Es war schon eine seltsame Situation auf dem Flohmarkt gewesen. Eigentlich war das Geschäft gemacht und ich packte meine Splünten wieder ein, als sich noch eine Person an den Resten interessiert zu schaffen machte. Ich blickte nur kurz auf, da noch viel zu verstauen und aufzuräumen war.
„Wenn du Hilfe brauchst, sprich mich ruhig an.“
Die Person nickte nur und nahm dann das eine und andere Buch in die Hand. Irgendwann waren wir in einem angeregten Gespräch und ich hätte gar nicht mehr sagen können, wie es dazu gekommen war. Es endete auch total untypisch für mich, in dem ich meine Nummer aushändigte, da ich auf mehr hoffte.
Wir trafen uns dann für Kino und der Abend endete in einem Club mit klarem Wasser, was mir sonst Anlass zum Hadern gab. Leider fühlte er? oder sie? sich nicht gut. Es war für mich nicht möglich, festzustellen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Meine Verabredung hatte eine androgyne Gestalt, eine schlanke Statur und schmal geschnittene Gesichtszüge, ein Teil der langen Haare fiel locker über die linke Schulter, der Rest wallte am Rücken entlang. Das gesamte Äußere faszinierte mich und zog mich magisch an, dass ich den gesamten Abend nicht meine Augen von meinem Gegenüber lassen konnte. Mir wurde gewiss auch der Name genannt, den ich aus mir unerfindlichen Gründen erfolgreich verdrängt hatte. So konnte ich noch nicht einmal an Hand des Namens das Geschlecht ausmachen, das störte mich aber nicht und ich verschwendete deshalb keinen weiteren Gedanken daran.
Heute waren wir wieder verabredet und ich musste zugeben, dass ich ein wenig aufgeregt war, da mir eine Überraschung versprochen ward. Wieder überprüfte ich am Spiegel meine Kleidung, zog noch einmal Kajal nach und zupfte an der Frisur. Nervös blickte ich auf die Uhr, als mich die Klingel endlich erlöste und ich erleichtert aufatmete. Ich öffnete die Tür und mein Besuch lächelte mich an, dass mir die Knie weich wurden. Verdammt, warum konnte ich nicht ausmachen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Die Person war wieder ganz in Schwarz gekleidet und der lange Rock hätte auch von einem Mann getragen sein können.
„Hallo. Komm doch herein.“ Forderte ich meinen Gast, der unschlüssig vor der Tür stand, mit einer einladenden Geste auf. Sah ich dort Erleichterung in den Augen, doch diesen Gedanken vergaß ich sofort wieder, da er töricht war. Wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo ich für uns Tee und Gebäck bereitgestellt hatte.
„Wie trinkst du deinen Tee?“ Fragte ich.
„Ohne alles... Nur Wasser bitte.“ Erklärte mein Besuch mit einem Blick, der mich alle Fragen, die ich hätte haben können, vergessen lies. Ich stutzte nur kurz, aber was sollte ich mir darüber den Kopf zerbrechen; so ging ich in die Küche und holte ein Glas und eine Karaffe mit klarem Wasser.
Hatten wir uns ursprünglich nicht gegenüber gesessen? Aber das war nun auch egal, es tat irgendwie gut, dass mein Besuch neben mir saß. Ich wollte die Nähe spüren, die Person genauer betrachten und berühren, obwohl mich der Gedanken im ersten Moment erschreckte. Als wenn mein Gegenüber meine Gedanken lesen könnte, strich er mir mit einer sanften Geste eine Haarsträhne aus der Stirn und sein Gesicht kam meinem sehr nahe.
„Darf ich?“ Fragte er leise, wobei ich gar nicht sagen konnte, ob es ein er war. Aber auch dieser Einwand war unwichtig und tief in mein Innerstes versunken, ehe ich ihn überhaupt hätte wahrnehmen können. Stumm nickte ich und dann spürte ich seine Lippen an meinem Hals. Es war unbeschreiblich, als mich die wohlige Wärme umfing und immer weiter forttrug.
Nicht aufhören, dachte ich enttäuscht, als sich die Lippen entfernten.
„Natürlich nicht.“ Hörte ich eine sanfte Stimme amüsiert nahe meines Ohres sagen. Hatte ich das tatsächlich gerade laut von mir gegeben, aber auch diese Scham war nur kurz in meinem Bewusstsein. Mein Besuch setzte sich rittlings auf meinen Schoß, mit der linken Hand kraulte er meinen Nacken, küsste weiter meinen Hals, um dann vorsichtig an meinem Ohrläppchen zu knabbern. Ich seufzte, mir war mittlerweile alles egal und ich wollte nur noch, dass es niemals endete. Irgendwann spürte ich seine Zähne, wie sie mich sanft liebkosten, an meinem Hals. Langsam setzte mein Denken völlig aus und ich ließ mich nur noch in das unbeschreibliche Gefühl fallen. Das ist besser als Sex, dachte ich seufzend in das wohlige Gefühl hinein.
„Selbstverständlich“, raunte die Stimme an mein Ohr, denn auch das hatte ich wohl zu meiner Verwunderung laut gesagt. Dann spürte ich seine Zunge an meinem Hals und ich war darüber irritiert, dass man Sex haben konnte, ohne Sex zu haben. Aber auch diese Worte drangen nicht wirklich soweit zu mir, dass ich daraus hätte eine Handlung erzeugen können. Ich wollte nur noch diesen Moment genießen, ohne an Konsequenzen, Konventionen oder was auch immer zu denken. Irgendwann trafen sich unsere Lippen in einem Kuss, der nicht süßer hätte sein können, so dass sich wieder ein Seufzer meiner Brust entrang. Als ich die Zunge meines Besuchs an meinen Lippen spürte, wollte ich wissen, wie er schmeckt. Unsere Zungenspitzen berührten sich und es war irgendwie anders, als ich erwartet hatte, denn es war metallisch aber nicht unangenehm. Aber auch diese Erinnerung versank, ohne dass ich sie genauer bemerkte, und es interessierte mich auch nicht sonderlich.
Als ich meine Augen wieder öffnete und einen halbwegs klaren Gedanken fassen konnte, saß mir mein Besuch gegenüber, lächelte mich an und nippte an seinem Glas. War das gerade wirklich geschehen?