Prompt vom 24.06.20
"Sternschnuppen? Dein Ernst? Ich glaub nicht an sowas."
Ich nestelte an der Verpackung eines Geschenkkorbes herum, während Kaminari mir das Programm des heutigen Abends vorlas.
Genervt murrend versuchte ich zum x-ten Mal die Schleife am Bügel des Korbes zu befestigen, damit es schön aussah.
"Gib her, ich mach das."
Kaminari nahm mir beides ab.
Eine Minute später bekam ich den Geschenkkorb zurück.
Die Schleife saß perfekt.
"Danke."
Ich gab ihm ein Bussi und wuschelte durch seine wild in alle Richtungen abstehenden, gelben Haare.
"Wieso glaubst du nicht an Sternschnuppen?"
Er verzog die Lippen zu einer Schnute, wie ein Kind, dem sein Lieblingsspielzeug einfach so weggenommen wurde. Ich lachte.
"Weil das für mich genauso bescheuert ist, wie an den Weihnachtsmann oder den Osterhasen zu glauben. Das sind Märchengeschichten, die mensch kleinen Kindern erzählt, damit sie sich besser fühlen und glauben, dass da jemand ist, der ihnen ihre Wünsche erfüllt."
Ich nahm den Korb und stellte ihn vorsorglich gleich auf die Kommode beim Eingang. So konnten wir ihn nachher nicht vergessen, wenn wir zu meiner Familie fuhren.
"Ich hab mir früher auch Sachen gewünscht. In Erfüllung gegangen ist davon nichts. Außer ich hab mich selbst darum gekümmert. Also warum soll ich überhaupt jemand anderen darum bitten, wenns am Schluss eh an mir hängen bleibt?"
Kaminari umarmte mich von hinten. Seine Lippen kitzelten mich im Nacken. Ich schüttelte mich.
"Uahh. Sorry, ich bin extrem kitzlig."
"Ich weiß."
Er biss sanft in die Stellen, die kribbelten wie verrückt.
"Also wünscht du dir nie irgendwas?" Fing er plötzlich wieder an.
"Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn, dann wünsch ich es mir gleich von mir selbst. Und an mich selbst glauben ist immer noch sinnvoller, als auf ein Wunder durch einen in der Erdatmosphäre verglühenden Meteroritenbrocken zu hoffen."
Mein gelbhaariger Freund bekam einen Lachanfall.
Er ließ mich los und fiel rücklings auf die Couch.
"Was ist jetzt kaputt?" Irritiert und etwas vor den Kopf gestoßen sah ich zu, wie Kaminari sich vor Lachen kugelte.
Immer noch keuchend und glucksend versuchte er sich gerade hinzusetzen.
"Ich finds nur so witzig, dass sowas von jemandem kommt, der selbst mit 30 noch einen Kuschelbären als Glücksbringer mit in jeden Test nimmt."
Meine Augenbrauen zogen sich zu einer wütenden Monobraue zusammen.
"Na und? Schorschi hilft mir eben, an mich selbst zu glauben! Immer noch besser, als auf eine fremde Macht zu vertrauen, die sich um meine Probleme kümmert oder auch nicht."
Mit verschränkten Armen und stampfend wie ein Elefant verschwand ich in der Küche.
"Ich mach mir Tee. Willst du auch einen?"
In mir brodelte es und ich brauchte dringend etwas Beruhigendes. Schorschi war oftmals der einzige in meinem Leben gewesen, der mich unterstützt hatte.
Meine Eltern hatten keine Zeit.
Sie mussten arbeiten, um mich und meine Geschwister durch zu bringen.
Und letztere waren mit ihren eigenen Problemen mehr als genug beschäftigt.
So wirkliches Familienfeeling ist da nie aufgekommen.
Gar nicht zu reden von gegenseitiger Unterstützung.
Kaminari wusste das alles.
Ach ich hasste es, wenn meine Emotionen mit mir durch gingen.
Ich spürte schon wieder, wie die ersten Tränen sich in meine Augen schoben, meine Nase dicht wurde und der Kloß in meinem Hals mir das Atmen schwer machte.
Trotzdem musste ich lachen, als Kami mit Schorschi in der Hand in die Küche kam. Ich drückte den kleinen Teddybären mit dem roten Kapuzenpulli fest an mich.
Kaminari umarmte uns beide.
"Ich glaub auch an dich. Das müsst ihr beide jetzt nicht mehr alleine machen."
Na toll, jetzt brach der Damm so richtig und ich schniefte und heulte ihm die Schulter voll.
Eine halbe Stunde und zwei Tassen Salbeitee später war ich wieder stabil genug, um mich der nächsten Herausfordung zu stellen:
Familienfeier anlässlich des Geburtstages einer meiner Schwestern.
Juhu.
"Hast du alles?"
Ich zählte meine sieben Sachen.
"Handy, Geldbeutel, Schlüssel, Mundschutzmaske, Geschenkkorb,..."
"Schorschi." Kami steckte den Bären in meine Tasche und grinste.
"Der kann heute Nacht mit uns die Sternschnuppen ankucken.
Vielleicht will er sich ja was wünschen."