Was genau hatte sie geritten, nach Hause zu kommen? Diese Frage hatte Sam sich in den letzten drei Stunden mindestens hundert Mal gestellt.
Die Antwort darauf war eigentlich recht simpel, sie hatte es Chris zuliebe getan, aber das änderte nichts daran, dass sie sich auf dieser Party so fehl am Platz fühlte wie ein Pinguin in Afrika.
Um sie herum standen gefühlt nur Schwangere, und das, obwohl keine der Frauen mehr als ein oder zwei Jahre älter als sie war, eher im Gegenteil. Es war schon beinahe deprimierend.
"Freust du dich, hier zu sein, Schwesterherz?"
Henry hatte sich von hinten angeschlichen und lehnte sich jetzt neben Sam in den Türrahmen. Ihren mörderischen Blick quittierte er mit einem Lachen.
"Warum tu ich mir das hier an, Henry?", fragte Sam ihn, und bemühte sich, dabei extra verzweifelt zu klingen.
"Weil du genau weißt, dass ich genau so wenig Lust auf das hier habe wie du. Und weil du Chris diesen Wunsch niemals abgeschlagen hättest", antwortete Henry ihr überraschend ernst. Dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: "Glaub mir, du kannst froh sein, dass das hier die einzige Babyparty ist, an der du in deinem Leben teilnehmen musst. Dafür werde ich persönlich sorgen."
"Heißt das, du hast jetzt schon kein Interesse mehr an mehr Kindern?", neckte Sam ihren Bruder, der daraufhin nur leise aufstöhnte. Sam konnte sich zwar nur wage vorstellen, wie das Familienleben ihres Bruders aussah, aber Chris war ihre älteste Freundin. Vierzehn Jahre war es her, dass ihre Lehrerin an der weiterführenden Schule sie nebeneinander gesetzt hatte, mehr als ihr halbes Leben. Und das war, wenigstens für Sam, Grund genug, auch zu einer in ihren Augen vollkommen unsinnigen Party hier her zu kommen.
"Leute, hört alle her, ich habe euch etwas mitzuteilen!", rief Chris in diesem Moment aus der Mitte des Raumes. Sie sah bildhübsch aus in ihrem blauen Kleid, und so glücklich, wie Sam sie schon lange nicht mehr gesehen hatte.
"Jetzt kommt's", murmelte Henry, in genau dem Moment, in dem Chris verkündete: "Wir bekommen Zwillinge!"
Sam schaute ihren Bruder überrascht an.
"Wirklich? Zwillinge?"
Er nickte gequält. Und Henrys Blick war es ebenfalls Wert, heute hier gewesen zu sein.