Auf einer Schwarzeiche saßen drei kleine Opossums und trauten ihren Augen kaum, die ehemals grüne Pracht ihrer Heimat war in ein noch viel bunteres Meer aus Farben gewechselt. Mit offenen Mündern staunten die drei kleinen Gräulinge über rote, orangene und gelbe Blätter. Manche von ihnen fielen früh, andere fielen spät und wurden am Grund allmählich zu einer brauen Masse. Die drei kleinen Opossums krallten sich mit ihren Schwänzen an einen Zweig und schauten wie weitere Blätter fielen.
"Das muss Zauberei sein!", raunte eines der Opossums zu den anderen beiden, die nur kräftig nickten. Etwas unsicher betrachteten die kleinen Geschöpfe das bunte Meer der Farben, wie schillernd alles war und sie waren einfach nur grau. Sie fühlten sich deplatziert, jeden Tag im bunten Meer noch ein wenig mehr und überlegten, ob sie ihre Heimat verlassen sollten.
Da sagte eines von ihnen: "Wenn das Bunt morgen immer noch da ist, lasst uns aufbrechen und eine Heimat finden, die mehr uns entspricht." Die beiden anderen Opossums nickten.
Über die Nacht zog dichter Nebel über das Land und verschluckte alle Farben. Die kleinen Opossums staunten nicht schlecht, als sie ihre Wohnhöhle verlassen hatten: Waren sie etwa Schlafgewandelt? Rasch suchten sie wieder Zuflucht in der Höhle, doch es war die gleiche, in der sie auch eingeschlafen waren. Wie konnte das sein? Unsicher was sie tun sollten, blieben sie nun in der Höhle und als nach drei Tagen und Nächten der Nebel über Nacht verschwand, lag der erste Schnee des Jahres ringsherum verteilt. Am nächsten Morgen erwachten die Opossums und kletterten aus der Höhle. Der Winter hatte wirklich keinen Flecken ausgelassen und so war die ganze Welt weiß geworden. In diesem Meer aus weiß, waren die kleinen Gräulinge plötzlich so sichtbar, wie die Farben des Herbsts und sie freuten sich auch endlich mal im Blickmittelpunkt zu stehen.
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30.11.2020 © Felix Hartmann