So zogen wir los, durch die dunkle Nacht und den nicht minder dunklen Forst. Doch alsbald wurde der Wald lichter, wenn auch die Nacht nicht heller, und machte einer vermutlich weiten Ebene, genau konnten wir es nicht erkennen, platz. Als es unter unseren Füßen seltsam zu quatschen begann, hielten wir es für angeraten, eine Rast einzulegen, da wir anscheinend in ein morastiges Gebiet gelangten. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn einer oder gar alle im Moor versänken, dann hätte dieses Abenteuer ein äußerst unerfreuliches und gar schnelles Ende.
„Fiat Lux“, erschuf ich uns ein kleines Lichtlein, das weniger zum Marschieren aber immerhin zum Finden eines einigermaßen trockenen Lagerplatzes diente. Doch im sanften Schein waren gar fünf Gestalten. Der Prinz zog sein Schwert, die Helden ballten ihre Fäuste und auch ich hielt dräuend mein Messer hoch. Wer war diese kleine absonderliche Gestalt, ganz in Grün gekleidet mit einem lustigen Hut auf dem Kopfe.
„Du Kinderdieb!“, herrschte der Prinz den Leprechaun an, denn dieser war es tatsächlich. Sollte es gar so einfach sein, ihn dingfest zu machen?
„Haltet ein“, rief da das Männlein, wohl auch in Angst um Leib und Leben. „Die Kinder stahl ich nicht. Das war das unsägliche Werk eines anderen.“
„So sprich geschwind“, forderte der Prinz von ihm, und ließ sein Schwert zur Kehle des Männleins zucken.
„Wenn Ihr Lügen in meinen Worten findet, so soll Euer Schwert mein Blut trinken.“ Bot er an und fuhr dann in seiner Rede fort. „Aber wahrlich, es war die Tat eines trügerischen Flötenspielers, der die Kinder mit seiner lieblichen Meloday fortlockte. Ich hörte davon und biete mich an, an der Rettung der Kinder mit meinen Kräften mitzuwirken.“
Mit stummen Blicken beratschlagten wir und ließen alsbald die Waffen sinken.
„Wohl an“, sprach der Prinz, „dann lasst uns ein Lager suchen und rasten.“
„Wenn ich Euch denn führen dürfte“, fragte der kleine Grüne zaghaft, „ich kenne einen vortrefflichen Ort in der Nähe.“
Nickend stimmen wir zu und hatten tatsächlich bald einen trockenen Platz unter einem großen Baum gefunden. Seine Äste ragten bis zum Boden, dass er gar wie ein gewachsenes Zelt war. Es schien mir sogar, dass es herinnen wärmer als draußen war. Der Kleine machte in einer Schale ein Feuer und kramte aus seiner Tasche, deren Dimensionen der meinigen vergleichbar waren, eine Menge Pilze und Beeren heraus.
„Werte Tanuky, ob Ihr uns ein gar vortrefflich Mahl daraus zaubern könntet“, fragte er ein wenig schüchtern.
„Gewiss“, beruhigte ich ihn und zückte zur Irritation aller meinen Zauberstab.
„Oder soll ich uns etwas kochen?“, fragte ich dann mit einem breiten Grinsen.
Etwas pikiert waren der Dicke und sein heldenhafter Kleiner schon, doch wurden sie von dem köstlichen Pilzgericht dennoch überzeugt, nun ja, und auch satt.
„Was kannst du uns über den Verbleib der Kinder berichten“, wollte nach dem Mahl der kleine Held wissen. Auch wir anderen schauten den Leprechaun gespannt an.
„Ja, die Kinder“, begann der Leprechaun zu erzählen, „ein listenreicher und trügerischer Spielmann hat mit seiner Flöte die Kinder fortgelockt. Sie müssen nun unter dem Berg nach Schätzen für ihn graben. Doch leider verlor ich seine Spur, so dass ich mich nun euch anschließen möchte.“
Der Prinz nickte und der Dicke zog seine Karte hervor, die er vor dem Grünen ausbreitete.
„Oh“, entfuhr es ihm entzückt. „Du hast eine Karte. Wie mir scheint, ist das der Ort, den wir suchen.“ Er zeigte auf den Berg im üblen Sumpf. „Es ist wahrlich ein finsterer Ort, doch werden wir die Kinder befreien und dem Unhold das üble Handwerk vermiesen. So lasst uns morgen direkt den Weg durch den Sumpf nehmen.“
Für den Rest der Nacht rollten wir uns in unsere Mäntel ein, um noch ein wenig Schlaf zu erhaschen. Wie konnte ich beruhigt schlummern, da mein Prinz mich sicher in seinem Arm hielt. Doch war die Nacht recht kurz und so weckten uns in der Frühe schon die Vögel im Wipfel unseres Baumzeltes. Oder war es ein Zeltbaum? Schnell hatten wir unsere Habseligkeiten gepackt und machten uns auf den Weg zum Berg des Flötenspielers. Inständig hoffte ich, dass der Sumpf nicht der Sumpf des ewigen Gestankes wäre, über den der Koboldkönig gebot und seine Feinde doch liebend gerne zu Regenten des ewigen Gestankes machte.
Erwähnte ich schon, dass dies nicht so eine Geschichte wäre? Und so blieb uns auch der ewige Gestank erspart. Wir mussten uns lediglich mit dem üblichen modrigen Duft oder doch Geruch abfinden. Mit der Zeit nahmen wir diesen auch gar nicht mehr wahr.
In der Ferne ragte der Berg hoch auf und es war uns, als wenn er nicht wirklich näher käme. Natürlich kam er nicht nähern, das wäre ja albern, denn eigentlich kamen wir ihm ja nicht näher. Noch niemals ist ein Berg zu einer Heldentruppe gekommen, damit das Abenteuer seinen Lauf nehmen könnte. Das machen Berge nur mit Propheten. Vielleicht sollten wir das nächste Mal einen Propheten mit zum Abenteuer nehmen.
Zum Abend kamen wir dem Berg zwar nicht wirklich näher, doch erreichten wir wieder einen Baum, dessen Innerstes uns wieder zur Nacht willkommen hieß. Woher der Leprechaun wieder die vortrefflichen Pilze und Beeren hatte, konnte ich nicht sagen. Vermutlich war es eine Fähigkeit seines Volkes. Natürlich murrten unsere gallischen Freunde, da sie uns glaubhaft zu versichern suchten, dass sie ohne Wildschwein nicht die nötige Kraft besäßen, um den kommenden Kampf würdig und erfolgreich zu bestreiten. Was soll ich sagen, das Klagen wurde erhört und alsbald schmatzten die Helden genüsslich, um hernach ins wohlverdiente Suppenkoma oder in diesem Falle Wildschweinkoma zu fallen.
Als der Morgen am Morgen graute, graute uns auch gar Fürchterliches. Bewegen sich Berge doch? Es schien, als wären wir in der Nacht dem Berge ein nicht unbeträchtliches Stück näher gekommen. Vermutlich war dies doch so eine Geschichte.
Fortsetzung folgt...