"Es wird vom Stamm der Gunwinggu erzählt, dass in einer frühen Epoche, zur Traumzeit, der Liverpool River einst nicht mehr war als flaches Land. Bis ein großes Leistenkrokodil daher kam und sich mit seinem kräftigen Maul einen Weg durch das Erdreich fraß. Diese Vertiefung füllte sich mit Wasser und wurde so zu einem Ort des Lebens. Natürlich leben auch heute noch Nachfahren dieses Krokodils in jenem Fluss und lassen uns spüren wie viel Magie in diesen Kreaturen steckt.", ich lausche den Worten eines Mannes, der sich mit einem Hühnchen bewaffnet in ein Gehege geschwungen hat. Es ist bewachsen von grünem Gras und in der Mitte liegt ein großer Teich. Schmutzig braunes Wasser verhindert, dass wir sehen, dass er sieht, was darin verborgen ist. Eine fast schon gespenstische Stille macht sich breit, das Knistern einer Anspannung so laut wie trockenes Laub unter den Stiefeln im Herbst.
"Es sind wundervolle Tiere, einzigartige Liebhaber die wirklich auf ihre Jungen achtgeben", führt der Mann mit Dreitagebart gelassen aus. In diesem Moment schleudert sich etwas, riesengroßes, fast schwarzes brüllend aus dem Wasser auf ihn zu. Das Auge vermag kaum zu folgen, fast synchron, als habe er einen 6. Sinn, springt der Mann zur Seite und gewährt uns einen Blick auf etwas Altes, mächtiges: Ein Leistenkrokodil. Der massige Körper schiebt sich mit Geschwindigkeit über das Gras und schnappt nachdem Mann, dass Hühnchen verschwindet im Schlund des Kolosses und scheint ihm zu schmecken. Aus einem weißen Eimer nimmt sich der Mann ein weiteres Stück Fleisch, kein Huhn, es ist größer. Vermutlich Schwein oder Rind. Das Krokodil folgt ihm nicht, es zieht sich in sein Gewässer zurück, die Erfahrung des Jägers um das Wissen einer guten Deckung. Wieder verstummt die Welt in einer Anspannung in der nichts mehr als weitere Anspannung existiert. Der Mann geht näher an das Wasserloch, macht einen Schritt zurückgeht wieder darauf zu. Wer wird den nächsten Angriff gewinnen? Das Krokodil oder er? Noch bevor man sich die Szenarien der Möglichkeiten ausmalen kann, erscheint wieder das Krokodil wie ein Torpedo aus dem Wasser schießend. Wieder gelingt es dem Mann auszuweichen, wieder schafft es das Krokodil Beute zu machen. Ein Schauspiel der besonderen Art, nicht nur der Unterhaltung willens, nein viel mehr, dass es die Tiere fit hält, ihre Instinkte schärft und das Gefühl gibt ihre Nahrung wirklich erbeutet zu haben. Ein Gefühl das die wenigsten von uns wohl wirklich verstehen in unsere Welt aus Supermärkten und Restaurants. "Krokodile sind anders und deshalb können wir von ihnen auch so viel lernen. Sie sind mehr als eine Handtasche, sie sind Wesen mit Gefühl!" Applaus überdeckt die letzten Worte, als der Mann das Gehege verlässt. Applaus der sich so unwirklich anfühlt, zu früh, zu spät, nicht richtig. Was ist es, was mich daran stört? Vielleicht das Klingeln meines Weckers innerhalb des Applauses?
Wecker?
Ich erwache. Erwache aus meiner eigenen Traumzeit um zu erkennen, dass Krokodile auch heute noch einen Flusslauf bewirken können.
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13.09.2020 © Felix Hartmann