Prompt vom 15.07.20
"Moment! Halt! Stopp! Aus!"
Freddy wachelte vor meinen Augen mit den Händen herum.
"Soll das heißen, du sagst ja?"
Die blonde Frau mit Namen Frederike, die sich allen immer als Freddy vorstellte und damit nicht selten für Verwirrung sorgte, vor allem am Telefon, wirkte völlig aus der Bahn geworfen.
"Ich dachte, du würdest nie heiraten!
Mein Weltbild bricht gerade zusammen.
Eve, meine beste Freundin, Schrägstrich Teilzeit-Lover, will allen Ernstes den Bund der Ehe eingehen?"
"Naja, ich hätte es selbst nicht geglaubt, wenn du mir vor einer Woche erzählt hättest, dass ich ja sagen würde. Aber erstens kommte es anders..." In meinem Bauch entstand ein fürchterlicher Knoten.
Jetzt schon fraßen mich die Zweifel geradezu auf.
Ein paar Tage zuvor hatte Kaminari mir einen äußerst unromatischen, sehr pragmatischen Antrag gemacht.
Ich hab zuerst rundheraus abgelehnt.
Schließlich ist die Ehe für mich nichts anderes, als die Aufrechterhaltung der Unterdrückung der Frau.
Das In-die-Rolle-gepresst-werden, die die Kirche für uns vorgesehen hat: Kinder, Küche, Kirche. Dafür steht für mich der Ehering. Für ein Gefängnis.
Für alte Werte, die völlig überkommen sind.
Für Exklusivität in Sachen Liebe und Sex.
Das komplette Gegenteil also von meiner tiefsten innersten Überzeugung.
Ich lebe polyamor, in offenen Beziehungen. Durchaus mit Verpflichtungen und Regeln, aber nie in fest gefahrenen Mustern eingesperrt.
Jetzt wo ich so darüber nachdachte, wurde mir dabei immer mulmiger zumute. Ich konnte förmlich spüren, wie sich das Blut aus meinem Gesicht zurückzog. Mir wurde übel.
"Ist alles ok? Du siehst furchtbar blass aus."
Freddy legte ihre Hand auf meinen Arm.
Was als beruhigende Geste gedacht war, löste ihn mir Panik aus.
Ich stand ruckartig auf, lief ein paar Mal im Zimmer auf und ab und stürzte dann ins Bad um mich geräuschvoll in die Kloschüssel zu übergeben.
Ich konnte es nicht. Ich musste Kaminari absagen. Er würde enttäuscht sein. Aber ich konnte es einfach nicht. Nicht einmal, um ihn vor seiner Familie zu retten, die ihn in eine Zwangsehe lotzen wollte, wenn er nicht bis in 6 Monaten selbst eine Frau gefunden hatte.
Freddy stand mit verschränkten Armen in der Badtür.
"Wenn du willst, bleib ich da, während du es ihm sagst."
Meine Freundin kannte mich lange genug.
Sie wusste, ich würde es nicht durchziehen. Nicht einmal für ihn.
"Mir was sagen? Bist du schwanger oder warum musst du dich plötzlich übergeben?"
Mein gelbhaariger Wuschelkopf-Freund trat durch die Wohnungstür herein und stellte sich neben Freddy.
Halb besorgt, halb neugierig zog er die linke Augenbraue hoch.
"Das sie dich nicht heiraten wird."
Ein erneuter Würgeschub zwang mich zurück über die Toilette.
Ich hörte schwere Schritte, die zum Tisch rüber gingen, einen Stuhl, der zurück gezogen wurde und Kami, der sich schwer auf selbigen fallen ließ.
"Es ist nicht so, dass ich es nicht geahnt hätte. Ich hab mich eh gewundert, dass du schon nach dem dritten mal Fragen ja gesagt hast."
Er seufzte schwer.
"Meine Mutter hat mir ein Bild von meiner Zukünftigen geschickt.
Hiromi Nagasaki. Ihre Eltern stammen aus Kyoto."
Ich schämte mich tierisch. Mit einiger Anstrengung zog ich mich auf die Beine, spülte runter und wusch mein Gesicht.
Freddy brachte mir ein Glas Wasser und wir setzten uns zu Kami an den Tisch.
Er holte sein Smartphone raus und zeigte uns das Bild einer asiatischen Schönheit. Resigniert warf er das Handy auf den Tisch und vergrub sein Gesicht in den Händen.
"Verdammt, ich hab keinen Bock zu heiraten!" Er schlug die Fäuste auf den Tisch, sprang auf, schnappte sich ein Kissen von der Couch, drückte es sich vor den Mund und brüllte hinein.
Minuten vergingen. Kaminari saß mittlerweile auf der Couch, alle viere von sich gestreckt. Er starrte an die Decke.
"Sag mal, Kami, wie wär es denn, wenn wir beide heiraten?"
Kamis Kopf fuhr hoch.
"Was?" Freddy stand auf und stellte sich vor dem jungen Mann hin.
"Ich meine, wir zwei könnten doch heiraten, oder?
Ich bin zwar lesbisch und mir ist das alles ziemlich egal.
Aber wenn wir verheiratet sind und es nicht funktioniert, können wir uns ja immer noch scheiden lassen.
So wie ich die Sache sehe, geht es hier doch nur um eine Ehe auf dem Papier, oder nicht?"
Sie ließ sich neben ihm aufs Sofa plumpsen.
"Abgesehen davon hätt ich dann endlich auch mal Ruhe von meiner Verwandtschaft, die mir ständig in den Ohren liegt, dass ich mir endlich einen Mann suchen soll. Win-win sozusagen."
Grinste sie Kami schräg von der Seite an.
"Natürlich muss Eve damit einverstanden sein, schließlich müsste ich zur Aufrechterhaltung des Scheins hier einziehen."
Ich begann zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Freddy hier bei uns?
Ich konnte mir kaum was Schöneres vorstellen.
Meine zwei Lieblingsmenschen unter demselben Dach wie ich selbst? Yay!
"Ich deute ihr freudestrahlendes Gesicht jetzt mal als ja. Also was sagst du, Kami?"
Der glotzte die blonde Frau an, als wäre sie das 8. Weltwunder.
"Dein Ernst? Total genial!"
Er fiel Freddy um den Hals und diese kippte hintüber.
Lachend lagen sie beide auf der Couch.
Ich hüpfte auf sie drauf und wir kuschelten gemütlich auf unserer Luxusriesencouch.
"Siehste," frotzelte Freddy. "Und erstens kommt es anders..."
Sie lag zwischen uns und streichelte uns beide sanft über die Arme.
"Und zweitens als man denkt."
Schnurrend wie zufriedene Kätzchen schliefen wir zu dritt ein.
Ich freute mich mega darüber, das künftig jeden Abend haben zu können.