war. Seine liebe Mama konnte es in seinen Augen sehen und schüttelte flehentlich den Kopf. Das war das Letzte, was sie sehen sollte in dieser Welt. An diesem Tag erstarb nicht nur das kostbare Augenlicht seiner Mama. Es starb auch etwas in Flax, etwas Gutes, Reines und Unschuldiges. Mit zehn Jahren war er bereits innerlich erwachsen geworden von einem Moment auf den anderen. Von diesem Tag an plante er seine Rache an seinen Kolonialherren und seine Flucht aus diesem System der Unterdrückung.
Weitere sechs Jahre voller Schmerz, Demütigungen und harter Arbeit später, bekam er endlich die Chance dazu, seine Pläne in die Tat umzusetzen.