Ich weiß nicht, ob ich es zurückschaffe. Wir haben einen Fehler gemacht.
Ihre Feder kratzte mit flüssigen Bewegungen über das Pergament, jedoch trugen die Buchstaben Knicke und zittrige Ausschläge in den sonst so gleichmäßigen Bögen. Ruh tauchte die Feder in ihr Tintenfass, das sicher in einer Vertiefung des kleinen Tisches stand, sodass es nicht durch Unebenheiten der Waldwege zu Boden fiel, und schrieb den nächsten Satz.
Die Gerüchte stimmen. Das Wetter im Tal verhält sich anders. Es herrscht ewiger Winter. Aber wir waren lediglich auf einen Zauber vorbereitet, der die Wärme aus der Luft saugt. Wir wussten nicht, dass
Der Wagen fuhr durch ein Schlagloch und ein plötzlicher Ruck ging durch den Wagen, dass Ruh die Zähne zusammenschlugen. In der Vertiefung klapperte das noch volle Tintenfass. Etwas Tinte schwappte über den Rand, klatschte auf den Tisch. Einige Spritzer trafen auf das Pergament und saugten sich in das Blatt.
»Scheiße.«
»Alles in Ordnung?«, rief einer der niedrigen Gelehrten, der neben dem Wagen herlief.
Ruh schüttelte den Kopf, ohne auf die Frage einzugehen. Der Tintenklecks glitzerte dunkel auf ihrem Tisch und sie zog eines der Tücher heran, mit denen sie ihre Federn reinigte, um ihn aufzuwischen. Als sie die Ecke gerade auf den Klecks senkte, erstarrte sie. Auf der Oberfläche der Flüssigkeit bildete sich ein haarfeines Muster aus weißen Linien. Eiskristalle breiteten sich auf der Tinte aus und als Ruh probehalber die Feder in den Klecks tauchen wollte, traf sie auf eine elastische Schicht, die sich lediglich leicht nach unten bog.
»Scheiße«, fluchte sie erneut. Ihr Atem schlug Wolken und nun spürte sie die Kälte auch durch ihren Mantel dringen. Draußen erschollen hektische Rufe. Ruh wischte den angefrorenen Tintenklecks achtlos mit ihrem Ärmel beiseite, warf das Tuch fort, setzte die Feder erneut auf das Pergament. Da einer der Spritzer die letzten Worte getroffen hatte, schrieb sie den letzten Satz neu.
Wir wussten nicht, dass dort ein Eisdrache lebt.
Haltet euch von diesem Tal fern.
Ruhs Atem schwebte vor ihr in der Luft. Sie rieb ihre Beine aneinander, spürte, wie ihre Nase und Wangen rot und taub wurden. Sie biss die Zähne zusammen und schrieb weiter.
Er folgt uns. Es tut mir leid. Ich li
Die Tinte versiegte und Ruh steckte die Feder in das kleine Fass. Doch anstatt einzutauchen, bohrte sich die Spitze nur in einen Block, pickte darauf herum. Verbog. Gefroren. Ruh schlug mit der Hand auf den Tisch, dass sämtliche Utensilien klapperten. Verzweifelt kratzte sie mit der Feder über das Pergament, jedoch ohne Erfolg.
Der Wagen hielt. Die Pferde wieherten. Irgendwo hinter ihnen ertönte ein Krachen, als wäre ein Felsbrocken einen steinernen Hang hinabgefallen. Ruh sprang auf, zwängte sich an dem Tisch vorbei und stolperte aus dem Wagen hinaus ins Freie. Unter ihren Füßen knirschte das gefrorene Gras. Augenblicklich verpuffte die Wärme, die sich im Wageninneren gehalten hatte und die Kälte traf sie wie ein Schlag. Dicke Schneeflocken trudelten aus den tiefschwarzen Wolken über ihr herab. Der Gelehrte, der neben ihrem Wagen hergelaufen war, saß knieend auf dem Boden und starrte mit großen Augen zu den Bergen, aus denen sie gekommen waren. Ruh folgte seinem Blick.
Ein saphirblauer Leib schlängelte sich durch die Felsen hindurch, zerbrach einige davon, als wären sie nicht mehr als dürre Zweige. Die Schuppen schabten über den Boden, erzeugten ein Geräusch wie tausende Schwerter, die gleichzeitig gezogen wurden. Ruh schluckte. Der Drache sprang das letzte Stück des Hangs hinab. Unter seinem Aufprall zitterte der Boden. Ruh schwankte. Von dem Gelehrten neben ihr kam nur ein zittriges Wimmern.
Eisige Winde peitschten ihr ins Gesicht, bauschten ihren Mantel hinter ihr auf. Der Drache blickte einen Moment lang zu ihnen hinüber, dann setzte er sich wieder in Bewegung.
»Scheiße«, murmelte sie, als der Eisdrache über den unebenen Untergrund preschte; mit großen Sprüngen auf sie zurannte; einen tödlichen Schneesturm hinter sich herziehend.