Prompt vom 06.05.
"Langsam drehte er/sie sich um"
Langsam drehte er sich um.
"Sag mal geht's noch? Du spinnst ja wohl total!" Joachim ergriff die Flucht. "Hey!" rief Kaminari. "Bleib gefälligst stehen!" Aber der junge Mann war längst um die nächste Straßenecke verschwunden. Kaminari war außer sich vor Wut. 'So ein Trottel! Wenn ich den erwische!' Kurz überlegte er, ob er ihm nachlaufen sollte, aber er würde ihn ohnehin morgen in der Vorlesung sehen, wozu sich also jetzt anstrengen.
"Tz." Machte er deshalb nur. "Idiot."
Joachim kam nicht zur Vorlesung. Die ganze Woche nicht. Schließlich wurde es Kaminari zu bunt. Er fragte seine Studienkollegen, was mit Jo los war und nahm sich fest vor, gleich nach Ende der letzten Vorlesung zu ihm zu gehen.
Als er vor der Tür von Jo's Wohnung stand, rief er sich noch mal in Erinnerung, was am Wochenende passiert war.
Er und Jo waren sich vor ein paar Wochen beim Semesterstart zum ersten mal begegnet und hatten bald festgestellt, dass sie sich für die gleichen Spiele interessierten. Seitdem saßen sie beinahe jedes Wochenende Samstag Abend beieinander und zockten sich durch verschiedene Videogames, Onlinespiele und Brettspiele. Manchmal auch bei Kaminari zu Hause. Sehr zum Leidwesen von Eve, Kaminaris Freundin, die bei manchem Brettspielen sehr widerwillig die fehlende Person mimen musste. So auch dieses Wochenende. Jo blieb in der Regel über Nacht, weil es meistens recht spät wurde. Wie immer gingen Kami und Jo am Sonntag Morgen ins Café zum Brunchen. Manchmal mit, manchmal ohne Eve. Dieses mal ohne sie, weil sie etwas zu tun hatte.
Die beiden unterhielten sich über die besten Szenen aus dem Spiel von gestern Abend und schlürften ihre Mandelmilchschokodrinks, die Spezialität des Cafés. Soweit war alles ganz normal. Irgendwie kamen sie dann aber auf das Thema Freundinnen und Jo hörte zum ersten Mal von Kami's und Eve's Beziehungskonzept. Kami und Eve hatten nie ein Problem, darüber zu reden. Sie standen zu ihrer Lebensart und versteckten sich nicht.
"Du willst mir also erzählen, dass ihr in einer offenen und poly-was? Beziehung seid und das funktioniert?"
Joachim schwankte zwischen Neugierde und Unglauben. Eine Reaktion, die Kami schon kannte und sich deshalb nichts dabei dachte.
"Polyamor. Das heißt, das mensch mehr als einen Menschen gleichzeitig liebt. Und ja, das funktioniert hervorragend, solange mensch ehrlich miteinander umgeht und die Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten respektiert."
"Hm." Kam daraufhin nur von Joachim. Und da wurde Kami stutzig. Normalerweise kamen jetzt erst Recht Fragen über Fragen und Aussagen à la 'Also ich könnte sowas nicht.'
Stattdessen war Jo plötzlich ganz erpicht darauf das Thema zu wechseln.
Sie redeten noch eine Weile über Belanglosigkeiten, blieben aber auf einem sehr seichten Unterhaltungslevel. Beide hatten bald keine Lust mehr und Kami brachte Jo, der immer schweigsamer wurde, noch zum Busbahnhof.
Mitten unterm Gehen hielt Joachim an.
"Du, Kami, meinst du, du könntest mir Eve mal ausleihen? Ich mein, fürs Bett und so. Das ist doch bei so ner offenen Beziehung drin, oder?" Kaminara blieb ruckartig stehen.
"Wie bitte?!" Langsam drehte er sich um.
Blanker Zorn funkelte in seinen Augen.
"Sag mal geht's noch? Du spinnst ja wohl total!" Joachim ergriff die Flucht. "Hey!" rief Kaminara. "Bleib gefälligst stehen!"
Seufzend hob der blonde Mann die Hand und klopfte an Jo's Zimmertüre. Keine Antwort.
"Jo? Ich weiß, dass du hier bist. Marla hat dich verpetzt. Sie sagt, dass du seit Tagen das Zimmer nicht verlassen hast."
Keine Reaktion.
"Jo, so hat das keinen Sinn. Wir müssen reden! Ich werd dir schon nicht den Kopf abreissen, aber was du da von dir gegeben hast am Sonntag war halt echt Scheisse, Mann."
Nichts. Kaminara setzte sich hin, das konnte dauern. Anscheinend war Joachim nicht bereit sich mit der Sache auseinander zu sezten.
Aber das war egal. Kami konnte warten.
Er hatte Zeit und viel Geduld. Zum Glück hatte er sich auf dem Herweg noch was zu Knabbern besorgt. Er zog seine Tasche zu sich her, holte einen Apfel und ein paar Karotten raus und machte es sich vor der Türe bequem.
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