Wer kennt ihn nicht, diesen magischen Satz aus dem Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge:
„Spieglein, Spieglein an der Wand - wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Ist das einfach nur eine wirre Frage, die eine einzelne eitle Frau an einen sprechenden Spiegel stellte? Oder war es ein Menetekel? Ich glaube es nicht, denn mein Spiegel spricht leider nicht mit mir. Ich habe es auch meine Tochter und verschiedene andere Damen machen lassen und leider sprach keiner dieser Spiegel zu ihnen, obwohl sie sogar genau diese und andere Worte an den Siliciumdioxid oder Aluminiumbeschichtung auf der Rückseite richteten. Selbiges funktioniert auch nicht mit Spiegeln, die tatsächlich mit Silber auf der Rückseite beschichtet sind. Vielmehr neigten die mehr oder weniger zufällig ausgewählten Probandinnen dazu, sehr schnell im mystische Selbstgespräche zu verfallen. Hier einige Äußerungen:
"Man, ich sehe heute wieder echt scheiße aus! "
"Scheiß Spiegel, warum kann er diese blöden Fältchen um die Augen nicht verbergen. "
"Oh, Mist, Claudia sieht viel besser aus, als ich. Möchte nur wissen, wie sie das macht. Sicherlich hat sie einen besseren Schönheitschirugen als ich."
"Selbst, wenn ich ehrlich bin, meine Nase ist zu lang, und das Kinn ist zu flach. Und erst diese strohigen Haare."
Selbstredend könnte ich sicher noch Millionen solcher Äußerungen hier aufführen, aber ich erspare mir diese unnütze Arbeit, da sie thematisch allesamt sehr eng beieinander liegen und immer nur einem Mangelbericht entsprechen, den Autogutachter nach einem Frontalzusammenstoß mit hoher Geschwindigkeit in ihr Diktaphon sprechen. Sorry, die zwei geschichtlich belegten positiven Äußerungen fallen dort also nicht ins statistische Gewicht. Eine soll Kleopatra gemacht haben, um Cäsar zu bezirzen und die zweite soll Marie Antonette kurz vor ihrer Hinrichtung gemacht haben. Offenbar fand sie es nicht erquicklich, dass sie unfrisiert zur Enthauptung fahren musste, dem das gemeine Volk johlend beiwohnte. Möglicherweise hatte sie massive Befürchtungen, nicht als die erkannt zu werden, die sie war.
Bilanzieren wir nun diesen ersten Punkt. Frauen neigen gerne dazu ihre Lebenszeit durch stundenlanges Zaudern vor dem Spiegel dramatisch zu verkürzen. Für eine durchschnittliche Frau beträgt die Zeit vor dem Spiegel 27 Minuten und für die Spitzenmodels bis zu vier Stunden täglich. Abgesehen von der höchst überflüssigen Zeitverschwendung und der damit einhergehenden unnötigen Geldverschwendung ist wissenschaftlich bewiesen, dass es keine Creme auf dieser Welt gibt, die wirklich nachhaltig oder dauerhaft zur ewigen Schönheit einer Frau beiträgt. Selbstredend kann man auch Botox und andere Mittelchen zur Anwendung bringen, aber selbst das ist keine Lösung, die auf Dauer Falten verhindert. Viel mehr tragen diese chemischen Kampfstoffe sogar zum Absterben der Gehirnzellen bei.
Kommen wir nun zum Ausgangspunkt der holden Weiblichkeit mit ihren Problemen ästhätischen Problemen zurück. In einer modernen Version aus der heutigen Zeit würde der Dialog mit dem Spiegel wohl so lauten.
„Spieglein, Spieglein an der Wand. Warum bin ich nicht die Schönste im ganzen Land? Ich nutze alle Cremes, alle Schminktricks und die wunderbarsten Erfindungen der Pharmaindustrie? Aber warum nützt es NICHTS!“
Antwort vom Spiegel! (Falls er sprechen kann und mit einem speziellen Mustererkennungsprogrammen zur Faltendiagnose ausgestattet wurde!)
„Ich, der große magische Spiegel, hielt es für wichtiger, dir Zartheit, innere Stärke und einen wunderbaren Verstand mit auf deinen Lebensweg zu geben. Ja, auch Frauen müssen an die Rente denken und sollten daher vornehmlich ihre Zukunft im Auge behalten. Zudem! Heute soll es schon Ärzte geben, die einem gegen klingende Münze jeder Frau Spitzohren, lange Nasen und hässliche Brüste aus Bausilikon auf den Leib schneidern, um angebliche Missbildungen mit scharfen Messern und brachialen Werkzeugen zu korrigieren. Also blöde Ziege! Verdiene dir mit deinen positiven Gaben Geld und dann kannst du dich selbst verunstalten, wenn du glaubst nicht länger du selbst sein zu wollen. Ich jedenfalls bilde nur das ab, was der Realität entspricht. Äußerlichkeiten sind dabei immer nachrangig. Bedenke, die inneren Werte sind viel bedeutender.“
Da ich ein halbwegs vernünftiger Verfechter der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann bin, denke ich, dass die inneren Werte eines Menschen viel bedeutsamer sind, als reine Äußerlichkeiten, die mittels Farbpigmenten, Chemie und anderen Trägerstoffen aus Fetten der Schlacht- oder Petrochemie auf ein Gesicht aufgebracht werden. Aber offenbar stehe ich mit dieser lästerlichen Aussage, die schon hundertfach in der Emma (Zeitschrift für Frauen mit Köpfchen) abgedruckt wurde, alleine auf weiter Flur. Dabei fällt mir eine recht imponierende reale Begebenheit ein, als eine wahrhaft charmante Dame sagte, als sie mit zwei Freundinnen bei dem Genuss von Kalorien (Sahnetorte) und Drogen (Coffein) von einer etwa gleichaltrigen Dame mit Top Figur ironisch angesprochen wurde. Die schicke Dame frotzelte nervös herum. „Ich kann gar nicht verstehen, dass so alte, fette Weiber verheiratet sind! Möchte nur wissen wie sie ihren Mann ins Bett bekommen haben." Darauf die Antwort von einer der Damen: „Wissen Sie – gute Frau! Männer sind gar nicht so blöd, wie Sie möglicherweise denken. Männer mit Verstand achten vornehmlich auf die inneren Werte, und die erfordern nun mal ein wenig Platz zwischen Hüfte und Kopf!“
Zunächst eine Frage. Sind alle Männer figürlich so toll aussehen, dass man uns als Adonis bezeichnen könnte? Sind wir alle so nett hergerichtet, dass man unsere Haut mit einem zarten Babypopo vergleichen könnte. Ich denke, dass dieses nicht der Fall ist. Dennoch eine Kleinigkeit unterscheidet uns von den holden Damen. Wir wissen, dass wir nicht mit Miss World konkurrieren müssen. Wir sind und bleiben rauhe gesellen ohne übersteigerten Schönheitswahn. Dafür haben wir andere Mängel.
Ok, wir Männer haben auch unsere Spielzeugtempel, die sie liebevoll Baumarkt nennen. Ja, wir blöden Kerle opfern viel Zeit, um Bretter, Schrauben und diverse Maschinen zu kaufen, um unsere Frauen mit selbst gezimmerten Notlösungen zu beglücken. Ich gebe sogar zu, nicht immer gelingt es uns, alle Wünsche im ersten Anlauf perfekt umzusetzen, weil sogar wir Männer nicht immer mit den notwendigen Gaben der Raumverschönerungen gesegnet sind und wir darüber oft auch optische Unzulänglichkeiten aufweisen, die zu Fehleinkäufen und miserablen Arbeitsergebnissen führen. Dennoch ist der Umsatz in den Bautempeln geringer, als der der femininen Duft- und Schminktempel.
Mit Sicherheit werde ich nie versuchen mit meinem Rasierspiegel zu sprechen, denn es hilft nichts. Die Bartstoppeln sind ja schließlich das Beste im Mann, wenn ich der Werbung glauben schenken darf. Also, warum das Beste im Mann entfernen?