»Siehst du noch was?«, fragte Anita. Sie musste irgendwo dicht hinter Josi sein.
»Nur etwas Licht an den Rändern.« Mehr hatte sie von einer einfachen Schlafmaske aber auch nicht erwartet.
»Gut. Bist du dann so weit?« Die große Papiertüte, die Anita zuvor mit ins Schlafzimmer gebracht hatte, knisterte.
»Ich ... bin nicht sicher«, gestand Josi. Es war ihr unangenehm, nichts zu sehen, gleichzeitig war es aber auch aufregend. Zumal sie absolut keine Ahnung hatte, was Anita vorhatte.
Sie zuckte zusammen, als sich Anitas Finger leicht auf ihren Unterarm legten.
»Oh. Sorry, wollte dich nicht erschrecken!« Die Finger entfernten sich sofort wieder. »Du musst das nicht machen, wenn es dir unangenehm ist. Ich kann dir auch alles vorher zeigen.«
»Das wäre ja langweilig! Nein, schon gut. Ich sag, wenn es nicht mehr geht. Aber ich möchte eine Belohnung, wenn etwas errate!«
Anita lachte und raschelte mit der Tüte. Nach einem Moment roch Josi einen feinen, herben, aber auch süßlichen Geruch. »Daran hab ich schon gedacht. Kannst du denn erraten, was es ist?«
Josi lief das Wasser im Mund zusammen. Das war wirklich nicht schwer! »Schokolade!«
Etwas wurde leicht gegen ihre Lippen gedrückt und sie öffnete sie. Sogar ihre Lieblingsschokolade! Zartbitter mit Honig und Nüssen. Aber ein viel zu kleines Stück. »Mehr!«
Josi sah vor ihrem inneren Auge, wie Anita eine Augenbraue hob, als sie schnaufte. »Wenn du richtig liegst und nicht rumalberst.«
Schmollend schob sie die Unterlippe vor. »Dann mach schon.«
»Gut.« Wieder raschelte die Tüte. »Vorsicht, hier kommt Nummer 1.«
Josi war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber sicher kein sanftes Streicheln am Unterschenkel, das sich langsam das Bein hochzog. Was immer Anita da hatte, war weich – irgendein Kuscheltier? Stoff? – hatte aber auch eine leicht raue Struktur.
Am Rücken angekommen, war das Gefühl nicht mehr nur an einer kleinen Stelle, sondern zog einen längeren Streifen. Also kein Kuscheltier. Ein Stoff ... »Handtuch!«
»Mund auf«, forderte Anita mit sanfter Stimme und schob ihr ein Stück Schokolade zwischen die Lippen. Ein Kuss in den Nacken folgte auf den Fuß.
So ging es weiter. Anita hatte sich wirklich einiges einfallen lassen, um viele unterschiedliche Texturen auf Josis Haut zu bringen. Von sanften Federstreichen, über harte Zahnbürstenborsten bis hin zu einem kalten, feuchten Lappen war alles dabei.
Am schönsten fand Josi die Haarbürste. Sie konnte die einzelnen, harten Noppen spüren, die ihre Haut massierten. Dass Anita vorher etwas Öl auf ihrer Haut verteilt hatte, machte es sehr entspannend. Für eine Weile ließ sie sich einfach fallen und erst der Geruch von Schokolade, die ihr unter die Nase gehalten wurde, ließ sie dann doch nachgeben und erraten, worum es sich handelte.
Widerlich dagegen war das körperwarme Wasser, das Anita in großen Tropfen auf ihren Rücken verteilte. Obwohl Josi sehr schnell sicher war, dass es nur Wasser war, malte sie sich dennoch vieles aus. Erst dadurch wurde ihr bewusst, wie sehr sie aufs Sehen angewiesen war, um Dinge sicher zuordnen zu können.
Sie hatte schon lange die zeitliche und räumliche Orientierung verloren, als Anita verkündete: »Das war’s.«
Enttäuscht seufzte Josi. Auch wenn es anfangs gedauert hatte, bis sie entspannt war, gefiel es ihr, wie ihr Körper auf die unterschiedlichen Reize reagierte.
Ein Lufthauch streifte Josis Ohr, dann küsste Anita sie an der Schläfe. »Na gut, weil du auch bei der Feder diesmal nicht rumgealbert hast, noch fünf Minuten Bürste und dann wasch ich dir den Kuli vom Rücken.«
Eilig nickte Josi und lächelte. Sie würde sich wirklich was einfallen lassen müssen, wenn sie Anita demnächst einen ähnlich tollen Abend bereiten wollte.