Wenn ich durch die Straßen gehe, höre ich sie manchmal flüstern "hast du schon gehört? Er soll es wieder getan haben!" oder "das arme Mädchen! Stell dir mal vor..." und auch "am nächsten Tag hat ihr Mann sie verlassen, unfassbar!" und sogar "ob er wohl auch mal zu mir kommt?" Das amüsiert mich immer am meisten. Die am lautesten ihre Empörung hinaus blöcken, sind für gewöhnlich jene, die darauf hoffen das ihnen auch, endlich mal, etwas aufregendes passiert. Zu diesen Frauen kommt der Geist so gut wie nie. Angeblich ist er ein Dieb, Sittenstrolch und Lump. Klaut sowohl Geld als auch die Unschuld der Damen. Dieser Geist war zu einer Stadt-Legende geworden.
Heute ist Samstag und wie so oft bin ich im Shopping Center unterwegs. Nicht das ich gerne einkaufen gehen würde. Ich schau mir gerne die Menschen an. Wie sie mit leuchtenden Augen vor den Schaufenstern stehen und dann traurig werden, weil sie erkennen das sie sich das begehrte Stück nicht leisten können. Ein Wechselbad der Gefühle. Herrlich. Ich stehe auf und gehe weiter. Steuere den schicken, neuen Dessous Laden an. Ich schlendere durch die Reihen und lasse mir Zeit. Berühre die Stoffe und schau mir die Muster an. Eine andere Frau greift gleichzeitig mit mir nach einem BH. Erschrocken zuckt sie zurück. Sie stammelt eine Entschuldigung. Zieht schnell den Ärmel ihres Pullovers hinunter. Auch wenn ich die Ahnungslose gebe und ihr besänftigend zulächle, gesehen habe ich es trotzdem. Die Fingerabdrücke an ihrem Handgelenk und den blauen Fleck der zwischen Pullover und Schal hervor blitzte. Vom Eingang dröhnt eine Männerstimme in den Laden. "Hey, hast du endlich alles? Ich hoffe es ist diesmal was Gutes!" eilig geht die Frau zur Kasse und ich ihr hinter her. Unauffällig drücke ich ihr einen Zettel in die Hand und flüstere ihr "Wenn du allein bist" zu. Die Kassiererin scheint es gehört zu haben den sie wirkt kurz irritiert, ist aber klug genug, um nichts zu sagen. Der Typ schmeißt seinen riesigen, haarigen Arm auf die Schulter der Frau und pöbelt belangloses Zeug vor sich hin. "Ein Proll wie er im Buche steht." entwischt es der Kassiererin. Erschrocken schaut sie sich um. Immer noch lächelnd halte ich ihr mein Geld hin.
Zufrieden gehe ich durch die Straßen, für heute habe ich alles. Sogar die SMS kam schon.
Als es anfängt zu dämmern, beginne ich. Musik an, Klamotten raus. Haare hoch. Klamotten an. Es ist ein Ritual. Eine Metamorphose. Den ich bin eine Rächerin. Eine Befreierin. Ein Geist. Ich bin eine Legende