Als ich erwachte, öffnete ich träge meine Augen und bemerkte, dass es noch dunkel um mich herum war. Also musste es noch früh sein, da ich nie den ganzen Tag verschlief, und somit konnte nicht schon wieder Nacht sein. Ich schloss meine Augen erneut, um mich wieder meinem Schlaf und den damit verbunden Träumen zu widmen. So kuschelte ich mich in die kühle Seidenwäsche, damit ich in Morpheus Armen versinken konnte. Über den Gedanken an die Vorzüge von seidener Bettwäsche war ich fast eingeschlummert, als sich die eigenartige Erkenntnis in den Vordergrund drängte, dass ich gar keine Seidenbettwäsche besaß. Schlagartig war ich hellwach und überlegte fieberhaft, wie ich in dieses vortreffliche Bett gelangt war. In meinem Gedächtnis kramend, brachte ich die Erinnerung an den vergangenen Abend hervor und ich hoffte inständig, dass es der letzte Abend war und nicht doch schon mehr Zeit vergangen war.
Es war die beste Idee, nicht nur da sie von mir war, gewesen, mit meiner Clique den neuen Club am Eröffnungsabend zu besuchen. Die Musik zog uns alle in ihren Bann, sodass wir ausgelassen fast ohne Pause tanzten. Gelegentlich teilten wir uns ein Getränk, um ja nichts auf der Tanzfläche zu verpassen. Als dieser Typ, der recht mysteriös wirkte, mit diesem interessanten Drink auftauchte. Das Getränk sah gut aus, verströmte einen betörenden Duft und schmeckte einfach sagenhaft. So etwas, und da war ich mir sicher, hatte ich noch nie getrunken und ich kannte viel und probierte noch mehr.
Die Reminiszenz reichte aus, damit sich mir die Sinneseindrücke erneut in den Vordergrund drängten. Ich öffnete erneut meine Augen und die Schwärze umfing mich wieder. Egal wie lange ich darauf wartete, dass sich meine Augen an die Finsternis gewöhnten, es gab kein Licht, keine Schemen. Vorsichtig richtete ich mich auf, als mich ein plötzlicher Schwindel erfasste. Wie im Reflex fasste ich an meine Stirn und griff, wo mein Kopf hätte sein sollen, ins Leere. Völlig perplex ließ ich mich wieder ins weiche Bett fallen und bemerkte, dass auch mein Kopf von flauschigen Daunen umgeben wurde. Meine Gedanken begannen zu rasen, um das Problem meiner Kopflosigkeit zu lösen. Allein die Tatsache, dass ich dachte und Erinnerungen hatte, ließen mich zu der Schlussfolgerung kommen, dass ich durchaus nicht kopflos, sondern eher eine Empfindungsstörung haben müsste. So versuchte ich, analytisch ans Werk zu gehen, und trachtete erneut mit der Hand, vorsorglich nahm ich nun die andere, meine Stirn zu berühren. Mit Erleichterung nahm ich wahr, dass meine Stirn sich immer noch an der Position befand, die ihr biologisch zugedacht war. Stellte sich jetzt nur die Frage, wieso konnte ich sie nicht mit der anderen Hand erreichen? Vorsichtig führte ich meine Hände zueinander und die Finger berührten sich, ganz so, wie es sich gemeinhin gehörte und ich durchaus erwartet hatte. Beruhigt darüber, dass ich scheinbar doch nicht entleibt war, konnte ich mich dem nächsten Problem, dem des unbekannten Bettes, stellen. Wie war ich hierher gelangt, schien mir eine dringliche Frage zu sein. Doch diese wurde durch eine andere, nämlich wem gehörte das Bett, abgelöst. Dann bemerkte ich meine fehlende Kleidung und eine weitere Fragestellung wurde präsent, denn was war seit dem Drink mit mir und gegebenenfalls mit einer weiteren Person in der Zeit, für die ich keinerlei Erinnerung hatte, passiert.
Bis jetzt glaubte ich, allein in der Schwärze zu sein, und hatte, da ich zum einen schlaftrunken und zum anderen mit meinen stümperhaften Nachforschungen beschäftigt war, nicht daran gedacht, dass ich vielleicht gar nicht alleine wäre. So schien es mir angebracht, zuerst meinen Atem ein wenig zu beruhigen, und meinen nun viel zu laut vernehmbaren Herzschlag auszublenden, um vielleicht die Geräusche einer anderen Person wahrnehmen zu können. Angespannt lauschte ich in die Dunkelheit und legte meinen Kopf schräg, da ich glaubte, so auch das leiseste Geräusch hören zu können. Doch es kam mir so vor, dass nichts an meine Ohren drang, welches nicht von mir verursacht worden wäre. Mein erster Impuls war, in die sich anbahnende Panik zu verfallen, aber einer jähen Eingebung folgend, beruhigte ich mich wieder, lehnte mich zurück in die weichen Daunen und das schmeichelnde Gefühl von Seide auf meiner nackten Haut. Irgendjemand gab sich hier der Art viel Mühe, mir den Aufenthalt so angenehm wie nur erdenklich möglich zu machen, dann konnte oder vielmehr sollte ich es auch genießen. Wie mir schien, war ich unverletzt, so vermutete ich jedenfalls, da ich weder nennenswerte Schmerzen, seltsamerweise nicht einmal einen Kater, noch Verbände verspürte.
So schloss ich wieder meine Augen und hoffte, dass mir süßer, lieblicher Schlaf erneut zuteilwurde, etwas, dass mir nach all der Aufregung, wie ich fand, durchaus zustand.