Die Kundin war zum Anbeißen schön. Saul begaffte ihre langen, blonden Haare, die blassblauen Augen mit den dunklen Ringen am Rand. Sie ging vor dem schmuddeligen Tuch, auf dem die Waren ausgebreitet lagen, in die Knie, pickte einen der Dolche heraus und hielt ihn Saul mit fragendem Blick hin.
»Oh, ein fabelhaftes Stück, sehr gute Wahl. Einzigartig und besonders«, sagte er.
»Was kann er?«
»Ähh… nun.« Saul druckste herum. »Das habe ich noch nicht ganz… herausgefunden. Aber irgendetwas kann er, das hab ich im Urin. Ich weiß es. Ja, ich weiß es und ich irre mich nicht. Nach dem, was ich gehört habe, kann er… Schatten in sich aufnehmen. Aber so ganz…«
Die Schönheit nickte, überprüfte die Klinge auf ihre Schärfe. Nickte erneut. »Wie viel?«
Saul kniff die Augen zusammen. Er hatte in den Jahren Erfahrung als Verkäufer gesammelt, er erkannte es, wenn jemand mehr wusste, als er selbst. Er warf einen Blick auf seinen Gehilfen, doch der saß auf dem Boden und zeichnete mit einem Pfeil einen Baum in den Dreck. »Drei Silberkona. Aber! Ich kann dir ein Angebot machen. Sag mir, wie heißt du?« Er schenkte ihr sein öliges Lächeln, dem die Frauen stets erlagen.
Die Schönheit kramte drei Münzen aus ihrer Geldbörse und warf sie auf die Auslage. »Ich bezahle den vollen Preis, vielen Dank.« Mit einem süffisanten Lächeln steckte sie den Dolch ein, drehte sich um und verschwand aus der Gasse. Saul blieb mit finsterem Blick und dem Gefühl zurück, dass er gerade ein schlechtes Geschäft abgeschlossen hatte.
Er brummte etwas, klaubte die Münzen zwischen den Artefakten hervor und steckte sie ein. Neben ihm keuchte sein Gehilfe plötzlich auf. Saul hob den Blick und erstarrte. Ein Mann kam die Gasse entlang geschlendert. Er trug ein Schwert an seiner Hüfte, das Wappen des Königs auf der maßgeschneiderten Uniform. Bei der Allmächtigen.
Saul wollte aufspringen, das Tuch zusammenraffen und fliehen, doch der Mann hatte seine Panik erkannt. »Ihr werdet nicht weit kommen«, sagte er. Die Schönheit war bereits verschwunden, bis auf sie drei war die Gasse leer, karge Wände warfen die ruhige Stimme zurück. Saul fluchte.
Mit selbstsicheren Schritten kam der Mann näher, blieb vor ihnen stehen. Eine Hand ruhte auf seinem Schwertgriff, mit der anderen kratzte er sich den Stoppelbart. »Ich habe Männer an beiden Eingängen aufgestellt. Ihr werdet nicht weit kommen.« Die Gasse verlief S-förmig zwischen zwei Häuserblocks, Saul konnte keinen der Eingänge sehen, doch er glaubte dem Mann aufs Wort.
»Was wollt Ihr, Herr?«
»Ich nehme an, Ihr wisst, dass der Verkauf von magischen Artefakten ohne eine entsprechende Genehmigung illegal ist?«, fragte der Hauptmann. »Es steht der Tod darauf.«
»Magi… magische Artefakte, Herr?« Saul versuchte sich unwissend zu geben. Mit zwei überkreuzten Fingern gab er seinem Gehilfen ein geheimes Zeichen. In der Wand neben ihnen gab es eine versteckte Tür. Wenn er den Hauptmann beschäftigte, ablenkte, vielleicht konnte er ihn umstoßen. Sie brauchten nicht viel Zeit um zu fliehen, es war ein Manöver, dass sie bereits dutzende Male angewandt hatten.
Die Lippen des Hauptmanns waren ein Strich. »Versucht nicht mich zu belügen.« Er beugte sich zu der Auslage hinab, zog einen schmalen Goldring hervor, in dessen Fassung ein Regenbogenstein steckte. »Ein Brecherring. Interessant. Wisst Ihr, einem guten Freund von mir wurde vor einer Woche ein eben solcher Ring gestohlen. Er trug an derselben Stelle eine Scharte.« Der Mann richtete sich auf, steckte den Ring wie selbstverständlich in eine Tasche seiner Uniform.
»Herr«, brauste Saul auf. »Ich bin ein ehrlicher Händler. Meine Ware hat nichts mit Magie zu tun. Nicht das Geringste. Bei allem Respekt, Sie müssen sich täuschen. Ich betreibe ein legales Geschäft.«
»So legal, dass Ihr in einer Gasse sitzt?«
»Ja. Nun, wissen Sie, der Marktplatz ist voll. Und die Sonne… ich benötige den Schatten, meine Haut wirft sonst ganz hässliche Blasen. Ich zeig es Ihnen.« Er tat einen Schritt nach rechts, versuchte die Aufmerksamkeit des Mannes zu behalten, damit sein Gehilfe etwas mehr Spielraum hatte. »Hier an meinem Arm.«
Der Hauptmann sah ihn finster an. »Genug! Ich bin nicht hier, um Sie zu verhaften. Ich möchte etwas kaufen.«
Saul stockte. Er gab dem dürren Jungen ein weiteres geheimes Zeichen, brach das Vorhaben – vorerst – ab. »Sag ich doch. Nichts Illegales. Wissen Sie, ich gebe Ihnen den Ring sogar umsonst, nehmen Sie ihn als Geschenk für Ihren Freund und –.«
»Genug«, sagte der Mann. Seine Stimme war ruhig, beinahe eisig. »Keine Lügen, ansonsten ändere ich meine Meinung.« Saul nickte. »Gut. Ich brauche etwas, dass mich in der Schlacht beschützt.«
»Gegen was? Ein Schwert? Hauptmann, ich weiß nicht, ob –.«
»Pfeile«, unterbrach der Mann ihn. »Ich brauche etwas gegen Pfeile. Ich suche nach einem Feuerreif.«
»Nun… ein Feuerreif ist etwas sehr, sehr Illegales. Ich… habe keinen. Und selbst wenn… wollen Sie die Pfeile in der Luft verbrennen? Das erfordert Geschick, Übung. Ich glaube nicht, dass –. Moment.« Saul beugte sich zu seinen Waren hinab, schob einige der Gegenstände hin und her und zog schließlich einen verschlissenen Handschuh aus brüchigem Leder hervor. An der Handfläche war eine dunkel schimmernde Metallplatte eingelassen. »Wie wäre es hiermit?«
»Was ist das?«
»Nun, es wird einen Pfeil nicht verbrennen, es wird ihn auch nicht aufhalten. Dieser Handschuh sendet Druckwellen aus. Er… lenkt Pfeile ab.«
Der Mann schien nicht überzeugt. »Dieses Ding?«
»Aber ja, ich weiß das. Ich erzähle doch keine Lügen. Die Allmächtige selbst hat ihn gesegnet.« Saul sah in dem Gesicht des Mannes, dass ihm die Erwähnung der Allmächtigen zusammen mit illegalen Artefakten nicht sonderlich gefiel. »Wie dem auch sei, ich… kann Ihnen eine Demonstration geben.«
»Ihr erwartet nicht ernsthaft, dass ich zustimme, mich beschießen zu lassen.«
»Aber nein, aber nein. Ich werde es tun.« Er nickte seinem Gehilfen zu. Der dürre Bursche sprang auf die Beine, zog einen Bogen hervor, den der Dreck verdeckt hatte. Mit dem Pfeil in der Hand, schlurfte er die Gasse entlang, blieb zehn Meter entfernt stehen, drehte sich um. Er legte den Pfeil an, während Saul sich den Handschuh überstreifte.
»Sie sollten beiseitetreten«, wies er den Mann an. Mit einer wachsamen Miene gehorchte er.
»Denkt an meine Männer. Keine Tricks.«
»Aber, aber. Ich würde nie versuchen, Sie zu hintergehen. Eine Demonstration, wie gesagt. Los Junge!«
Der Gehilfe spannte die Bogensehne, zielte auf Saul und schoss den Pfeil ab. Mit einer schnellen Bewegung, als würde er seinen Handballen in die Luft rammen, streckte Saul seinen Arm. Die Metallscheibe vibrierte, sandte eine Druckwelle, die für einen Moment den Dreck in der Gasse aufwirbelte. Der Pfeil verschwand.
In Sauls Schulter pochte es. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er die Schmerzen zu ignorieren. Die Benutzung dieses Handschuhs war, als würde man versuchen mit einer Hand einen Felsbrocken zu stoppen. Er setzte sein öliges Lächeln auf und drehte sich zu dem Hauptmann.
»Sehen Sie, es –.« Bei der Allmächtigen. Der Mann taumelte nach hinten, der abgelenkte Pfeil ragte ihm aus dem Hals. Sein Mund schnappte nach Luft, wie bei einem Fisch auf dem Trockenen, doch es drang lediglich ein klägliches Krächzen aus der durchbohrten Kehle. Der Hauptmann sackte zusammen, Blut sprühte in den Dreck der Gasse.
Saul fluchte. Sein Gehilfe kam herbei, die Augen weit aufgerissen. »Ähh…«
»Ruhe, Junge. Öffne die Tür, pack das Tuch zusammen. Und dann halt nach den Wachen Ausschau. Wenn sie kommen, lenk sie irgendwie ab. Ich kümmre mich um die Leiche, ich schätze, wir müssen sie mitnehmen.«