Natürlich öffnete sich die Tür nicht auf handelsübliche Weise, die Welt verschwamm um uns herum und wir tauchten im Innern des Gebäudes wieder auf. Wie es sich für ein PC-Game gehörte, waren unsere Reittiere natürlich wieder im Inventar verstaut. Wenn es in der Wirklichkeit doch auch so einfach wäre, unwillkürlich musste ich seufzen, was Cornelius zu einem besorgten Blick in meine Richtung veranlasste.
„Nicht, was du denkst“, beruhigte ich ihn. „Ich dachte nur daran, wie praktisch ein solches Inventar in der Realität wäre.“
Nun wandelte sich sein Blick von sorgenvoll in eine Art Unverständnis. Hermetiker halt. Aber auf uns wartete ja ein Abenteuer.
„Wie verfahren wir“, fragte Prosper zu Recht.
Ich schaute mich kurz um, denn die Zone kam mir seltsam bekannt vor. So kramte ich in meiner Erinnerung.
„Ich denke, wir hauen hier die miesen Mockels um. Links im Raum sollten wir ein Update erhalten“, schlug ich vor.
Prosper zog sein Schwert und griff die erste Gruppe an. Mit einem Fesselungszauber ließ ich die Gegner erstarren, dass sie ein wahrlich einfaches Ziel boten. So prügelten wir uns durch den ersten Raum. Indes war Cornelius noch unschlüssig, was er zu tun hätte. Nun denn, er merkte schon, wenn er seinerseits einen Zauber weben könnte. Tatsächlich trafen wir im nächsten Raum einen verzweifelten Bäckergesellen, der von Lebkuchenmännlein bedroht wurde. Mit einem Feuerregen und gehöriger Messerarbeit machten wir ihnen den Garaus.
„Macht ihr das öfter?“ Cornelius nickte anerkennend.
„Sicher doch“, entgegnete ihm Prosper mit glänzenden Augen. „Tanuky und auch ich selbst sind in Abenteuern sehr geübt.“
Nun meldete sich auch der Bäckergeselle, da er durch unser Eingreifen neuen Mut gefasst hatte.
„Wenn ihr mir einige Zutaten beschafft, könnte ich euch ein magisches Helferlein aus Lebkuchen backen“, bot er uns an. Irgendwo in meinem Interface plingte es, und es schien, dass wir ein Quest-Update hätten. Es war schon reichlich verrückt, aber immerhin waren wir ja in einer Matrix.
So gingen wir die Treppe hinauf, um oben zum einen die aggressiven und äußerst lästigen Lebkuchenmänner zu töten und zum anderen die benötigten Zutaten einzusammeln. Mit vereinten Kräften kämpften wir uns von Raum zu Raum. Prosper mit gezogenem Schwert, meine Wenigkeit mit dem einen oder anderen hilfreichen und zerstörerischen Zauber und Cornelius tat sich hervor, indem er Schutzsphären um uns herum entstehen ließ. Mit der Zeit wurden wir ein gutes Team, vielleicht auch da Cornelius doch noch Spaß an diesem Abenteuer entwickelte. Als wir den letzten Raum von den Mockels befreit hatten, fanden wir auch die verbliebene Zutat. So war es eigentlich immer in den Spielen. Somit kehrten wir mit unseren Schätzen zurück zum Bäckergesellen, der unterdessen seinen Ofen angeheizt hatte. Flink hatte er die Zutaten zu einem Teig verknetet, sodann zu einem Männlein geformt und in den Ofen geschoben. Cornelius war schon beeindruckt, wie sich die Dinge fügten.
Voller Stolz präsentierte uns der kleine Bäcker das Wunderwerk seiner bezaubernden Backkunst, ein Lebkuchenmännlein mit martialischem Schwert an der Seite. Dann konnte ja nichts mehr schiefgehen, wenn wir nun im Keller nach den Unholden, denn diese boykottierte scheinbar die Gebäckproduktion, suchten.
Zu viert stürmten wir also gen Treppe zum Untergeschoss und es war uns nun ein Leichtes, die vielen Feinde zu vernichten. Als wir den letzten Raum im Kellergewölbe erreicht hatten, sahen wir sie endlich, diese beiden liederlichen Gestalten, die das köstliche Jul-Gebäck auf so schändliche Art und Weise sabotierte. Doch ehe wir sie zur Rede stellen konnten, entfleuchten sie durch ein Portal.
„Wohl an, hinterher“, rief Prosper und noch bevor ich ihn aufhalten konnte, war er ebenfalls durch das Portal gesprungen.
„Nun denn, Cornelius, nach dir“, mit einer lässigen Geste gab ich ihm den Vortritt. Auf der anderen Seite sahen wir uns wieder. Wir waren außerhalb der Bäckerei im tiefen Schnee, doch wirkte es nicht wie das Winter-Wunderland. Wie hieß es noch gleich? Frostfangsee? Aber eigentlich war es ja gar nicht wichtig. Voller Tatendrang machten wir uns auf, auch hier die Aggressoren zu beseitigen. Ich konnte mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Cornelius immer mehr Spaß an diesem Abenteuer bekam, da er voller Enthusiasmus seine Zauber wob. Doch dann hatten wir endlich die Übeltäter in die Enge getrieben. Waren es tatsächlich Feen? Oder doch Jul-Elfen? Kurios. Sie wehrten sich schon heftig, aber dennoch kamen sie nicht gegen uns an und wir trugen den Sieg davon. Sobald sie aus der Simulation getilgt waren, veränderte sich die Landschaft um uns herum. Friedliche Kreaturen tauchten auf und jul-festliche Dekoration erschien wie aus dem Nichts.
Ebenso materialisierte sich ein Portal neben uns, dass zu benutzen uns ratsam erschien. Als wir dort hindurchschritten, waren wir erneut bei unserem kleinen Bäckergesellen, der den gebackenen magischen Helfer wieder in Empfang nahm. Selbstverständlich dankte er uns überschwänglich mit lautem Getöse und trug uns auf, draußen mit seiner Meisterin zu sprechen. Selbstverständlich würden wir auch seine Mitarbeit lobend erwähnen, bla bla bla. Waren die Dialoge wirklich so nervig in den Computerspielen? Aber egal. So verließen wir die Bäckerei und ich sprach erneut mit der Bäckermeisterin. Auch sie faselte etwas von Ruhm und Ehre und der Dank, der uns auf ewig hinterhereilen würde.
„Fehlt nur noch, dass wir eines der neuen Gebäcke probieren, um festzustellen, was sich verändert hat“, schlug ich meinen Mitstreitern vor.
„Du willst wirklich eines davon hier essen?“ Cornelius war entsetzt.
„Nein, meine Prinzessin“, rief auch Prosper, „lasst mich davon kosten, wer, wenn nicht ich, könnte einen Unterschied schmecken?“
War ja eigentlich klar, dass Prosper, das Leckermäulchen, davon naschen wollte. Gerne überließ ich ihm das Vergnügen, wie könnte ich ihm so etwas auch abschlagen, zum anderen hatte er recht, da er bereits mehr als nur Bekanntschaft mit dem verdorbenen Gebäck gemacht hatte. Genüsslich knabberte er an seinem Plätzchen. Gebannt schauten wir auf ihn.
„Merkst du schon etwas?“, fragte ich ihn.
„Schmeckt es anders?“, wollte Cornelius ganz Wissenschaftler wissen.
„Es ist“, Prosper schloss die Augen und überlegte, „irgendwie leckerer, runder im Geschmack. Es schmeckt nun wirklich nach Jul und nicht nach so einem billigen Abklatsch.“
„Dann haben wir es repariert?“ Cornelius schaute uns an.
„Nicht so voreilig“, meinte ich. „Wenn Prosper die Simulation verlassen kann und auch keinen Drang nach immer noch mehr Gebäck verspürt, dann haben wir es repariert.“
Erwartungsvoll betrachtete ich meinen Prinzen. Er hatte nicht den verklärten Blick wie bei seinem letzten Trip. Er leckte sich die letzten Krümel von den Fingern und horchte in sich hinein.
„Ich glaube, es ist alles ganz normal. Sollen wir gehen?“
Ein Vorschlag, dem wir nur zu gerne Folge leisteten. Dennoch wartete ich bis zuletzt, um sicherzugehen, dass sich Prosper normal ausloggte und nicht doch noch ein weiteres Gebäck vernaschen wollte. Erleichtert öffnete ich meine Augen in der Einsatzzentrale und blickte in die Augen meines Prinzen. Unterdessen verfasste Cornelius bereits seinen Bericht über die vergangenen Ereignisse.
„Ich denke, ein Hinweis auf die Aufgabe in der Bäckerei wäre hilfreich, damit neuerstellte Simulationen nicht wieder zu einer Falle werden können.“ Gab ich Cornelius die Anregung, dieser überlegte kurz, ehe er lächelte.
„Oh nein, wir werden dies als Zauber einbetten. Sicher ist sicher.“
So gab er noch einige Anweisungen, um diese Plex zu entschärfen.
„Ihr bleibt doch noch bis morgen? Nur für den Fall, dass sich etwas unvorhergesehenes ereignen sollte.“
Was soll ich sagen, auch das Abendessen war wieder vortrefflich und so gar nicht soy-mäßig künstlich. Es kostete Saeder-Krupp gewiss einiges uns derart gut zu bewirten. Natürlich versicherte mir Cornelius, dass auch mein Salär, nannte er es wirklich so, in angemessener Höhe angewiesen werde. Nach dem Essen und dem einen oder anderen Schoppen Wein begaben wir uns zur Ruhe. Selbstverständlich genoss ich es in den Armen meines Prinzen einzuschlafen. Leider war es genauso selbstverständlich, dass ich in meinem eigenen Bett aufwachte. Verdammt durfte ich mich nicht mal adäquat von Prosper verabschieden oder auch mein Auto Verzeihung natürlich Oldtimer nach Hause kutschieren?
Nun, so war dieses Abenteuer abgeschlossen, aber gewiss werden noch so einige folgen. Es wäre nur eine Frage von Zeit, dass ich erneut in die andere Welt überträte. Wie auch immer ich war schon gespannt.
Für alle die unter euch, die dann auch einmal ein vortreffliches Jul-Abenteuer bestehen wollen, sei das berühmte Rezept an die Hand gegeben. Falls ihr nicht in das Winter-Wunderland entführt werdet, grämt euch nicht, es liegt vielleicht daran, dass wir noch nicht in einer erwachten Welt leben oder aber an euren fehlenden magischen Kenntnissen. Im zweiten Falle empfehle ich einen Besuch bei dem Hermetiker oder bei der Hexe eures Vertrauens.
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